Manchmal verzweifele ich, wie kirchliche Organisation und agiles Vorgehen zusammenpassen. Da ist es hilfreich zu sehen, dass es in anderen Bereichen ähnliche organisatorische und strukturelle Probleme gibt. Digitalisierung ist kein Selbstläufer. Ich habe mich sehr gefreut, am Samstag auf dem Landespsychologentag NRW das Einstiegsreferat halten zu dürfen. Aus einer Außenperspektive konnte ich aus meinem Erfahrunsghorizont Impulse geben und gleichzeitig in den Workshops und Präsentationen sehen, wie Digitalisierung sich im psychologischen und psychotherapeutischen Bereich entwickelt.
Ich war beeindruckt, wieweit die Digitalisierung im Gesundheitswesen – gerade auch im Bereich “E-Mental-Health” – fortgeschritten ist, aber auch wiewenig man als Außenstehender davon wahrnimmt bzw. wahrnehmen kann. Vielfach sind es Pilotprojekte, die ausgerollt werden könnten, wenn es entspechende Strukturen gäbe. Damit Mental-Health-Apps und -Programme in die Regelversorgung oder auch als Zusatzleistungen der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden können, muss es entsprechende gesetzliche Bedingungen und Zertifizierungen geben. Da läuft die gesetzliche Regelung dem technischen Fortschritt hinterher. Start-up-Mentalität und agiles Vorgehen passen nur begrenzt zum gesetzlichen vorgegebenem Rahmen einer Krankenkasse, auch wenn einige Krankenkassen selbst Inkubatoren und Wagniskapital für Start-ups einsetzen. Mental-Health-Apps als Medizinprodukte mit CE-Kennung in Umlauf zu bringen, kann nur eine Übergangslösung sein. Ein schneller Blick auf die gegebenen Zertifizierungsklassen zeigt, dass Mentel-Heath-Apps eigentlich nicht zwischen Rollstühle, Hörgeräte, Kondome und Brustimplante passen.
Klasse I | Klasse IIa | Klasse IIb | Klasse III |
Gehhilfen Rollstühle Patientenbetten Verbandmittel Wiederverwendbare chirurgische Instrumente |
Dentalmaterialien Diagnostische Ultraschallgeräte Hörgeräte Kontaktlinsen Zahnkronen Muskel- und Nerven-Stimulationsgeräte |
Anästhesiegeräte Beatmungsgeräte Röntgengeräte Blutbeutel Defibrillatoren Dialysegeräte Kondome Kontaktlinsen-reiniger Dentalimplantate |
Herzkatheter Künstliche Gelenke Koronarstents Resorbierbares chirurgisches Nahtmaterial Brustimplantate Herzklappen |
Bei Feedback-Funktionen in Apps führen zur Frage, ob dies nur von Psychotherapeutinnen bzw. Psychologen kommen soll. Digitalisierung stellt daher auch die Frage nach dem Selbstverständnis von Berufen. (In der Diskussion stelle ich die Frage, ob App-Entwickler auch an KI-getrieben Bots denken, aber dies ist zurzeit nicht der Fokus bei Entwicklern und Entwicklerinnen.)
Überrascht war ich bei der Vorbereitung meines Vortages, dass ich keine Social-Media-Guidelines für Psychologinnen und Psychologen fand – es gibt sie noch nicht, dies it daher nach meiner Aufassung eine Aufgabe für den Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. Auch habe ich keine bloggende Psychologinnen und Psychotherapeuten gefunden – zumindest nicht auf der ersten Seite meiner Google-Suche. Der Marktplatz ist aber im Netz durch andere Blogs besetzt, wie z.B. durch Aljoschas Blog psychologie-einfach.de. Mir geht es nicht ums Bashing populärpsychologischer Coaching-Blogs, aber ich vermisse seriöse Blogs von Psychologinnen und Psychologen.
Gerade im Hinblick auf Social-Media-Präsenzen von Psychologinnen und Psychologen scheint man in Australien bereits weit zu sein, so meine Online-Recherche (siehe auch die Folien in meinem Vortrag bzw. die Notizen). Beim Anschlusspodium die Frage nach einem Wunsch, was in in fünf Jahren anders sein möge. Meine Antwort: Ich würde mich über gute Psychologie-Blogs freuen – denn E-Health-Apps wird es dann wohl schon zu Genüge geben.