Im Radio gibt es die Morgenandacht, im Fernsehen das Wort zum Sonntag. Im Gemeindebrief gibt es das geistliche Wort. Wie kann Verkündigung im Netz aussehen? Wie müssten Webandachten gestaltet sein? Das Internet als Medium zur Verkündigung zu nutzen ist ein altes Anliegen, ich habe es noch erlebt, dass der Text der Radioandacht per Fax in die Online-Redaktion kam, dort abgetippt wurde, in HTML konvertiert und per FTP auf die Homepage der Landeskirche eingestellt wurde. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei, aber was medienadäquate Verkündigungsformate im Web sind, muss sich noch entwickeln.Diesen Rückblick und disee Ideen habe zu einem Workshop am 29.11. in Saarbrücken eingeladen. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Saarland veröffentlichen regelmäßig auf der Homepage ihre Andachten und hatten um Feedback gebeten.
Rückblick Webandacht.de
Versuche, medienadäqute Verkündigungsformate fürs Web zu entwickeln, reichen noch ins letzte Jahrtausend (das klingt nun bombastisch) zurück. Leider verweist die Seite webandacht.de zurzeit nur noch auf Andachtsunterseiten auf ekd.de, allerdings sind in Archive.org noch einige alte Webandachten abrufbar: web.archive.org/web/20090215030645/http://ekd.de/webandacht/2992.php Multimedialität und Interaktion finden sich in einigen dieser frühen Webandachten, die aus einer Zeit stammen, als animierte GIFs noch als Ausdruck des Fortschritts galten. Interaktion äußerte sich dadurch, dass es verschiedene Klickwege durch die Online-Andacht gab, auch finden sich Umfragen, z.B. auf web.archive.org/web/20080626101732/http://archiv.webandacht.de/wert_des_menschen/index.html. Heute im Zeitalter von Facebook-Umfragen findet niemand mehr, dass dies etwas Außergewöhnliches ist, aber vor zehn bis 15 Jahren bedeutete dies auf jeden Fall eine cgi-Programmierung. Dies ist vielleicht auch dr Grund, warum sich die Idee der regelmäßigen Webandachten nicht durchsetzte. Gute, interaktive Andachten waren aufwändig in ihrer Erstellung und das Internet hatte noch Exotenstatus.
Audios
Bei Andachten lässt sich die Konvergenz von Rundfunk und Internet deutlich zeigen. Hörfunkandachten werden natürlich übers Radio verbreitet, aber es gibt sie auch als MP3 als Download, außerdem lassen sie sich als Podcast beziehen. Auf der EKiR-Facebook-Seite gibt es sie mit Foto und Teasertext angereichtert, wie dieses Beispiel zeigt: www.facebook.com/photo.php?fbid=529819453697601&set=a.452271958119018.110050.443918065621074&type=1&relevant_count=1
Videos
Eigene Andachtsvideos gibt es wenige, es stellt sich dabei auch die Frage, wie Verkündigung als Video gestaltet werden kann. Soll ein Verkündigungsvideo zum Nachdenken anregen? Erbaulich sein? Einen Impuls setzen. Ist dieses Video bereits Verkündigung? www.youtube.com/watch?v=0JwQqOXNYzI
Geistlicher Kommentar zum Zeitgeschehen
Bruder Paulus hat es für den katholischen Bereich vorgemacht, die Saarbrücker Kirchenkreise hatten dieselbe Idee. Zeitgeschehen aus christlicher Perspektive zu kommentieren. Die kommentierten Bildschlagzeilen von Bruder Paulus finden sich im Archiv www.bruderpaulus.de/medien/archiv-bild-kommentare.html
Nicht Bild, sondern die lokale Tageszeitung hatten die Kolleginnen und Kollegen aus Saarbrücken im Blick. Nachts noch an der Tanke die Zeitung geholt und morgens um sechs kommentiert. Der tägliche Rhythmus war nicht durchzuhalten, auch die Fokussierung auf die lokale Tageszeitung wurde aufgegeben, die Andacht ist aber immer noch im obersten Bereich der Homepage. Die Aussage dieser prominenten Platzierung: Verkündigung ist den Saar-Kirchenkreises auch im Netz wichtig.
Ein Blick auf die Andachten aus dem Saarland
Bei einer Durchsicht der Andachten auf dem Server der Kirchenkreise stellt sich mir die Frage: Was ist Andacht? Was ist ein evangelischer Kommentar zu Zeitgeschehen? Mir kommt das Bild von Karl Barth mit Bibel in der einen und der Tageszeitung in der andern Hand in den Sinn. Andacht und Kommentierung darf man nicht gegeneinander ausspielen, aber es könnte hilfreich sein, diese Frage intern zu klären, um den Kommentar bzw. die Andacht zu profilieren.
Hier ein Beispiel für eine der Saar-Andachten:
Unruhen und Morde wegen Anti-Islam-Film
Zu den aktuellen Geschehnissen rund um anti-islamische Hetze und den Morden seitens radikaler Islamisten bin ich beinahe sprachlos. Einfach nicht nachvollziehbar ist mir, dass man andere Religionen verunglimpft. Da fehlt jeder Respekt, jede Demut, jede Selbsterkenntnis. Und noch viel weniger kann ich begreifen, dass man wegen religiöser Beleidigung meint, unschuldige Menschen töten zu dürfen.
Ich weiß nicht, was der Koran zu diesen Geschehnissen zu sagen hat. In der Bibel jedenfalls steht: Jesus spricht: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen.“
Ansprechpartner: [Kontaktdaten zum Autor]
Was mir auffällt: die Kontaktdaten des Autors sindgut sichtbar, es schreibt ein Mensch, dem ich Rückmeldung geben kann. Hier würde ich gerne „Gefällt mir!“ klicken. Dies als Vorschlag für einen Relaunch der Website: Eine Social-Media-Integration würde es leichter machen, Zustimmng (oder auch Widerspruch) zu äußern. Wenn mich eine Andacht anspricht, möchte ich reagieren können. „Gefällt mir“ zu klicken oder die Andacht zu teilen, ist einfacher, als dies über Mail zu tun.
Technisch könnte ich mir die Andachten oder Kommentare auch als ein eigenes Blog vorstellen, das auf der Startseite ausgespielt wird. Hier erhielte man out of the box direkt verschiedene Interaktionsformate. Die Verlinkung in der Blogosphäre könnte auch die Reichweite vergrößern.
Spannend fände ich es, über die optimale Länge nachzudenken. Im Andachtsarchiv finden sich durchaus verschiedene Textlängen. Im Zeitalter von Twitter und Facebook verändern sich auch Lesegewohnheiten. Je nach Format ist die optimale Textlänge unterschiedlich, wie eine Untersuchung der United Methodist Church zeigt. Was ist die optimale Länge für eine Andacht?
Als die Andachten im Saarland starteten, waren Text und Bild gebräuchlich. Vielleicht ließen sich für die Zukunft auch Videos einbetten? Bei der Themenfindung finde ich lokal vor global wichtig. Neben der Tageszeitung können heute auch Social Media relevante Themen liefern – so ließe sich die Themenbasis verbreitern.
An dieser Stelle wünsche ich den Kolleginnnen und Kollegen in der Saar auch weiterhin einen langen Atem, das Thema Verkündigung im Netz wird uns – zum Glück – noch lange weiter beschäftigen.
5 Antworten zu “Verkündigung im Netz”
Bei \“Evangelisch im Facebook\“ gibt es einen geistlichen Impuls von Prof. Dr. Studentenpfarrer Tilman Schröder, immer Mittwochs unter dem Titel \“Stell\‘ dir vor\“, z.B. letzten Mittwoch diese hier:
http://www.facebook.com/notes/evangelisch/stell-dir-vor/526723777338799
Egal ob vor hundert Jahren die Predigt von Pastor Piepenbrink von der Kanzel oder Impulse zu aktuellen Themen von Bruder Paulus im Web: Die Themenstellung und das Wort geht erst einmal vom \“Geistlichen\“ (im weitesten Sinne) aus. Das Auditorum/die Leserschaft re-agiert, das ist das Novum.
Ich habe in jüngster Zeit mehrfach vorgeschlagen, auch den umgekehrten Weg zu beschreiten. Also zu gucken, was das Volk im Web dennso umtreibt und dann dort mit der Verkündigung anzusetzen. Die Fragestellungen dort waren erschreckend anders, als man es von Andachten gewöhnt ist.
http://glaubenstexturen.wordpress.com/2012/11/28/christen-geht-auf-die-foren/
[…] Im Radio gibt es die Morgenandacht, im Fernsehen das Wort zum Sonntag. Im Gemeindebrief gibt es das geistliche Wort. Wie kann Verkündigung im Netz aussehen? Wie müssten Webandachten gestaltet sein?… […]
Ich finde Ismael hat Recht, wenn er die grundsätzliche Kommunikationsstruktur anspricht. Ob ein Text in ner Zeitung steht oder auf ner Webseite, ob ne Andacht im Radio kommt oder per podcast bezogen wird oder ob ich was im Fernsehen seh oder auf youtube: Alles die selbe Kommunikation one to many, wobei man nun \“Like\“ klicken kann und weiterempfehlen. Die Idee, Verkündigung dort anzusetzen, wo sich Fragen stellen, etwa in Foren, ist insofern etwas neues, als daß die Kommunikation nicht beim Prediger startet, sondern der Kommunikationsansatz von ihm vorgefunden wird, und er reagiert. Dann stellt sich auch die Frage nicht mehr, wie man die Menschen erreichen kann. Man müßte einfach auf ihre Fragen antworten.
Ein großes +1 für die Beiträge von Ismael und dem Bundesbedenkenträger! 🙂