Trauern und Gedenken am Ewigkeitssonntag: Chatandacht auf Trauernetz.de

Menschen trauern unterschiedlich. Sie haben und brauchen unterschiedliche Trauerorte und Trauerzeiten. Traditionell gedenken evangelische Christinnen und Christen am Ewigkeitssonntag in den Gottesdiensten ihrer Gemeinden der verstorbenen Angehörigen und Freunde. Ergänzend gibt es seit 2009 eine Chatandacht am Abend des Ewigkeitssonntages auf Trauernetz.de. Zum dritten Mal gab es nun zum Chat auch ein Video zum Beginn der Andacht.

Gedenken im Netz ist individueller

Aufzeichnung der Andacht in der evangelischen Kirche in der Wilhelminenstraße in Broich/Mülheim an der Ruhr. Vor dem Eingang: Ralf Peter Reimann und Maike Roeber.
Aufzeichnung der Andacht in der evangelischen Kirche in der Wilhelminenstraße in Broich/Mülheim an der Ruhr. Vor dem Eingang: Ralf Peter Reimann und Maike Roeber.

Vor dreizehn Jahren war eine digitale Andacht per Chat noch etwas Besonderes. Heute ist Chat eher ungewöhnlich, da Gemeinden digitale Gottesdienste meist als Videostreams und Videokonferenzen anbieten. Über die Jahre hat die Andacht dasselbe Grundgerüst: Über ein Webforumlar können Namen (mit Geburtsdatum und -ort bzw. Sterbedatum und -ort) in ein so genanntes Trauerbuch in der Woche vor dem Ewigkeitssonntag eingetragen werden. Manche tragen nur Namen und Sterbejahr ein, andere füllen alle biografischen Angaben aus. Wenn beim Sterbeort neben dem Ortsnamen auch „Autobahn bei“ oder „Krankenhaus in“ steht, wird ansatzweise auch eine Lebensgeschichte erahnbar. Den Eintragenden scheinen solche Details wichtig, dass dies so individuell möglich ist, darin besteht ein Vorteil gegenüber Gemeindegottesdiensten. Auch ein Blick auf die Todesjahre zeigt: Trauer und Gedenken sind nicht auf das letze Kalender- bzw. Kirchenjahr beschränkt, sondern häufig liegen die Todesjahre längere Zeit zurück. Auch ist das Gedenken nicht auf Gemeindeglieder beschränkt, so war es für eine Teilnehmerin wichtig, dass sie namentlich ihren verstorbenen Mann erwähnen konnte, der einer nichtchristlichen Religionsgemeinschaft angehörte. Rund einer von zwanzig Einträgen stammt aus dem Ausland, so waren diesmal Italien, Großbritannien, USA, Kanada und Österreich unter den Sterbeorten eingetragen. Daher ist die Chatandacht eine gute Ergänzung zu den Gemeindegottesdiensten, in denen nur Gemeindegliedern gedacht wird.

Aufbau der Andacht

Die Andacht beginnt mit einer kurzen, vorab per Video aufgezeichneten Eingangsliturgie. Dann werden die eingetragenen Namen im Video eingeblendet. Währenddessen läuft Musik im Hintergrund. Einige schreiben im Chat etwas, wenn der Name des für sie wichtigen Menschen angezeigt wird, andere schweigen.

YouTube player
Gedenken mit Namen in der Chatandacht, die Namen sind unkenntlich gemacht.

Im Chat besteht ferner die Möglichkeit, weitere Namen zu nennen. Dann folgen Vaterunser und Segen. Manche Chatteilnehmer:innen ergänzen den bekannten Gebetstext mit persönlichen Einschüben.

Die Andacht – wie in den letzten Jahren, so auch dieses Mal – haben Pfarrerin Maike Roeber und ich gemeinsam gehalten. Außerdem hatten wir mit Carsten Krabbes einen weiteren Pfarrkollegen im Team, der sich um potenzielle Störer:innen kümmerte. Im Chat waren rund 40 Teilnehmer:innen. Das Video hatte während des Live-Chats 50 Views, am späten Abend waren es 100. Technisch bedingt liefen Chat (bereitgestellt von Chatseelsorge.de) und Video nicht im selben Bildschirmfenster, so dass einige Interessierte offensichtlich nur bei YouTube blieben. Hier wird das geplante Haus der digitalen Seelsorge demnächst hoffentlich eine bessere Technik erlauben.

YouTube-Live-Chat

Persönlich war ich froh, dass ich den Chat nicht alleine zu verantworten hatte und die Anzahl der Teilnehmer:innen nicht größer war. Denn so gab es die Möglichkeit, neben dem allgemeinen, für alle sichtbaren Chat, auch einzelne Personen direkt im Gespräch anzusprechen. Außerdem anrührend: Als jemand den Namen seiner in dieser Woche verstorbenen Frau postete, bekundeten andere Chatteilnehmer:innen ihr Mitgefühl. Auch so lässt sich Trauer in einer zeitlich beschränkten, örtlich verteilten Online-Gemeinschaft teilen.

Gute Wünsche beim Abschied

Nach dem Segen der Abschied, viele bedanken sich, bevor sie den Chat verlassen, so wie diese*r Teilnehmer*in:

„Danke hier konnten Tränen kommen, im Gottesdienst [am Vormittag war es] schwierig.“

Einige hatten erst kurz vorher von der Andacht erfahren und konnten Namen nicht mehr rechtigzeitig eintragen und haben sie im Chat nachgetragen. Für andere ist die Chatandacht eine regelmäßige Gelegenheit des Gedenkens, man ist fast wie eine Gemeinde auf Zeit, wie diese Rückmeldung zeigt:

Schön war es wieder. Bis zum nächsten Jahr. Bleibt alle gesund. Vielen Dank.

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