Datenmissbrauch bei Facebook: Wir haben es nicht wissen wollen

Screenshot_2018-03-21-11-14-41Man hätte es wissen können, doch wegschauen geht nicht mehr. Statt billiger Empörung über den Datenskandal bei Facebook und Cambridge Analytica ist eine sachliche Auseinandersetzung notwendig. Hier stichwortwartig einige Punkte:
Wir sind nur Gast auf Facebook – d.h. wir dürfen uns (als Institution und privat)  in unserer Kommunikation nicht von Facebook abhängig machen.
Facebooks Geschäftsmodell ist Datensammlung, um damit Dienste anzubieten.
Der Skandal um Cambridge Analytica ist daher eigentlich nicht unerwartet, sondern zeigt symptomatisch die Problematik sozialer Netzwerke wie Facebook auf.
Facebook mag im Falle des Skandals um Cambridge Analytica auch Opfer sein, wenn Nutzerdaten vertragswidrig ausgelesen und verwendet wurden, dass dies aber in dieser Weise möglich war, ist Facebook zuzurechnen. In diesem Sinne ist Facebook kein Opfer, sondern Mittäter.
Wenn Nutzerinnen und Nutzer kostenlose Dienste in Anspruch nehmen, müssen sie wissen, dass sie mit ihren Daten bezahlen; andererseits besteht bei den meisten Nutzern und Nutzerinnen aber auch nicht die Bereitschaft, für Online-Dienste zu bezahlen (Kontrollfrage: wer hat ein kostenpflichtiges privates Email-Konto?) Solch ein Konsumentenverhalten ermöglicht Facebooks Geschäftsmodell. Sich nur zu empören, ohne persönlich Konsequenzen zu ziehen, ist scheinheilig.
Facebook hat Macht und ist weitestgehend unreguliert. Für immer mehr Menschen bestimmt Facebook, wie sie welche Nachrichten wahrnehmen. Was Facebook wem anzeigt, wird durch nicht offengelegte Algorithmen bestimmt. Außerdem können Anbieter kostenpflichtig passgenau Werbung platzieren (Alter, Ort, Einkommen, Familienstand, Bildung, Haushaltseinkommen, Geschlecht, sexuelle Orientierung, politische Interessen, Religion können ausgewählt werden, pointiert: Facebook weiß, dass eine Frau schwanger ist, bevor es ihr Partner weiß). Facebook ist dabei nicht an journalistische Standards gebunden, sondern orientiert sich darin, dass Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange im eigenen Netzwerk gehalten werden.
Persönlich erwarte ich nicht, dass sich grundsätzlich an der generellen Akzeptanz von Facebook etwas ändert, auch wenn sich im Einzelfalle User abmelden dürften. Dazu ist Facebook als soziales Netzwerk und auch als Infrastruktur zu weit verbreitet (z.B. kann man sich bei vielen anderen Diensten über Facebook anmelden; sich bei allen Diensten eigens zu registrieren, ist für die meisten User zu aufwändig.)

Folgerungen:

Gesellschaftspolitisch darauf hinwirken, dass Facebook und andere soziale Netze reguliert werden, da sie de facto eine öffentliche Infrastruktur anbieten.
Individuell muss jeder für sich überlegen, wem er welche Daten freigibt. Man kann sich aber nur glaubwürdig gegen Daten sammelnde Netzwerke positionieren, wenn man gleichzeitig auch bereit ist, für Online-Dienstleistungen angemessene Entgelte zu bezahlen.
Als Kirche gilt für uns: Wir sind nur Gast auf Facebook, wir ziehen niemanden nach Facebook hinein, sondern wenden uns nur an die Menschen, die bereits auf Facebook sind. Wir nutzen trotz aller Problematik zurzeit weiterhin Facebook, weil wir auch den Menschen auf Facebook die Gute Nachricht schuldig sind.
Unsere eigene institutionelle Präsenz auf Facebook müssen wir aber regelmäßig überprüfen. Sich als Kirche jetzt von Facebook vorschnell zurückzuziehen, ohne generell unsere medienethische Position zu reflektieren und unser Nutzungsverhalten zu ändern, würde einer Empörungskultur Vorschub leisten, aber der Sachlage nicht gerecht. Denn der Skandal um Cambridge Analytica hat eigentlich nur offenbart, was jeder vorher auch schon hätte wissen können. Daher halte ich es für sinnvoller, substanzielle theologische und sozialethische Beiträge zur dringend notwendigen Regulierung von Facebook und anderen Netzwerken zu leisten und diese in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen.
Unsere konstruktive Kritik an Facebook sollten wir schon öffentlich machen, gerade auch auf Facebook.

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