Alltagsfrömmigkeit im Netz vom Morgengruß bis zum Schlusswort

Das Klosterleben wird durch Stundengebete strukturiert, von der Prim zur Komplet. Feste Gebetszeiten haben sich durch die Kirchengeschichte bewährt und strukturieren den Tag. Dies gilt nicht nur für Mönche und Nonnen, sondern für Christenmenschen aller Konfessionen, seien es die traditionellen Stundengebete, die morgendliche Bibellese mit Gebet, das Lesen der Herrnhuter Tageslosung oder das persönliche Abendgebet. Nicht zu vergessen in der periodischen Strukturierung des Glaubenslebens ist der wöchentliche Gottesdienst am Sonntagvormittag.
Auch in den elektronischen Medien Hörfunk und Fernsehen haben sich Andachtsformern und –zeiten etabiert: Die Morgenandacht im Radio – je nach Sender zu anderer Uhrzeit und mit anderer Tonalität – und im Fernsehen „läutet“ das „Wort zum Sonntag“ den Tagesabschluss am Sonnabend ein.
Und im Internet? Jederzeit und zu jedem Ort kann man online sein. Es gibt keinen Morgen und auch keinen Sendeschluss am Abend, von einer Nachtruhe ganz zu schweigen. Tageszeiten widersprechen der inneren Logik des Internet. Trotzdem oder gerade deswegen haben sich auch liturgische Zeiten im Netz gebildet, man muss sie nur wahrnehmen. War für die vom Fernsehen geprägte Gesellschaft die Tageschau um 20 Uhr ein fester Termin, an der das Abendprogramm begann, so stehen in der Mediathek nun Sendungen 24/7 zur Verfügung, die Tagesschau kann man online sehen, wann immer man will.
Vielleicht ist es gerade deswegen für Menschen, in dieser Zeitlosigkeit den tag auch mit geistlichen Impulsen zu strukturieren. Solche Alltagsfrömmigkeit kann sehr niederschwellig sein, so z.B. der regelmäßige Gruß am Morgen durch den Pfarrer, wie es Horst Peter Pohl (@pfarrerpohl) morgendlich auf Twitter macht:
[tweet https://twitter.com/pfarrerpohl/status/309549667757199360]
Kein großer Inhalt, nur die Begrüßung am Morgen. Ein ganz niederschwelliges Ritual am Morgen. Ich weiß, jemand denkt an mich.
Die badische Landeskirche postet gegen 12 Uhr das Twittagsgebet, hier als Beispiel ein Tweet vom Tag, als der Papst seinen Rücktritt ankündigte:
[tweet https://twitter.com/twittagsgebet/status/300936675490668544]
Dieses Angebot hat zurzeit 1137 Followers, aber neben dieser Zahl ist entscheidend, wer diese 140-Zeichen-Kurzgebete weitergibt, also retweeted.
Sprachfähigkeit des Glaubens ist ein hohes Wort, durch ein Teilen oder Retweeten kann ich mir ganz einfach Worte zu eigen machen, die ich vielleicht so selbst nicht fände.
Auf der rheinischen Facebook-Fanpage facebook.com/ekir.de strukturieren wir auch den Tag, um 7 Uhr beginnen wir mit einem „Auftanker“ – eine MP3-Datei aus der Rundfunkarbeit  zum Anhören, die durch Foto und Text eingeleitet wird. Spricht sie mich an oder denke ich, die Botschaft wäre für einen Freund oder eine Freundin, kann ich sie einfach über Facebook teilen.
Abends haben wir ein „Schlusswort“ – ein Zitat, das einen geistlichen Denkanstoß zum Tagesabschluss anbietet und einen Link zur Biografie des bzw. der Zitatgeberin. Gerade Segensworte führen zu hohem Engagement der User. Dieses Schlusswort  scheint vielen unserer User wichtig zu sein. Verschwindet es aus dem Newsfeed von Facebook-Nutzern, erhalten wir Nachfragen, warum sie es nicht mehr bekommen. Dann ist schnell Abhilfe geschafft, regelmäßig „Gefällt mir“-Klicken oder Teilen führt dazu, dass es wieder angezeigt wird.
Anbei ein schönes Beispiel, wie das Teilen eines Schlusswortes zur Kommunikation führen kann.

Schlussworte teilen
Schlussworte teilen, Namen und Gesichter aus Datenschutzgründen unkenntlich gemacht

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Weitere Beispiele für „Gelebte Frömmigkeit im Internet“ finden sich im Vortrag auf der Klausurtagung des Theologischen Konvents Augsburgischen Bekenntnisses in Würzburg am 6. März 2013.

Gelebte Frömmigkeit im Internet
Prezi: Gelebte Frömmigkeit im Internet

Link zur Prezi

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5 Antworten zu “Alltagsfrömmigkeit im Netz vom Morgengruß bis zum Schlusswort”

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