„Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen” – so heißt die vor kurzem veröffentlichte Arbeitshilfe der rheinischen Kirche. Für eine Arbeitshilfe hat sie eine große Resonanz in den Medien gefunden und auch auf Social Media Plattformen wird viel kommentiert. Anstatt eine Arbeitshilfe zu lesen, ist es für viele anscheinend leichter, ohne Lektüre der Arbeitshilfe sich über diese zu empören.
Im Vorwort schreibt der rheinsche Präses Manfred Rekowski:
Sie lädt dazu ein, die Begriffe Mission und Dialog im Blick auf das Zusammenleben mit Muslimen theologisch zu reflektieren und will hier zu einer weitergehenden Klärung beitragen. […] Dazu soll in den kommenden Jahren eine vertiefte theologische Weiterarbeit in den Kirchengemeinden und in den unterschiedlichen kirchlichen Arbeitsfeldern zu einer größeren Klarheit und zu einer tragfähigen theologischen Positionierung führen. Ausführlich wird sich die Landessynode 2018 mit unserem Verhältnis zum Islam und dem Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland beschäftigen.
Eine Arbeitshilfe ist keine unfehlbare lehramtliche Festlegung eines Dogmas, sondern Ausgangspunkt für eine theologische Weiterarbeit am Thema. Statt sich zu empören und aufzuregen, täte es gut, die Arbeitshilfe aufmerksam zu lesen und dann weiter zu diskutieren.
Eine „strategische Islammission” lehnt die Arbeitshilfe ab, wesentlich ist jedoch, dass sie den Missionsbegriff neu auslegt. Wenn es um differenzierte Begrifflichkeit geht, muss man genau definieren, was genau mit Mission gemeint ist und was nicht. Mein Gegenüber darf nicht zum Objekt meines Missionsbegehrens werden, sondern gerne gebe ich auf Augenhöhe Auskunft über meinen Glauben. „Wir wollen so leben, dass andere neugierig werden auf unseren Glauben”, überschreibt die zuständige Oberkirchenrätin Barbara Rudolph den Blogpost, in welchem sie die Arbeitshilfe erläutert.
Die Überschrift „Missionsexperte im Rheinland kritisiert seine Kirche” bei Idea bringt natürlich mehr Klicks und auf Facebook mehr Likes und Kommentare, als die Überschrift „Wir wollen so leben, dass andere neugierig werden auf unseren Glauben”. Es scheint, als wollen manche Medien lieber Stimmung machen als zur Information und sachlichen Diskussion beitragen.
Erschreckend und bedenklich finde ich jedoch, dass sich Menschen, denen nach eigenem Bekunden der christliche Glaube wichtig ist, und die der rheinischen Kirche vorwerfen, Grundlagen des Glaubens aufgegeben zu haben, selber in der Art und Weise, wie sie über andere sprechen, christliche Nächstenliebe vergessen und eine Nähe zu rechtem Gedankengut offenlegen.
So schreibt beispielsweise ein H.P. zu besagtem Post auf der Idea-Facebook-Page::
Jetzt kommen die schon zu uns und wir sollen uns unseres Glaubens schämen? Also wenn unser Glaube im eigenen Land nichts mehr zählt, dann zeigt mir das deutlich worauf wir zusteuern.
Auf seinem eigenem Profil schreibt er weiter:
So kann und darf das nicht weitergehen. Wir brauchen dringend die „Alternative für Deutschland“ !
Auf der Idea-Facebook-Page lassen sich bei anderen Post weitaus schlimmere Kommentare finden, die den Islam als Religion und Moslems als Menschen abwerten. Wie kann man so zum christlichen Glauben einladen wollen?
Der rheinischen Kirche wird ferner die Aufgabe des Schriftprinzips unterstellt:
Das passiert, wenn wir den reformatorischen Grundsatz „sola scriptura“ aufgeben. Aufgrund einer naiven „Wissenschaftsgläubigkeit“ – oder auch einfach nur, weil uns Gottes Wort nicht passt. Dort war es einst die Berufung der Jünger, der Christen, anderen die frohe Botschaft von Jesus zu verkünden und sie zu Jüngern zu machen.
Das evangelische Schriftprinzip stellt die Heilige Schrift deutlich über die Tradition, also biblisches, nicht traditionelles Verständnis ist Grundlage der evangelischen Kirche. Die EKiR-Arbeitshilfe fordert auf, den so genannten Missionsbefehls anders zu lesen, als dies bis bisher getan wurde. Man mag, kann und muss theologisch darüber streiten, ob die in der Arbeitshilfe vorgeschlagene Interpretation dem Gesamtzeugnis der Heiligen Schrift entspricht, aber ein Abweichen von der bisherigen Tradition ist nach protestantischem Verständnis eben kein Argument gegen eine bestimmte Interpretation. Sola scriptura stellt die Schrift über die Tradition. Also, eine biblisch-theologische Argumentation ist gefragt und solo scriptura impliziert auch, dass man zu neuen biblischen Erkenntnissen kommen kann und bisherige Lesarten aufgibt. Statt auf Facebook sich zu empören und den Abfall vom protestantischen Schriftprinzip zu beklagen, wäre es angebracht, die Arbeitshilfe zu lesen und biblisch-theologisch zu argumentieren.
Nur zum Weiterdenken: Jesus spricht im Missonsbefehl seine Jünger an, die dem Judentum entstammen, und fordert sie auf, sich an alle Völker zu wenden. Wir in Deutschland sind aber Heidenchristen und gehören bereits zu den „Völkern”, was bedeutet dies für die Zielgruppe und Auslegung des Missionsbefehls, wenn wir nicht mehr zu den Vökern gehen können, da wir sie selber sind.
Ein Pastor einer Freikirche sieht gar eine Islamisierung der rheinische Kirche und schreibt auf der Idea-Facebook-Page diesen Kommentar::
Eine Kirche ohne Gottes Liebe. Die möchten lieber missioniert werden! Solch eine Kirche ist reif für den Islam!
Hier lässt sich nur wiederholen, was Präses Manfred Rekowski in einem weiteren Interview zur Arbeitshilfe gesagt hat, dass sich die EKiR weiterhin als missionarische Volkskirche verstehe.
Zum Abschluss: In der rheinischen Kirche haben wir einen Prozess der interkulturellen Öffnung begonnen.In der jetztigen Situation heißt dies auch, wir gehen auf die Flüchtlinge zu. Viele Gemeinden und Gemeindeglieder engagieren sich diakonisch, aber wir wollen auch unsere Gemeinden öffnen, das schließt natürlich unsere Gottesdienste ein. Heute haben die Kirchenkreise An der Ruhr und Oberhausen englische Gottesdienste (nicht nur) für Flüchtlinge gefeiert unter dem Motto: „We all are citizens with the saints and members of the household of God” – am Mülheimer Gottesdienst war ich selbst als Liturg beteiligt. Die Kollegin aus Oberhausen war in einer Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und hat zum Gottesdienst eingeladen. Eine Rückmeldung beim Besuch: viele der Flüchtlinge verstünden kein Englisch, aber Arabisch. Ein Flüchtling bot sich an, vom Englischen ins Arabische zu übersetzen. Er ist Moslem, auf die Frage, warum er denn in einem christlichen Gottesdienst übersetze, antwortet er in seiner Heimat sei er auch schon in Kirchen gewesen. Und: „Ihr habt uns eingeladen, da kommen wir gerne.“
Gott sei Dank sind auch solche Begegnungen Realität.
Eine Antwort zu “Islam: Dialog oder Hetze?”
Das einfach nur oberflächliche, schlampige, grottenschlechte Theologie! Alle haben sich lieb und wir kriegen die Bibel schon dahin, dass sie sagt, was wir hören wollen. So was will ich in meiner Landeskirche nicht noch mal haben. Ich bin stocksauer.