Vor kurzem trafen sich Webpastorinnen, kirchliche Intenetbeauftragte und Journalisten zur 20. European Christian Internet Conference in Helsinki. War früher Finnland Nokia-Land, so ist es nun Angry-Birds-Territorium, das Hauptthema der Konferenz ist daher – wen wundert es – Gamification.
In der Nach-Nokia-Zeit sucht das Land eine neue Orientierung. Der Erfolg von Online-Spielen wie Angry Birds soll auf andere Bereiche übertragen werden. Gamification – oder etwas eingedeutscher Gamifizierung – scheint eine mögliche Antwort zu sein.
Gamification is the use of game design elements in non-game contexts.
Elemente aus Spielen in spielfremden Kontexten zu nutzen, so definieren Sebastian Deterding, Dan Dixon, Rilla Khaled und Lennart E. Nacke den Begriff in ihrem grundlegendem Aufsatz. Was lässt sich aus Online-Spielen ableiten und auf andere Bereiche übertragen? Wie lassen sich Politik und Wirtschaft gamifizieren? Was zeichnet Online-Spiele aus? Bezeichnenderweise hielt mit Jyrki Kasvi ein aus der IT-Branche stammender grüner Politiker den Eröffnungsvortrag.
In Online-Spielen gibt es Instant Feedback, auf jede Aktion der Spielerin oder des Spielers erfolgt eine Reaktion, die Auswirkungen einer Handlung sind sofort erlebbar. Ferner sind Spiele so aufgebaut, dass man durch Einsatz zu Erfolg kommt, die Struktur der Spiele lässt die Möglichkeit zu, sich zu steigern und zu verbessern.
Anders als bei Nudging, bei dem externe Faktoren den Menschen zu bestimmten, erwünschten Handlungen führen, setzt Gamification darauf, dass Menschen aus intrinsischer Motivation sich anstrengen, das gesetzte Ziel zu erreichen.
Ist Gamification ein Allheilmittel zur Motivationsförderung kirchlicher Mitarbeitender und zum Gemeindeaufbau? Gamification setzt also auch auf die Leistungsbereitschaft und den Wunsch zu gewinnen, Leistung nicht das entscheidende Kriterium sein darf. Spielstrukturen, die Zusammenarbeit befördern oder christliche Werte abbilden, eignen sich daher besonders für den Einsatz innerhalb der Kirche.
Grace would make a boring game – full score for everybody 🙂 @ralpe #ecic20
— SannaM (@SannaM) June 10, 2015
Gamification ist in Finnland im Bildungsbereich angekommen. Das Systemhaus Rovio, dass Angry Birds herausgebracht hat, besitzt eine Bildungsabteilung. Auch in kirchlichen Unterrichtskontexten werden Games eingesetzt, spielerisch lernt sich besser. Auf dem kirchlich betriebenen Minecraft-Server fisucraft.net haben Kinder den Einzug Jesu in Jerusalem nachgebaut und nachgespielt.
In Deutschland wird bei Online-Spielen über Gewalt geklagt, man betont die Gefahren der Abhängigkeiten und der Spielesucht. In Finnland sind Online-Spiele auch im kirchlichen Alltag angekommen, statt Gefahren zu beschwören, nutzt man sie – und beauftragt einen Pfarrer mit der Administration eines Minecraft-Servers – so steht für die jugendlichen Spieler auch ein Seelsorger als Ansprechpartner bereit.
2 Antworten zu “#Gamification: Ist alles nur ein Spiel?”
Ein interessanter Beitrag! Die Bestandsaufnahme von Online-Spielen in Deutschland ist allerdings ein ganz kleines bisschen tendenziös!
Sicherlich, den Gewaltdiskurs gibt es. Dieser ist vor allem in den (traditionellen) Massenmedien dominant. Ernstzunehmende Forschung bewegt sich jedoch längst in anderen Bereichen, zumal neuere großangelegte Studien keinen Zusammenhang zwischen Gewalt(-Bereitschaft) und Spielkonsum herstellen konnte.
Auch das Thema Religion(en) in digitalen Spielen wird in Deutschland bearbeitet, immerhin war es auch Thema auf diesjährigen Kirchentag. Neben diversen Forschungsprojekten gibt es auch hierzulande Minecraft-Projekte in kirchlichen Kontexten.
Es wäre allerdings schön, wenn das Thema, welches – wie man weiß – längst kein \“Jugendphänomen\“ mehr ist, noch ein wenig mehr in den Blick religiöser Institutionen und Entscheidungsträger rücken würde, denn es bietet (als eines der \“interaktivsten\“ Medien rezenter Populärkultur) viele Anknüpfungspunkte für religiöse Kommunikation und Interaktion.
Hat dies auf Programmieren lernen – mit Perl beginnen rebloggt.