Wenn ein Gottesdienst mit den Worten beginnt: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, dann bedeutet das einen Übertritt, oder genauer gesagt eine Grenzüberschreitung. Dieser Ruf proklamiert für die Gemeinde den „Herrschaftswechsel“ – so Ernst Käsemann – weg von Bindungen, die das Zusammenleben in arm und reich oder nah und fern aufspalten und zerreißen.
In der Kirche gelten alle als Geschwister
Für die Gemeinschaft des christlichen Gottesdienst gilt „Einer ist euer Meister, Christus, ihr aber seid alle Geschwister“ (vgl. Mt 23,8). Unter Geschwistern gilt das „Du“, um zu signalisieren: wir sind keine Freunde, aber unser Herkommen verbindet, — wie auch immer.
Die gottesdienstlich versammelte Gemeinde lässt sich in ähnlicher Weise verpflichten. Sie ist ein markant sozialer Ort, — ein „Reich“, das in Jesu Namen ein neues Miteinander stiftet. Hier setzt man „ohne Ansehen der Person“ (vgl. Röm 2,11; Eph 6.9; Apg 10,34) auf Vergebung und proklamiert eine Gotteskindschaft, die unverlierbar allen Menschen in gleicher Weise verheißen ist.
Keine Unterscheidung zwischen Freunden und Unbekannten in der Kirche
Wie aber muss sich jemand fühlen, der einen Gottesdienst besucht, indem die Liturgin oder der Liturg peinlich darauf achtet, zwischen seinen privaten „Freunden“ und anderen, den „Fremden“ zu unterscheiden?
Wird in dieser liturgischen Sprache nicht das für jeden und jede in der Gemeinde grundlegende Versprechen von Eph 2,19 („So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge…“) verhöhnt?
„Euch und Ihnen“ trennt die Gemeinde
Erbarmungslos erinnert mich das elende „Euch und Ihnen“ in manchen Gottesdiensten daran, wie bürgerliches Empfinden seine Grenzen bis an einen Ort durchzieht, wo ich um meines Glaubens als Bruder gelte.
Das liturgisch generell proklamierte „Du“ ist ein „gottesdienstlicher Schrei nach Freiheit“ nach Ernst Käsemann weg von jenen Bindungen, die persönliche Vorbehalte und soziale Unterschiede symbolisieren und auferlegen.
Hieße es aber in Konsequenz einer gedankenlos um sich greifenden liturgischen Sprache auch noch „Der Herr sei mit Euch und Ihnen“, dann wäre das ein Rückfall.
Das ursprüngliche „Der Herr sei mit Euch“ würde als Utopie aus vergangenen Zeiten diskreditiert.
Die Wahrheit, die der Auferstandene mit seinem Wort und an seinem Tisch offenbart, hat sich jedoch zumindest mit diesem Satz in der Sprache des christlichen Gottesdienstes weltweit erhalten.
Es heißt lapidar: „Der Herr sei mit Euch.“ Niemand entblödet sich, auch noch an dieser Stelle des Gottesdienstes den Anspruch liturgischer Sprache zu banalisieren.
Umso trauriger muss es stimmen, wenn gedankenlos und im Blick auf die Anwesenheit „guter Freunde“ die gottesdienstliche versammelte Gemeinde mit „siezen“ und „duzen“ auseinandersortiert wird.
Eine Antwort zu “„Der Herr sei mit Euch“ — oder: „mit Ihnen“?”
Na, das ist doch mal ein Wort. – Es gibt ja noch eine Steigerungsmöglichkeit; Von Heinrich Kemmner wird gesagt, er sei der Überzeugung gewesen: \“Was nicht per Du ist, ist perdu.\“ Aber so weit, unterschiedslos in Ansprachen (auch zum Beispiel in der erweiterten Öffentlichkeit des Friedhofs) die Hörerschaft zu duzen, gehe ich nicht. Das hat jetzt mit (missionarischer) Taktik nichts zu tun, eher mit kommunikatorisch geschulter Überzeugung.