Eine Kundgebung richtet sich nach außen und nach innen, so EKD-Synodenvizepräses Klaus Eberl auf der Pressekonferenz zum Schwerpunktthema der Synode.
Nach drei Impulsreferaten im Plenum teilten sich die Synodalen in Arbeitsgruppen auf, um den Kundgebungsentwurf zu beraten.
Ich durfte in Forum 4 zum Thema zum „In der digitalen Gesellschaft verändert sich Kirche“ mitarbeiten.
Die Diskussion erlebte ich als notwendig und spannend, es ging letztlich darum, wie wir Kirche verstehen. In diesem Forum ging es daher um die Selbstvergewisserung, was Kirche ist. Hier zeigte sich dann im Diskussionsverlauf die gesamte Spannbreite theologischer Posititonen.
Ist die sonntägliche Gottesdienstgemeinde die wahre Kirche?
Wie die digitale Gesellschaft verändert sich Kirche – so die Überschrift zu den Bausteinen 7 -9, der erste Satz dagegen definiert Kirche aber als „im Kern Gottesdienst feiernde Gemeinschaft Anwesender, die „face to face“ miteinander und vor dem Angesicht Gottes feiern.“ In dieser Spannung zwischen Überschrift und einleitendem Satz vollzog sich ein wesentlicher Teil der Diskussion im Forum.
Wenn wir Kirche und Gemeinde von der sonntäglich versammelten Gottesdienstgemeinde her verstehe, so wie im Kundgebungsentwurf, dann kam von einigen die Anfrage: Wo bleibt dann die Diakonie? Oder der Frauenkreis? Oder die Jugendgruppe? Oder die übers Netz miteinander verbundenen Teilnehmer einer Chatandacht – so meine Ergänzung? Sind diese dann nur in abgeleiteter Form Kirche?
Es wurde offen ausgesprochen: Bei der Frage nach dem Kirchesein geht dabei auch darum, wer hat das Definitionsrecht, wer Kirche ist? Definiert die Institution, wer zu ihr gehört? Oder zählt das Selbstverständnis derer, die sich selber als Gemeinde wahrnehmen und sehen? Ein Forumsteilnehmer bemerkte selbstkritisch, alle die hier säßen, seien durch das System der verfassten Kirche auf den Ebenen von Gemeinde, Kirchenkreis, Landeskirche und EKD gelaufen und diese Menschen definieren nun, Kirche sei die eben genau so verfasste Kirche, ausgehend von der Parochialgemeinde vor Ort.
Gerade weil die Realität in vielen Gemeinden anders ist, kam von Synodalen die kritische Anfrage, ob die zum Sonntagsgottesdienst versammelte Gemeinde als normative Beschreibung noch dienen kann; während andere dies als unverzichtbar hielten. Ein Kompromissvorschlag sah vor, dies als Ausgangspunkt unseres Kirchenverständnisses zu benennen, aber Offenheit für die Zukunft zu signalisieren. ist.
Gibt es Kirche außerhalb der Institution?
Die Diskussion beschrieb dann die Ausgangslage: Kirche sei aber auch außerhalb der Institution zu finden. Dies wahrzunehmen und anzuerkennen, liege vor der Institution Kirche. Wenn Menschen in sozialen Netzwerken für sich Kirche erleben, dürfe das nicht als defizitär beschrieben werden. Ansonsten schlösse die verfasste Kirche Menschen aus, die sich nach eigenem Verständnis als Teil der Kirche empfinden. Dieses Anliegen fand im Forum – so mein Eindruck – eine deutliche Mehrheit, es blieb und bleibt aber die theologische Diskussion, was Kirche ist.
Ist online nur virtuell?
Auch wenn das Anliegen, niemanden auszuschließen geteilt wurde, gab es für viele Forumsteilnehmer die Gleichung real = offline, virtuell = offline, d.h. die Annahme, persönliche Beziehung und Begegnung gebe es nur in der realen Welt, aber nicht online.
Daher wahrscheinlich auch das Beharren, dass das „face-to-face“-Zusammenkommen wirkliche Gemeinschaft sei und dass über mediale Kommunikation miteinander verbundene Menschen nur virtuell Gemeinschaft miteinander hätten.
Dafür wurde dann auch in der Diskussion das Augsburgische Bekenntnis bemüht. Der Hinweis auf die congregatio sanctorum aus CA VII als Definition von Kirche wurde als face-to-face an einem Ort versammelte Gemeinde übersetzt und daraus gefolgert, dass andere Formen versammelter Gemeinschaft defizitär seien, dies würde in besonderem Maße dann auch für Online-Gemeinden gelten.
Interessant dann der Hinweis, dass wir Jesu Gegenwart ja auch glauben, ohne dass er face-to-face anwesend sei. So wie persönliche Begegnung mit Jesus möglich sei, sei auch persönliche Gemeinschaft untereinander möglich, auch wenn man nicht face-to-face zusammen sitze. An dieser Stelle auch der Hinweis auf die Gemeinschaft der Heiligen, die auch zeitliche und örtliche Grenzen transzendiert.
Auch wenn es dieses theologische Proseminar im Forum gab, spürte ich jedoch den großen Wunsch, ein Signal zu setzen, dass sich Kirche auf Veränderung einlässt. Der Ausgangspunkt lässt sich leicht beschreiben, wohin der Weg führt, ist aber noch unklar. Es war jedoch der Wille dar, sich auf den Weg zu begeben.
Die nächsten Schritte
Die Form der Forumsdiskussion hat auch kritische Stimmen zugelassen. Daher fand ich diese Diskussion – zumindest in meinem Forum – auch als wichtig, wir müssen eine gemeinsame Gesprächsgrundlage haben.
Die sehr kurze Aussprache im Plenum zeigte eine andere Bewegung, nämlich die große Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen, nicht vornehmlich die Gefahren, sondern auch die Chancen der Digitalisierung wahrzunehmen. So ist auch der Antrag von Hans-Hermann Pompe zu verstehen, zusätzlich zum Kundgebungstext kurze Thesen hinzuzustellen, die zu einer Weiterarbeit einladen.
Das Thema Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft wird die Kirche weiterbeschäftigen. Viel gewonnen wäre, wenn die Kundgebung einen Prozess beginnen würde, der der Kirche den Weg in die digitale Gesellschaft weisen würde. Diese Hausaufgaben stehen an, dann erst wird die Kirche ein glaubwürdiger Dialogpartner für andere.
Eine Antwort zu “EKD-Synode: Was ist Kirche?”
Es ist ein Grundfehler der Gegenwart, die Kirche nur von den verbliebenen Gottesdienstbesuchern her zu definieren.
Ich erlebe gerade, wie sogar einige der ehemals treuen Insider sich abwenden – es bleiben immer weniger, die sich in sich selbst rückkoppeln.
Kann auch Kirche incurvatus in seipsum sein? Immer verkapselter in sich? Nicht merkend, wie weit sie sich von \“den anderen\“ entfernt hat?
Immer, wenn diese Selbstverkapselung aufgebrochen und frische Luft herein kommt, atmen nach meiner Erfahrung auch die verbliebenen auf. Und draußen die bekommen neue Lust, herein zu kommen.
Also: Nicht nur Franziskus die Arbeit machen lassen: Verkrustete Strukturen aufzubrechen.
Unsere sind nicht weniger verkrustet. Nur anders. Auch digital kann man verkrusten. Aber jetzt nehme ich die digitale Welt eher als Medium wahr, mit dem Krusten aufgebrochen und Wege zu \“den anderen\“ gefunden werden können.