Morgen befasst sich die EKD-Synode in Dresden mit dem Schwerpunktthema „Kommunikations des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft“. Wegen des Bahnstreiks habe ich vom Zug auf den Flieger umgebucht und warte nun, dass das Boarding des verspäteten Fluges endlich beginnt. Das gibt mir Gelegenheit sicherzustellen, dass ich nichts vergessen habe. Meine in Leder gebundene Senfkornbibel ist zu Hause geblieben. Normalerweise nehme ich sie auf Reisen mit, aber diesmal hat sie den Platz in der Reisetasche nicht gefunden. Dafür habe ich ein Dienst-Notebook, ein privates Tablet und drei Smartphones mit. Ohne Bibel reise ich trotzdem nicht. Auf dem Tablet und auf zwei der drei Smartphones sind Bibelapps. Auf Griechisch, Hebräisch, Latein sowie auf Deutsch, Englisch und Spanisch habe ich den biblischen Text digital bei mir auf den mobilen Endgeräten.
So gesehen habe als Buch ich sogar mehr Bibel mit als früher, als mich nur eine Lutherbibel begleitete. Gutenberg und der Buchdruck haben es Privatpersonen ermöglicht, Bibeln zu besitzen. Nicht nur die Technologie, sondern auch die Ökonomie musste stimmen, damit Bücher allgemein Verbreitung finden konnten. Die Digitalisierung führt zu einem kulturellen Wandel. Jugendliche ohne ein Smartphone in der Hand kann man sich heute kaum mehr vorstellen.
Wenn sich das Verhältnis zu Büchern ändert, verändert sich auch unser Umgang mit dem Buch der Bücher. Kulturpessimisten oder Traditionalisten mögen das bedauern, aber seit Entstehung des biblischen Kanons hat es immer wieder neue Formen gegeben, wie wir die Bibel gelesen haben. Heute Buch oder Tablet, früher Kodex oder Papyrus.
Zwei gravierende Unterschiede gibt es jedoch: Das Anfertigen digitaler Kopien erfolgt (fast) ohne Kosten, während früher für das Abschreiben per Hand hoher Aufwand nötig war. Bei jedem Buch fallen auch die Kosten fürs Papier an. Auch der Vertrieb von Büchern, Kodizes oder Papyri ist aufwändiger als der Download digitaler Inhalte. Die Verbreitung des Buchs der Bücher wird heute nicht durch Vertriebs – oder Herstellungskosten behindert, sondern durch das neuzeitliche Urheberrecht, dem auch die aktuellen Versionen der Heiligen Schrift unterliegen. Wer die aktuellen Versionen und Übersetzungen nutzen will (und nicht auf veraltete Textversionen in antiquiertem Deutsch zurückgreifen will) muss also bezahlen an den Inhaber des Nutzungsrechtes – für den Text der aktuellen Luther-Übersetzung hält die Deutsche Bibelgesellschaft die Rechte.
Natürlich werden über die Einnahmen durch die Nutzungsgebühren auch die Revisionen der Übersetzungen und weitere Projekte bezahlt , aber dafür gäbe es sicherlich auch andere Finanzierungsmodelle, wenn der Bibeltext unter einer freien Lizenz stünde.
Was Mönche im Mittelalter unter großer Mühe taten – nämlich die Bibel zu verfielfältigen -, wäre heute mit wenigen Klicks technisch möglich, aber eben rechtlich zurzeit unmöglich.
Es wird Zeit, dass sich dies ändert. Wie wäre es, wenn der Bibeltext unter einer freien Lizenz stünde und jeder ihn kostenfrei herunterladen könnte auf das Endgerät seiner Wahl?
5 Antworten zu “Habt Ihr zur EKD-Synode eine gedruckte Bibel mitgenommen?”
… zuerst hab ich mich gefragt, was du mit DREI Smartphones machst ,,. 😉
Die Sache mit den Bibellizenzen ärgert mich auch. Bei der Bibel in gerechter Sprache zB verstehe ich es noch, bei der Lutherbibel als \“Standardübersetzung\“ nicht. Die steht tausendfach in Gemeindehäusern rum, aber nicht frei im Netz.
Und worüber wir auch dringend weiter reflektieren müssen, sind die ökologischen Kosten der Digitalisierung. Jede Mail, jede getauschte PF, jeder heruntergeladene App haben ihren CO2-Ausstoß. Ohne die riesigen Server mit ihren Kühlsystemen liefe gar nichts. Sollten wir nicht vergessen, manchmal beschleicht mich das Gefühl, das ich meine, der digitale Kram wäre ja \“rein\“ virtuell und daher \“kostenlos\“. Was ich hier meine: manchmal ist die Gedruckte Bibel vielleicht doch sinniger als die Online-Ausgabe.
Grundsätzlich bevorzuge ich die digitale Bibelarbeit: Texte einfach suchen, wenn man mit einem Text nicht klarkommt schnell die Übersetzung wechseln und schauen,ob sich andere/neue Impulse auftun – einfach wunderbar. Wenn man im Gospelchor einen Text nicht gleich vermitteln kann: Text suchen, in eine deutsche Übersetzung wechseln, vorlesen. In dem Moment, wo jemand fragt und offen für den Text ist; nicht erst eine Woche später.
Ich denke, es gibt hier verschiedene Arbeitsbereiche zu adressieren:
1) leicht bedienbare Apps für alle Mobilgeräte, die auch verschiedene Textformate verstehen
Ich habe schon verschiedene Apps probiert, jede mit anderen Vor- und Nachteilen. Da könnte man durchaus mit etwas finanzieller Unterstützung ein oder zwei Apps voranbringen. Oder auch was eigenes machen.
2) Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern
Im Moment erfolgt der digitale Vertrieb nur über einen einzelnen, amerikanischen Anbieter. Dieser lock-in Effekt ist denkbar ungünstig – ohne diesen einen Anbieter geht gar nichts mehr. Gekaufte Ausgaben können dann auch mal ganz schnell weg/wertlos sein…
3) zusätzliche Lesehilfen, Erklärungen, Mediainhalte, Konkordanzen
Damit lässt sich gutes Geld verdienen – wie oft legt sich Ottonormalchrist eine Erklärung oder ein Lexikon neben seine Bibel? Eher selten. Wie viele haben sowas überhaupt zu Hause? Auch nicht sehr viele, weil sie wissen dass es unhandlich und unbequem ist. Digital ist es dagegen nur einen Fingerwischen entfernt
4) Preise für die Bibelausgaben
Ohne Zweifel haben die Übersetzungskosten den größten Anteil am Gesamtaufwand. Andererseits: Luther84 kostet ohne Apokryphen 16€ – die digitale Ausgabe umgerechnet 13 €. Sollte der Druck inkl. Bindung, Logistik, Gewinn für den Buchhandel usw. wirklich nur 3€ ausmachen? Wohl kaum!
Es muss ja nicht unbedingt 100% kostenfrei sein – man könnte ja erstmal die Preise realistisch nach unten korrigieren …
5) Digitale Gemeindebibeln
Wenn die Übersetzungen schon nicht komplett kostenfrei sind sollten Gemeinden aber zumindest die Möglichkeit haben, ihren Gemeindegliedern kostenneutral (finanziert über die EKD) Gutscheine für den \“Restbetrag\“ auszustellen. Damit hätten die Gemeindeglieder jederzeit die Chance, kostenfrei die Möglichkeiten zu nutzen, nach \“extern\“ wäre aber nach wie vor eine gewisse Refinanzierung möglich.
Das Problem mit den Lizenzen wollen die Macher der \“Offenen Bibel\“ angehen: http://www.offene-bibel.de/ . Leider gibt es nicht allzu viele Leute, die sich daran beteiligen, dann könnte das Projekt deutlich schneller fertiggestellt werden.
Ich nutze die Bibel auch sehr häufig digital, ob per App oder im Browser. Wir haben in einem kleinen Forschungsprojekt (qualitativ, also bei Weitem nicht repräsentativ) Anhaltspunkte dafür gefunden, dass es offenbar eine Tendenz dazu gibt, die Bibel \“zum Nachschlagen\“ eher digital zu nutzen, zum gemütlichen/intensiven Lesen oder genießen aber dann vielleicht doch das Buch vorzuziehen. Auch scheint die Bibel – wohlgemerkt im Vergleich zu anderen Texten – in der gedruckten Version doch noch eine bedeutende Rolle zu spielen. These: Ist die Bibel vielleicht in besonderer Weise an das Medium Buch gebunden?
Oh ja, ein frei lizensierter Luthertext wäre etwas Feines! Hätte es den 2009 gegeben, wäre die Offene Bibel (http://www.offene-bibel.de ) vermutlich nicht entstanden. Naja, Mittlerweile ist die Offene Bibel wesentlich mehr als \“nur\“ eine frei lizensierte Bibelübersetzung… 🙂
Im Übrigen hat die Schwedische Kirche ihre neue Bibelübersetzung tatsächlich frei lizensiert, es geht also auch auf so einer offiziellen Ebene.
Die Unabhängigkeit von Text und App/Programm/Verlag wäre schon was Feines. App-Entwickler verdienen bei frei lizensierten Texten ja eh nicht am Text, sondern an ihrer Programmierarbeit. Abgesehen davon fände ich es sehr schön, wenn man sich als Bibelleser den Text in seinem Lieblingslayout drucken lassen könnte – Schreibrand, einspaltig, schöner Font,…
[…] von einer Synode nicht erwarten, dass sie sofort Konsequenzen zieht, aber über einen Prüfauftrag, ob der aktuelle Luthertext unter eine CC-Lizenz gestellt werden kann, hätte ich mich gefreut. So wird leider in Punkt 9 nur der Status quo […]