Transformation des Bibellesens durch Künstliche Intelligenz?

In der heutigen Zeit des technologischen Fortschritts erleben wir eine bemerkenswerte Verschmelzung von Technologie und Theologie. Grundlage dieser Überlegungen ist Adam Grabers „Robot ‘Church Fathers’ Might Curate New Canons. Generative AI and the rise of ‚Bible GPTs‘ could radically shape our engagement with Scripture.“ Für alle, die tiefer in dieses Thema eintauchen möchten, empfehle ich den Original-Artikel bei Christianity Today.

Beispiele für BibleGPTs

Tatsächlich gibt es im englischsprachigen Raum bereits KI-getriebene Chatbots, die Interaktionen mit der Bibel ermöglichen und Antworten mittels KI generieren. Hierzu gehören Websites wie IlluminateBible, Bible.AI und OpenBible. Adam Graber bezeichnet solche KI-unterstützte Bibelwebseiten als „BibleGPTs“.

Die Frage des Kanons und der Datengrundlage

Eine der größten Herausforderungen dieser BibleGPTs ist die Datenquelle, auf der sie trainiert werden. In ersten und zweiten Jahrhundert entschied sich in den christlichen Gemeinden, welche Schriften zum biblischen Kanon gehören. Heute, in Zeiten der KI, wird diese Frage neu formuliert: Welche Texte bilden die Grundlage für die Antworten der KI? Und gibt es je nach Konfession unterschiedliche Textcorpora, die als Trainingsdaten dienen können? Wurde früher über die Auswahl der biblischen Schriften bestimmt, was die Glaubensgrundlage ist, so geschieht im KI Zeitalter dies durch die Auswahl der Trainingsdaten.

Adam Graber reflektiert diese Fragestellung folgendermaßen:

„Likewise, with today’s AI databases, someone will soon have to decide which denominational writings and perspectives should be included in the training data of the GPT (which stands for Generative Pre-trained Transformer). […] Imagine a Reformed database, an Orthodox database, and an Anabaptist or Catholic database: Each would require someone to decide which doctrinal writings should be included (“canonized”) and which should be left out. Who will decide, and how? Will it be denominational leaders within these traditions? Will it be tech leaders? Or possibly book publishers who control intellectual property?“

Ein weiteres bedeutsames Problem ist, dass diese BibleGPTs manchmal „halluzinieren“ und Antworten erfinden können. Dadurch könnten Nutzer*innen irreführende oder verzerrte Theologien erhalten. Wenn Expert*innen vor dem sogenannten „KI-Bias“ warnen, zielen sie genau auf solche Problematiken ab. Es stellt sich die Frage, wer entscheidet, was die Trainingsdaten für ein BibleGPT sind und ob bzw. welche konfessionellen Perspektiven dabei berücksichtigt werden.

DALL·E: "Create a photorealistic image of a Bible in connection with a computer symbolzing AI without using letters. Use only digits”
DALL·E: „Create a photorealistic image of a Bible in connection with a computer symbolzing AI without using letters. Use only digits”

Empfehlungen für einen bewussten Umgang mit BibleGPTs

Adam Graber schlägt in seinem Artikel eine andere Ausrichtung vor:

  1. Die Fragerichtung sollte umgekehrt werden: Anstatt Antworten von BibleGPTs zu erwarten, sollten diese uns Fragen stellen.
  2. KI dient am besten als Ergänzung und nicht als Ersatz für die Heilige Schrift.
  3. BibleGPTs sollten zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der Bibel anregen, die über den bloßen Text hinausgeht.
  4. Ein Textcorpus, das nicht konfessionell gebunden ist, kann den Horizont von Leser*innen erweitern und sie über traditionelle Interpretationsmuster hinausführen.
  5. BibleGPT-Systeme sollten im Dienst des Wortes und seiner Leser*innen stehen.

Abschließend betont Graber: Wie Winston Churchill 1943 bemerkte, gestalten wir zwar unsere Technologien, aber diese prägen uns im Gegenzug. Während wir unsere KI-Systeme weiterentwickeln, werden sie uns in den kommenden Jahren beeinflussen. Die Art und Weise, wie wir uns mit der Bibel beschäftigen, verändert sich – die Landschaft ist nicht mehr dieselbe wie vor einem Jahr.

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