Eine virtuelle Kirche gibt es nicht, aber Online-Gemeinden schon

Mein Blogpost „Sündige kräftig im #Neuland!“ zitierte aus einer Diskussions in der Facebookgruppe Kirche und Social Media, die Diskussion ging anschließend in dieser Gruppe weiter.
Ein Kollege, den ich ohne Namen zitierte, antworte (wenn er diesen Blogpost liest und es möchte, mache ich gerne seinen Namen kenntlich und verlinke sein Profil [Ergänzung: Der Kollege hat den Beitrag gelesen und ist mit der Nennung seines Namens einverstanden: Andreas Reinhold und er bloggt unter beffchen.de]):

Wie dort vertrete ich weiterhin die Position, dass Kirche social media nutzen muss, um niederschwellige Kontaktmöglichkeiten zu bieten. Ob es auch virtuelle Gemeinden gibt, halte ich aber für äußerst fragwürdig. Da muss man dann definieren, was Gemeinde ist.
Für mich ist Gemeinde da, wo sich Menschen unter dem Namen Jesu Christi begegnen und das Wort verkündigt und die Sakramente ordentlich verwaltet werden. Die ersten beiden Punkte lassen sich sicher auch virtuell bewerkstelligen. Bei Taufe undErgänzung, keine Konkurrenz Abendmahl stoßen wir aber m.E. an Grenzen.
„Die Digitalisierung der Gesellschaft führt dazu, dass durch digitale Räume neue Formen von Gemeinde entstehen. Nicht physische Nähe, sondern Kommunikation ist für sie wesentlich. Die evangelische Kirche respektiert und fördert diese neuen Gestalten von Gemeinde.”Für mich bleibt das Internet ein Medium, FB & Co. ebenfalls (wie der Name ja schon sagt). Es vermittelt Gemeinde, aber es „ist“ nicht Gemeinde.

Meine Reaktion:

Nur kurz: Laut CA VII sind Verkündigung und Sakramente notae ecclesiae, d.h., wo Verkündigung und Sakramentsverwaltung stattfindet, dort ist Kirche als solche in der Welt identifizierbar.
Der Umkehrschluss gilt aber nicht, sonst wäre z.B. auch Diakonie keine Kirche.
Außerdem: Wenn das „und“ von Verkündigung und Sakramentsverwaltung als logisches Und im mathematischen Sinne zu verstehen wäre, dann wäre z.B. auch der Sonntagsgottesdienst ohne Taufe und ohne Abendmahl keine Kirche.
Also CA VII sagt m.E. nur, wo Kirche sicher identifizierbar ist, aber nicht, wo Kirche nicht ist.

Darauf folgt die Antwort:

Überzeugt mich nicht, M.E. definiert CA VII Kirche. Da würde ich wie Luther beim Abendmahlsstreit auf das „est“ pochen („Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta.“) Aber das sind Spitzfindigkeiten. Selbst wenn Ihre Interpretation zuträfe: Was habe ich von einer (virtuellen) Kirche, wenn sie nicht als solche identifizierbar ist?
Von einem logischen „und“ habe ich übrigens nicht gesprochen.

Stimmt, vom logischen Und hat der Kollege nicht gesprochen, aber er nutzt es in seiner Argumentation:

Es geht online:

1. Begegnung von Menschen im Namen Jesu

2. Verkündigung des Wortes

Es geht online nicht:

3. Verwaltung der Sakramente

Ergo: Es gibt keine Gemeinden im Netz.

Diese Argumentation – in verschiedenen Facetten – habe ich schon sooft gehört, dass ich nun eigens darauf antworte:

Kennzeichen der Kirche in der Welt

Die notae ecclesiae sind hinreichende, aber keine notwendigen Kriterien, wo Kirche in der Welt zu finden ist. Meist werden auch nur die lutherischen Kennzeichen der Kirche nach der Augsburgischen Konfession (CA VII) zitiert, nämlich Verkündigung und Sakramentsverwaltung. Die reformierte Tradition kennt noch Kirchenzucht in der belgischen Konfession (Artikel XXIX) und die amerikanisch-kongretionalistische Tradition definiert die sichtbare Kirche in der Welt wir folgt als „a company of saints by calling, united into one body by a holy covenant, for the public worship of God, and the mutual edification of one another in the fellowship of the Lord Jesus“ im zweiten Kapitel der Cambridge Platform.
Also: nur die lutherische Tradition bezieht sich auf die Sakramente, die refomierte Tradition kennt andere Kennzeichen der Kirche. Aber selbst in der lutherischen Tradition dienen die notae ecclesiae der Identifizierung der Kirche in der Welt, also sind hinreichende Kriterien. Wären es notwendige Kriterien, wäre beispielsweise eine Gebetsgemeinschaft im Namen Jesu nicht Kirche, da dort weder  gepredigt noch Sakramente gereicht werden.
Wenn mich mein Studienwissen noch trägt – hier bitte ich ggfs. um Korrektur – ist für Luther das Sakrament eine sichtbare Form der Begegnung mit dem Wort. Das Sakrament dann argumentativ gegen das gepredigte Wort abzugrenzen, passt dann nicht.
Eine Online-Gemeinde ist natürlich Kirche, sofern sich Menschen versammeln – das geht online – und in dieser Versammlung das Wort gepredigt wird. Wäre das keine Kirche, weil dort keine Sakramente gefeiert werden, dann wäre vieles auch nicht Kirche, was wir sonst als Kirche bezeichnen, z.B. Diakonie oder auch die Katechese, das Bildungshandeln wäre auch nicht Kirche, ebensowenig die Seelsorge.

Neue Gestalten von Gemeinde

In der Kundgebung der EKD-Synode vom November 2014 heißt es:

„Die Digitalisierung der Gesellschaft führt dazu, dass durch digitale Räume neue Formen von Gemeinde entstehen. Nicht physische Nähe, sondern Kommunikation ist für sie wesentlich. Die evangelische Kirche respektiert und fördert diese neuen Gestalten von Gemeinde.”

Ich erinnere mich an die Diskussion in einer der Arbeitsgruppen, in der darum gerungen wurde, ob man von Online-Gemeinden sprechen könne oder ob man diese nur als Online-Communities bezeichnen müsse. In der Arbeitsgruppe gab den Ausschlag, von Online-Gemeinden zu sprechen, das Argument, dass man sonst auch in  der Diakonie oder auch in der Erwachsenenbildung beispielsweise sonst nicht von Kirche sprechen dürfe, denn dort gebe es auch keine Sakramentsverwaltung.
EKD-Kundgebungstexte haben natürlich keinen Bekenntnischarakter, geben aber einen kirchlichen Konsens wieder. Mehr zu Online-Gemeinden auch hier.

Die Begrifflichkeit macht’s

Offline versus online; real versus virtuell; Kohlenstoffwelt versus Cyberspace – jenachdem, welche Begrifflichkeit ich wähle, drücke ich auch meine Wertung aus, eine virtuelle Gemeinde ist natürlich keine „echte“ Gemeinde. Gerade bei Kirchens wird oft eine face-to-face-Begegnung als ein echtes Begegnen zweier Menschen gepriesen, während ein Online-Kontakt “nur” virtuell sei. Abgesehen davon, dass virtuell ethymologisch etwas anderes bedeutet als unecht, nämlich kraftvoll, so nimmt diese abschätzige Wertung von Online-Begegnungen nicht wahr, wie wie real diese Begegnung für Menschen sein kann.

Offline und Online leben wir Spiritualität

Es gibt Offlline-Begegnungen, die oberflächlich sind, es gibt Online-Begegnungen, die tief sind und ebenso umgekehrt, allerdings sind Online-Begegungen häufig anders als face-to-face-Treffen. Es gibt Themen, die man lieber in der Seelsorge von Angesicht zu Angesicht ausspricht, es gibt aber auch Erfahrungen, die man sich leichter im Seelsorgechat von der Seele schreibt. Ich habe ergreifende spirituelle Erfahrungen in einem Gebetschat gemacht und mich in Gemeindegottesdiensten allein und verlassen gefühlt; ich habe Gottes Nähe im Gottesdienst einer Ortsgemeinde gespürt und mich bei einer Online-Andacht leer gefühlt.

Multi-Site Church
Multi-Site Church

Kann es eine „virtuelle“ Gemeinde geben? Nein, wenn damit gemeint ist, es ist keine echte Gemeinde. Kann es Online-Gemeinden geben? Natürlich! Ich merke, wie mich bereits diese Frage aufregt. Wenn jemand sagt, eine Online-Gemeinde sei keine echte Gemeinde, spricht er mir ab, das das Kirche ist, was ich als Kirche erlebe und wahrnehme.

Ergänzung, keine Konkurrenz

Natürlich hatten die Reformatoren nicht das Internet im Blick, und Gemeinde aufs Internet zu beziehen, ist eine Ausweitung. Aber gerade CA VII spricht von der congregatio, der Versammlung, schränkt aber nirgends ein, dass diese an einem (physikalischen) Ort sein müsse.
Ich habe den Verdacht, die Ablehnung von Online-Gemeinden liegt eher in der Angst begründet, dass so Ortsgemeinden abgewertet würden oder ihnen Ressourcen entzögen würden. Warum spielen wir jedoch Gemeindeformen gegeneinander aus? Warum wird Online-Gemeinden abgesprochen, Gemeinde zu sein?
Natürlich brauchen wir Ortsgemeinden, weil Menschen in Bezügen vor Ort leben und so auch ihren Glauben in Gemeinschaft leben wollen.  Aber es gibt auch Menschen, die im Netz zu Hause sind und diese brauchen auch einen Ort, wo sie ihren Glauben leben können. Online seinen Glauben zu leben, ist nicht weniger wertvoll.
Die Diskussion, ob online Sakramente gefeiert werden können, oder ob wegen fehlender Sakramente Online-Gemeinden defizitär seien, hilft niemand und führt in eine theologische Sackgasse. Online und offline sind wir Menschen das Evangelium schuldig.
Wir brauchen beides, Online-Gemeinde und Ortsgemeinde. Sie können sich ergänzen, so wie bei einer Multi-Site-Church das Web ein weiterer Ort der versammelten Gemeinde ist.

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12 Antworten zu “Eine virtuelle Kirche gibt es nicht, aber Online-Gemeinden schon”

  1. Ich finde spannend, dass sich anlässlich der Frage, ob es so was wie eine \“Online-Kirche\“ geben kann, sich hier eine konfessionelle, also lutherisch-reformierte Diskussion anbahnt. Für mich als rheinischem Lutheraner – ausdrücklich nicht uniert, sondern auf die lutherischen Bekenntnisschriften ordiniert – ist CA 7 konstitutiv, d. h. Kirche geht nicht – auf keine Fall! – ohne die Ortskirche \“in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta\“. Diakonie und Online-Kirche sind zweifellos legitime Gestalten der Kirche. Aber sie sind es nur mit Bezug auf die Ortskirche. Ohne die Ortskirche können sie nicht Kirche sein.

  2. Ich finde die Diskussion seit Jahren ja eh schon spannend. Zeitlich aufgrund anderer Termine schaffe ich es kaum noch, den Gottesdienst der lokalen Kirche zu besuchen. Liegt auch daran, das ich in der Frankfurter Gemeinde nicht verwurzelt oder eingebunden bin. Ich hatte zwei-drei Male schöne Erlebnisse mit Abendgottesdiensten, auch der dortige Pfarrer war nett, aber bisher fühlte ich mich nicht von der Gemeinde so angesprochen das ich mich richtig wohl fühlte. Selbst wenn ich zu Besuch in meiner alten Heimatgemeinde in Tübingen bin, erachte ich mich inzwischen eher als guten Bekannten der einen Gottesdienst besucht – online Gemeinden könnten da auch nicht wirklich mithalten – ich habe einige online Gottesdienste ja miterlebt – da fühlte ich mich wohl, aber auch weil ich die Personen und Pfarrer die diese Onlinegottesdienste durchgeführt haben, mir auch persönlich bekannt waren und da ein Vertrauensverhältnis bestand. Die EKD kann von mir aus beschliessen was sie will – die Umsetzung und der Kontakt zu Menschen auch mit den digitalen Möglichkeiten braucht Fingerspitzengefühl und souveräne Durchführung.
    Vielleicht bin ich aber auch durch die (berufliche) Erfahrung zu kritisch… Aber schön, wenn der Dialog nicht abbricht – ich hoffe auf dem Kirchentag wenigstens da mehr Wagnis in die Richtung zu sehen, muss daher dringend das Programm dahingehend prüfen – bisher ist mir noch nichts über den Weg gelaufen was mich jetzt spontan beim DEKT begeistert in diese Diskussionsrichtung – habt ihr Tipps oder wisst ihr was? 🙂

  3. Lieber Herr Reimann,
    zunächst einmal danke ich Ihnen für die ausführliche Replik auf meine doch kurzen Einlassungen auf FaceBook. Das will ich gerne mit einer entsprechenden Antwort würdigen.
    Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass Kirche die neuen Medien nutzen sollte, um das Evangelium zu kommunizieren. Die Möglichkeiten sind da bei weitem noch nicht ausgeschöpft und ich hoffe da wie Sie auf die Kreativität und die Abenteuerlust derer, die sich dieser Aufgabe widmen. Ich respektiere deshalb auch Ihr unverkennbar ehrliches Engagement, unsere Kirche in dieser Hinsicht zu bestärken. Da ziehen wir an einem Strang.
    Im Gegensatz zu Ihnen sind für mich aber neben der Verkündigung des Wortes Gottes die Taufe und das Abendmahl für Kirche konstituierend. In diese Richtung interpretiere ich auch CA VII. Wären die Sakramente lediglich eine andere, zu vernachlässigende Form der Begegnung mit dem Wort, dann hätte man sie in CA VII auch nicht extra erwähnen müssen. Gegen diese Ansicht spricht m.E. auch CA XIII. Daraus folgt für mich in der Tat, dass Diakonie, Seelsorge und auch eine Gebetsgemeinschaft Ausflüsse und Arbeitsbereiche der Kirche, aber nicht mit ihr wesentlich gleichzusetzen sind. (Ich habe übrigens ein Jahr lang in der Elise Reformee de France als Pfarrer gearbeitet und selbst dort keine Gemeinde erlebt, in der nicht getauft und Abendmahl gefeiert wurde.)
    Dass EKD-Texte einen „kirchlichen Konsens“ wiedergeben, darüber kann man auch vortrefflich diskutieren. Denn was bedeutet denn „kirchlicher Konsens“? Ich erinnere mich an die Meinungsfindung in der EKiR, als es um die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ging. Da gab es einen breit angelegten, in die einzelnen Kirchengemeinden initiierten Diskussionsprozess, bei dem am Ende nicht alle einer Meinung waren, der jedoch zu einer übergreifenden Positionsbestimmung geführt hat. Dieser Prozess hat, was die Online-Gemeinden angeht, in der Form und Intensität meines Wissens nicht stattgefunden. Übrigens zähle ich dazu auch die Entscheidung der EKD, sich nun selbst als Kirche zu definieren – aber das ist eine andere Baustelle.
    Ich stelle einmal ein paar – vielleicht etwas provozierende – konkrete Fragen: Welche Kirchenordnung gilt in einer Online-Gemeinde? Gibt es für diese keine? Oder umfasst die Kirchenordnung z.B. der EKiR die Online-Gemeinden? Falls ja (was ich nicht annehme): Gibt es ein Leitungsgremium? Wer wählt dieses und wie? Ist eine Online-Gemeinde überhaupt „evangelisch“? Oder ökumenisch? Welchen Bekenntnisstand besitzt sie? Sollte sie dann nicht auch als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden und Kirchensteuern erheben dürfen?
    Entschuldigen Sie, wenn das jetzt ein wenig überzogen war. Aber worauf meine Fragen zielen: Ich habe den Eindruck, dass oft mit Begriffen argumentiert wird, die ein allgemeines Nicken hervorrufen, aber deren inhaltliche Füllung möglicherweise gerade nicht Konsens ist. Ich vermute das auch in dieser konkreten Diskussion. Sie haben einen anderen Kirchen- und Gemeindebegriff als ich. Über diesen müssten wir uns erst einmal einig werden und ihn definieren. Unter dieser Voraussetzung würden wir uns vielleicht sogar einigen können. Doch diese Voraussetzung muss erst einmal geschaffen werden – und vielleicht arbeiten wir da ja gerade dran.
    Ich verstehe nicht, warum wir nicht mit den Begriffen arbeiten, die das Netz selbst kreiert hat: Ich hätte es klarer gefunden, wenn man sich auf den Begriff der Kommunität geeinigt hätte. Ich weiß auch nicht, was dieser Begriff nicht bietet, was den Befürwortern eine Online-Gemeinde/-Kirche wichtig ist. Ich wüsste auch nicht, warum er abwertend interpretiert wird. Natürlich kann ich online meinen Glauben leben … genauso, wie ich meinen Glauben ohne Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde leben kann.
    Es ist schade, dass Sie, Herr Reimann, am Ende des Artikels darauf abzielen, „Skeptikern“ wie mir eine Angst vor Konkurrenz zu Ortsgemeinden zu unterstellen. Das ist mitnichten der Fall. (Ich nehme an, Sie rekurrieren da auf mein Engagement bei „KirchenBunt“ und eine Diskussion, die wir schon einmal geführt hatten. Da ging es aber um ein anderes Thema.) Sorgen bereiten mir dagegen Entscheidungen „von oben“, die wenige für viele treffen, ohne die vielen überhaupt zu Rate gezogen zu haben. Und Sorgen bereitet mir die Beobachtung, dass wir immer mehr substanzielle Entscheidungen ohne wirklichen theologischen Diskurs treffen. M.E. ist das der Grund für den Relevanzverlust, den man so fürchtet. Um so dankbarer bin ich, wenn wir hier ehrlich miteinander – im positiven Sinne – streiten.
    In diesem Sinne herzliche Grüße,
    Andreas Reinhold.

  4. Aber schön, wenn der Dialog nicht abbricht – ich hoffe auf dem Kirchentag wenigstens da mehr Wagnis in die Richtung zu sehen, muss daher dringend das Programm dahingehend prüfen

    Wenn Du was findest, sag Bescheid. Wenn nicht, vielleicht kann man sich ja so treffen und zum Thema austauschen?

  5. Finde das Thema sehr spannend, will hier aber nur eine kurze Anmekrung machen. Sie schreiben: \“Die notae ecclesiae sind hinreichende, aber keine notwendigen Kriterien\“. Das ist logisch widersprüchlich: Eine hinreichende Bedingung ist immer auch eine notwendige Bedingung, aber eine notwendige Bedingung nicht immer hinreichend. Wenn es hinreichend für die Existenz der Kirche ist (das ist ein ziemlich gute Übersetzung von \“satis est\“) das Wort und Sakrament gegeben sind, dann ist die Aussage ja.: Mehr als das braucht es nicht. Aber eben das braucht es auch, um Kirche zu sein. Die Formulierung der Confessio Augustana hat ja historisch den Mittelweg gesucht zwischen dem katholischen Amtssakramtentalismus und dem linksreformatorischen Anti-Sakramentalismus. Gegenüber der katholischen Kirche betonte man: \“Mehr als Wort und Sakrament (=Taufe und Abendmahl) braucht es nicht um Kirche zu sein\“ (also z.B. kein hierarchisch gegliedertes Amt), gegenüber den sog. \“Schwärmern\“ betonte man: \“Wo keine Sakrament, da auch keine Kirche.\“

      • Nö, lieber Herr Reimann! Das klingt für mich dann doch ein wenig nach Pipi Langstrumpf: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Ein \“und\“ ist ein \“und\“ und kein \“oder\“. \“Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta.\“ Das ist eine klassische Konjunktion.

        • Lieber areinhold2014,
          natürliche Sprache und formale Logik benutzen und/oder durchaus unterschiedlich:
          Die Frau des Logikers bekommt ein Kind. Der Arzt gibt ihm das Neugeborene, seine Frau fragt ungeduldig: \“Und? Junge oder Mädchen?\“
          Er: \“Ja.\“
          Im Lateinischen wird bei \“oder\“ noch zwischen \“vel\“ und \“aut\“, inweiweit diese Unterscheidung wirklich trägt oder doch ein Mythos ist, vermag ich auf die Schnelle nicht beantworten: http://plato.stanford.edu/entries/disjunction/#MytVelAut
          Allerdings, wenn das Vorhandensein beider Notae als Kriterium gemeint gewesen wäre, hätte es die Möglichkeit gegeben, dies im Lateinischen mit einem \“et … et\“ auszudrücken, dies steht aber nicht da.

          • Hätte, hätte Fahrradkette … sorry, lieber Herr Reimann, aber warum Dinge komplizierter machen, als es ist? Um die eigene Überzeugung in einen einfachen Satz hineinzuinterpretieren?
            Es steht nun einmal \“et\“ dort und kein \“vel\“ (wenn man das gemeint hätte, hätte man das ja auch so schreiben können, hat man aber nicht – Sie sehen, diese Argumentation führt nicht weit). \“et\“ bedeutet \“und\“. Ich kenne keine Übersetzung von CA VII, in der dieser Ausdruck mit \“oder\“ übersetzt wird.
            Und das ist auch richtig so. Oder können Sie sich eine \“Kirche\“ vorstellen, in der lediglich Abendmahl gefeiert wird, aber die Verkündigung fehlt? Da kommen wir schnell wieder zu dem, was Luther an seiner Kirche damals kritisiert hat.

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