Online-Gemeinde der United Church of Christ: Arche oder Auferstehung?

Schlagworte verkürzen immer, bringen es aber auf den Punkt. Letzte Woche durfte ich am LinK-Event der United Church of Christ (UCC) teilnehmen, wo der Launch einer Online-Gemeinde der UCC vorbereitet wurde.

Die Herangehensweise der UCC bei der Gründung einer Online-Gemeinde ist sicherlich pragmatischer, aber die Situation, in der sich die UCC befindet, lässt sich durchaus mit deutschen Landeskirchen vergleichen. Gemeinden sind überaltert, die Denomination muss massiv sparen, Mainline Churches verlieren Mitglieder, Gemeinden werden aufgelöst. Vor diesem Hintergrund hat die General Synod beschlossen, eine Online-Gemeinde aufzubauen. Welches Ziel verfolgt die UCC mit diesem Plan? Geht es darum, mit der Online-Gemeinde die UCC ins Internet-Zeitalter hinüberzuretten? Ist die Online-Gemeinde quasi eine moderne Arche Noah, die hilft, die gegenwärtigen Widrigkeiten zu überwinden, bis die Zeiten besser werden? Oder bedeutet die Gründung einer Online-Gemeinde, dass die UCC keine Hoffnung mehr in den traditionellen Gemeinden sieht, diese zum Sterben verurteilt sind und hofft, dass die Online-Gemeinde Auferstehung ist, dass etwas radikal Neues entsteht. Geht es um die Projektion des traditionellen Kirchenverständnisses in die Zukunft oder darum, den Weg für eine neue Art, Kirche zu sein zu bereiten? „Are we building an ark or are we hoping for the resurrection to take place“ – auf diese plakative Formel brachte es einer der Experten auf dem LinK Event. Unter dem Namen Extravagance UCC firmiert diese neue Gemeinde. „Extravagant“ drückt das Selbstverständnis der UCC aus, die UCC ist inklusiv, wo andere ausschließen; sie heißt überschwänglich willkommen, wo andere ausgrenzen. Extravagance UCC ist „open and affirming“, d.h., lädt Menschen aus der LGBT-Community ausdrücklich ein und will ihnen einen sicheren Platz anbieten, ihren Glauben zu leben. Extravagance UCC soll gegenüber den evangelikalen Megachurches die Stimme eines progressiven Christentums im Web erheben und der Deutungshoheit des Fundamentalismus Paroli bieten.

Extravagance UCC wird eine Online-Gemeinde – im Englischen: online community oder auch online congregation – sein, aber der Weg zur Online-Gemeinde führt nicht über die Internet-Technologie oder über Social Media, sondern aus der Erfahrung, nicht mehr in der Fläche präsent zu sein. „Intentional geographically dispersed community” – eine verbindliche, örtlich verteilte Gemeinschaft – ist der Claim, mit der Extravagance UCC inhaltlich begründet wird. Der Weg führt ins Netz, weil es Gegenden in den USA gibt, die keine UCC-Gemeinden mit ihrem progressiven Profil haben.
Hier ist sicherlich einer der Hauptunterschiede zu den USA, das deutsche Parochialsystem garantiert die flächendeckende Versorgung mit landeskirchlichen Gemeinden, außerdem sind diese nicht so stark Profilgemeinden wie Gemeinden der UCC.
Allerdings solle man redlicherweise auch sehen, dass aus dem National Office der UCC in Cleveland die Positionierung der UCC und ihrer Gemeinden anders wahrgenommen wird als vor Ort. Auch wenn die UCC als Denomination „open and affirming“ ist, so gilt das auf Gemeindeebene eben nur für ein Drittel der Gemeinden.

Mit Extravagance UCC geht es daher auch um das Selbstverständnis der UCC und deren Zukunft. Dies erklärt den Enthusiasmus der Beteiligten. Sie wollen dem Schrumpfungsprozess der Mainline Denominationen etwas Positives entgegensetzen. Extravagance UCC wird daher nicht primär von der Technologie getrieben, sondern von dem Wunsch, dem progressiven Christentum in einer gespaltenen amerikanischen Gesellschaft eine Stimme zu verleihen und Engagierten eine Heimat zu bieten.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Anbindung von Extravagance UCC verständlich. Die Initiative kommt von LCM (Local Church Ministries), und eben nicht aus der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Ben Guess, Executive Minister für LCM, legte seiner Ansprache zum Auftakt des LinK Event Apostelgeschichte 8:36 zu Grunde und griff die Frage des äthiopischen Kämmerers dahingehend auf zu fragen, was uns hindere, eine Online-Gemeinde zu gründen? So wie Philippus den Kämmerer einfach taufte, könne die UCC auch einfach mit dem „new way of doing church” beginnen. Mit Jo Hudson, die zuvor an der Catheral of Hope tätig war, wurde eine charismatische Pfarrerin gefunden, die für diese Ausrichtung steht und in der UCC große Anerkennung genießt.

Wenn es beim LinK Event zwar vornehmlich darum ging, einen Trägerkreis für die Online-Gemeinde zu gewinnen und die Ausrichtung zu diskutieren, so war der Subtext der Diskussion auch, welche Visionen es in der UCC gibt, Kirche Christi zu sein.
Wenn Extravagance UCC auch nicht Technik-getrieben ist, so bin ich doch erstaunt, wieweit einzelne Ortsgemeinden online schon sind. So haben Gemeindepfarrer die Arbeitsbeschreibung „online ministry“ oder eine Gemeinde hat ein eigenes „media ministry“. Darkwood Brew lässt sich als Online-Gemeinde bezeichnen, die aus einer Ortsgemeinde hervorgegangen ist. Die spannende Frage ist, wie sich diese Initativen in Extravagance UCC einbinden lassen.

Viele Entscheidungen müssen nun getroffen werden, einige grundlegende Fragen – z.B. wie sieht Mitgliedschaft aus, wie trägt sich eine Online-Gemeinde, wie lässt eine Zielgruppe soziologisch beschreiben – hatte ich bereits im September zusammengestellt.

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Die Unitarian Universalist Association (UUA) macht es vor, dass mit der Church of the Larger Fellowship (CLF) eine Online-Gemeinde über mehrere Jahre stabil ist und sich selber tragen kann. Davon berichtete Rev. Meg A. Riley, Senior Minister der CLF in ihrer Keynote:

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Es gehört Mut dazu, in einer Zeit des Stellenabbaus, Neues aufzubauen. Dazu braucht es auch Vertrauen darauf, dass der Heilige Geist auch heute noch wirkt und Gemeinde baut, dies gilt auch für die Online-Gemeinde Extravagance UCC, so twitterte Gathering Pastor Jo Hudson:

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