Online-Gottesdienste: Bestandsaufnahme und Ideenbörse

Manchmal ist es erschreckend, wie die Zeit verfliegt. Im Internet hat sich in den letzten fünf Jahren viel bewegt, es gibt Twittergottesdienste und Chatandachten, aber der Aufsatz „Gottesdienst und Gemeinde im Internet?„, der eine Übersicht aus evangelischenr Perspektive bietet und der immer noch zitiert wird, ist von 2007, im Internet ist das ein Zeitalter. Was bedeutet dies für das Thema? Online-versierte Theologinnen und Theologen probieren einfach Formate für Internet-Gottesdienste aus, die praktisch-theologische Reflexion lässt aber auf sich warten, frische Literatur gibt es noch nicht. Für einen Workshop zum Thema Online-Gottesdienste im Michaeliskloster in Hildesheim habe ich für die Teilnehmenden eine Übersicht erstellt:, die ich mit Kommentaren ergänze.

Streaming von Gottesdiensten

  • Fernsehgottesdienst/Radiogottesdienst: Internetstreaming erfolgt in der Regel über die Sender, dies ist mittlerweile Standard.
  • Gemeindegottesdienste: In Skandinavien oder USA streamen einige Gemeinden regelmäßig ihren Gottesdienst, in Deutschland ist dies noch keine gängige Praxis, Beispiele dazu auch im zitierten Aufsatz; es gibt auch Vorreiter.
  • Multimediale Gottesdienste, z.B. Fernsehgottesdienst mit parallelem Chat, Online-Erstellen der Fürbitten. Beispielhaft ist dafür noch immer der Fernsehgottesdienst zum Volkstrauertag in Wilhelmshaven 2006, leider ist die dazugehörige Website www.staerker-als-geschichte.de  nicht mehr online (die Prrojektbeschreibung findet sich auch unter „Gottesdienst und Gemeinde im Internet?„). Zu diesem Genre könnte man auch den unten erwähnten Facebook-Gottesdienst zählen, der allerdings nicht über TV gesendet wurde, sondern nur als Stream bzw. on-demand verfügbar ist.

Twittergottesdienste:

Hier kommt der Kurznachrichtendienst Twitter zum Einsatz. In der Regel werden hier Textnachrichten versendet, allerdings ist auch der Versand von Fotos/Bildern möglich. Natürlich können auch Links zu Audio-Dateien und zu Videos gepostet werden.
Bei Twittergottesdiensten stellt sich die Frage nach der Audience: Für wen mache ich den Gottesdienst? Für die vor Ort versammelte Gemeinde, für die Christinnen und Christen, die online teilnehmen, oder für beide Zielgruppen.
Bei der Planung sollte man sich über die Zielgruppe(n) klar sein.

Es gibt viele Modelle für neue Gottesdienstformen. Die bekanntesten sind diejenigen, die sich schon seit einiger Zeit etabliert haben sind „Familiengottesdienste“ und „Jugendgottesdienste“. Denkt man neue Gottesdienstformen unabhängig von Zielgruppen, sondern sucht vielmehr nach neuen Möglichkeiten von Gemeindebeteiligung im Gottesdienstgeschehen, liegt es nahe an die große Kommunikationsplattform Twitter zu denken.

Nun soll es nicht darum gehen virtuelle Gottesdienste auf der Plattform zu „feiern“. Vielmehr soll im gottesdienstlichen Kirchraum die Möglichkeit bestehen sich „direkt“ mit „Tweets“ zu beteiligen. Die einzelnen Äußerungen sollen für alle Gottesdienstbesucher an einer Twitterwall sichtbar sein. Absetzen kann man die Tweets über das Mobiltelefon oder an einem Computer im Gottesdienstraum.

Der betreffende Hashtag (#) wird im Gottesdienst bekannt gegeben.

Der Gedanke ist nicht neu und Twitter Gottesdienste sind auch schon realisiert worden. Nach meiner Kenntnis aber nicht von Evangelisch-Landeskirchlicher Seite.

Am 13.2.2011 soll es also losgehen.

Weitergehende Überlegungen von Knut Dahl auch unter: http://pastorenstueckchen.de/2011/05/neue-ueberlegungen-zu-einem-twittergottesdienst

  • Einbinden von Menschen außerhalb des Gemeindegottesdienstes, z.B. abgereiste Teilnehmer eines Barcamps (und natürlich auch, um die Interaktion der Gemeindeglieder zu erhöhen): Twittergottesdienst auf dem Relicamp 2012 in Frankfurt: http://aktuell.evangelisch.de/comment/1031?destination=comment/1031
    http://aktuell.evangelisch.de/artikel/2191/unter-dem-christus-die-twitterwall?deination=node/2191Ähnlich auch die Online-Bibelarbeit auf dem Kirchentag in Dresden 2011: http://www.kirchentag.de/jetzt-2011/religion-glaube/03-freitag/rpr-twitterbibelarbeit.html
    http://www.kirchentag.de/jetzt-2011/religion-glaube/03-freitag/rpr-twitterbibelarbeit/rpr-o-toene.html Beim Twittergottesdienst auf dem Relicamp und der Online-Binelarbeit habe ich selbst als Liturg bzw. Bibelarbeiter mitgemacht. Da niemand einen Twittergottesdienst alleine „halten“ kann, ist der Gottesdienst schon von sich aus auf Kooperation der Beteiligten und damit auf Interaktion angelegt. Interaktion ist eine Haltung, die sich quer durch die gesamte Gestaltung des Gottesdienstes zieht.Beim Gottesdienst soll niemand ausgeschlossen sein, daher hatten wir Karteikärtchen für die, die kein Smartphone/Notebook dabei hatten. Diese Kärtchen wurden dann vom Team abgetippt. Ebenfalls hatten wir einen „Twitter-Reporter“, der die Predigt bzw. den Ablauf des Gottesdienstes postete, so dass es für die Gottesdienstteilnehmer über Twitter auch möglich war, dem Ablauf zu folgen. Wichtig für die Gottesdeinstbesucherinnen und -besucher in der Kirche ist die Twitterwall, dazu kann man ein kostenloses Tool wie twitterwallr.com nutzen, aufwändiger ist eine eigene Progarmmierung wie onlinebibelarbeit.evangelisch.de, die es erlaubt, vorab auch Inhalte zur Vorbereitung zu posten bzw. ggf die Tweets zu filtern, falls Störer das Hashtag gebrauchen. Die Reduktion auf 140 Zeichen führt manchmal zu kraftvollen Verdichtungen, z.B. wenn jemand tweetet, „Gott ist mein Navi“, es gibt aber auch Teilnehmende, die den Twittergottesdienst „extrem protestantisch wortlastig“ finden. Die von der Gemeinde geposteten Fürbitten waren sehr persönlich, einige haben mich angerührt. Auch aus Österreich gibt es gute Erfahrungen mit Onlinegottesdiensten: http://andacht.markuskirche.com/

Facebook-Gottesdienst:

Chatandachten

  • auf evangelisch.de fanden von 2009 bis 2011 regelmäßig Chatandachten in Kooperation mit der Internetarbeit der rheinischen Kirche statt.Einge Andachten waren auf einen Anlass bezogen und folgten einer speziellen Liturgie wie die Chats am Ewigkeitssonntag:  http://www2.evangelisch.de/themen/religion/trauer-im-netz-du-bist-nun-bei-gott-mein-kind51993.
    Andere waren regelmäßige Andachten am Donnerstagabend um 21.30 Uhr, dazu exemplarisch ein Protokoll und einen Blogbeitrag von Heiko Kuschel.Persönlich fand ich bei diesen Andachten das gemeinsam gebetete Vaterunser und den Segen wichtig, die Chatandachten waren ein Ort, online Glauben zu leben.

Diesen Blogpost habe ich schnell als Stütze für de Teilnehmenden am Workshop in Hildesheim verfasst, damit ein Gerüst da ist. Vollständigkeit habe ich nicht angestrebt, sondern nur exemplarisch Entwicklungen aufgezeigt. Beim Schreiben fiel mir jedoch auf, dass einige Online-Quellen nicht mehr verfügbar sind, auf die ich mich gerne bezogen hätte. Wenn Ihr Quellen, Dokumente oder Links habt, schickt sie mir, ich ergänze gerne.

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9 Antworten zu “Online-Gottesdienste: Bestandsaufnahme und Ideenbörse”

  1. Weitere Links zum Thema: Bei der Beatmesse World Wide in der Gemeinde und auf dem DEKT 2011 in Dresden banden wir die Besucherinnen und Besucher per Twitter uns SMS ein – sie konnten über diesen Weg Fürbitten beisteuern, die wir dann per Beamer projiziert haben.
    Links dazu:
    http://beatmesse.de/konzept19.html
    http://beatmesse.de/konzept19DEKT.html
    Werkheft dazu unter Best.-Nr. 21104.3 bei tvd-Verlag (http://www.tvd-verlag.de/tvd-2011-12.pdf)
    Server-Software (GPLv2) ist in der von mir benutzten Fassung unter http://code.google.com/p/beatmesse-world-wide/ abgelegt – leider gibt\’s noch keine nennenswerte Doku dazu.

  2. Ich finde zwei Aspekte noch interessant: (1) Wie kann ein wie auch immer gearteter Online-Gottesdienst gestaltet werden, ohne dass einfach nur ein bisheriges Gottesdienstmodell der Hut \“online\“ übergestülpt wird. Bzw. auch, wie können Social Media einen/den (Online-)Gottesdienst verändern? (2) Was für Gottesdienstformen sind dem jeweiligen Medium angemessen? Passt es z.B. zu Facebook und der üblichen Facebooknutzung, wenn eine Assistentin mit dem iPad ins Bild läuft und ein paar Kommentare abliest?

  3. Spontan finde ich die Bedeutung von Gottesdiensten im Internet eher marginal. Vielleicht im Notfall, wenn die Kirche zerbombt ist und man sich als Christ nur noch über das Internet unterhalten kann. Aber dann stellt sich auch die Sicherheitsfrage.
    Ansonsten kann nichts den wirklichen Gottesdienst ersetzen, die reale Zusammenkunft der Gemeinde. Übers Internet einen Gottesdienst zu veranstalten finde ich relativ unsinnig. Dann kann man auch gleich Seelsorge im Chat machen.
    Für mich ist das Internet, ist Twitter oder Facebook usw. eine Möglichkeit, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und ihnen von Jesus Christus zu erzählen. Mag sein, dass das sogar eine Form von Gottesdienst sein kann, aber richtige Gottesdienste zu veranstalten, halte ich für sinnlos und undurchführbar.
    Ich habe das Gefühl, damit wird nur versucht, eine Kernkompetenz der evangelischen Kirche ins Internet zu transportieren. Die Kernkompetenz ist aber nicht der Gottesdienst. Die Kernkompetenz ist das Evangelium von Jesus. Und das kann man im Internet verbreiten, damit die Menschen in den Gottesdienst gehen und Gott begegnen. Aber wenn man unbedingt hipp sein will und Gottesdienste im Internet feiern will, bleiben die Gottesdienste online genauso lehr wie offline.

  4. Katholischerseits kann ich noch zweimal Online-Gottesdienst in Form von Stundengebet, genauer gesagt der Komplet, ergänzen:
    – die Chat-Komplet der Kirche St. Bonifatius in Funcity (http://kirche.funcity.de/), hier gibt es (z.B. beim Tagesrückblick) Möglichkeiten für die teilnehmer, persönliche Gedanken mit ins gemeinsame Gebet hineinzubringen
    – die Komplet in der Kirche St. Georg in Second Life, ein Überrest des Projekts \“Kirche in virtuellen Welten\“ des Erzbistums Freiburg, jetzt ehrenamtlich weitergeführt (Facebook-Seite: https://www.facebook.com/pages/Virtuelle-Kirche-St-Georg/271709703669); hier ist es die ganz klassische Form der Komplet, ungewöhnlich ist nur das Medium bzw. die Form der Teilnahme.

  5. […] Vor knapp zwei Jahren im September 2010 fing es mit einem Praktikum in der Redaktion von evangelisch.de an. Mein Arbeitskollege Johannes hatte mich im Juli schon für die Aufgaben angeworben und im Oktober dann waren wir zuerst 2 und ab November dann 3 IT’ler, die in der hauseigenen Agentur i-public für Webdesign, Technik,  Social Media und einige kreative Ideen und Umsetzungen für Portale zuständig waren. Die Zeit hat mir viel Spaß gemacht, ich habe sehr viel gelernt und wir haben vieles ausprobieren und entdecken dürfen. Höhepunkt war dann der Kirchentag in Dresden wo wir das Projekt “Onlinebibelarbeiten” mit einer Gemeinde vor Ort durchgeführt haben, die Resonanz war hervorragend und seitdem finden in verschiedenen Kirchen immer wieder kleine Onlineandachten oder -gottesdienste statt (bei TheoNet.de nachzulesen) […]

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