Letzte Woche wurde ich auf diese Idea-Meldung aufmerksam, dass eine hessische Pfarrerin Facebook zur Begleitung des Konfirmandenunterrichts verwendet:
„Die Pfarrerin Sabine Koch in Kurhessen-Waldeck macht positive Erfahrungen mit Facebook. Sie hatte festgestellt, dass alle acht Konfirmanden als Mitglieder registriert waren. Sie habe dort eine „geheime Gruppe“ gegründet, deren Beiträge nur von den eingetragenen Mitgliedern angesehen werden können. Nun lade sie per Facebook zum Unterricht ein und verweise auch auf Internetadressen zur Vorbereitung des jeweiligen Themas. [..] Sie habe erlebt, dass sich nach dem Unterricht Diskussionen über ernsthafte Themen ergeben hätten, etwa zu „Sterben und Tod“. Unter anderem wurde gefragt: „Sind wir nicht eigentlich noch zu jung, um über den Tod zu reden?“ Die Pfarrerin: „Ich glaube, im Unterricht hätten sich die Konfirmanden nicht getraut, darüber zu sprechen. Am PC hatten sie die nötige Distanz und konnten dennoch in die Tiefe gehen, weil sie wussten, dass da die Nachrichten nur von der Gruppe gelesen werden können.“
via Facebook im Konfirmandenunterricht.
Facebook als didaktisches Tool? Zwar bietet die evangelische Kirche eigene Online-Tools zur Unterrichtsunterstützung (z.B. auf rpi-virtuell) an, die religionspädagogisch gesehen einen höheren Nährwert haben, aber das Bestechende an Facebook ist: jeder und jede hat’s. Oder doch nicht alle?
Zunächst: Anscheinend waren alle Konfis des Jahrgangs bei Facebook angemeldet, bevor die Pfarrerin begann, Facebook auch für den Unterricht zu nutzen. Ein Glückwunsch an die Kollegin, dass sie weiß, wo und wie Konfis zu erreichen sind.
Ich stelle mir die Frage, hätte ich das als Pfarrer auch gemacht? Und als Vater einer Konfirmandin frage ich mich: fände ich das gut, wenn sehr persönliche Kommunikation meiner Tochter über Facebook läuft?
Ich habe weitere Fragen:
- Meine Erfahrung ist, dass nicht alle Jugendlichen in diesem Alter über ausreichend Medienkompetenz verfügen, um entsprechende Privatsphären-Einstellungen richtig zu setzen. Was ist wirklich „geheim“ bzw. vertraulich bei Facebook. Gerade wenn es das Ziel der Facebook-Nutzung für den KU ist, bestimmte Themen, die für ein Face-to Face-Gespräch zu nah sind, online anzusprechen, muss ein entsprechend geschützter Raum vorhanden sein. Dies ist bei den Standard-Einstellungen in Facebook m.E. so nicht gegeben. Wie kann ich das dauerhaft als Unterrichtender sicherstellen?
- Kann Facebook überhaupt als „geschützter Raum“ angesehen werden? Wem gehören die Daten? Was bedeutet es, wenn ich zu einem existenziellen Thema, über das ich mich auf Facebook unterhalte, entsprechende Werbung eingeblendet bekomme? Wem „gehören“ die Inhalte, die ich erstelle?
- Im konkreten Fall ist bereits die gesamte Gruppe bei Facebook. Wie gehe ich damit um, wenn nicht alle Mitglieder der Konfi-Gruppe Facebook nutzen können oder wollen. Z.B. ist nach den AGBs die Nutzung von Facebook erst ab 13 Jahren erlaubt, es gibt aber auch zwölfjährige Konfirmandinnen und Konfirmanden. Oder die Eltern gestatten aus durchaus nachvollziehbaren Gründen ihren Kindern keine Facebook-Nutzung. Kann man generell ein Medium im Unterricht nutzen, bei dem einige Konfis ausgeschlossen sind? Ist es legitim, dass durch die unterrichtliche Nutzung ein entsprechender Gruppendruck zur Facebook-Nutzung entsteht – denn: „alle haben ja Facebook“.
- Wer Facebook in der Gemeindearbeit nutzt, „befreundet“ sich. Was bedeutet es, wenn der Pfarrer nun „Freund“ seiner Konfirmandinnen wird? Oder umgekehrt: die Pfarrerin „Freundin“ ihrer Konfirmanden. Wie sieht hier Nähe und Distanz aus?
- In ihrer Medienarbeit beruft sich die Kirche auf die Verbindung von Artikel 4 und 5 des Grundgesetzes, die Religionsfreiheit damit verknüpft, sich „aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. Daher z.B. auch die Drittsenderechte der Kirchen im Rundfunk. Was bedeutet es für den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen, wenn sie dann auf eine Plattform setzen, die nur nach Registrierung alle Funktionalitäten und Informationen bietet?
Fragen, auf die ich (auch) keine schnelle Antworten habe. Andererseits: wenn wir darauf warten, bis alle Fragen geklärt sind, könnten wir bis zum jüngsten Gericht in Untätigkeit verharren, nur um keine Fehler zu machen. Was machen wir in der Zwischenzeit? Ich hoffe, wir gehen verantwortlich mit den sozialen Kommunikationsmitteln um, haben Problembewusstsein und wir bringen unsere verschiedenen Erfahrungen in einen Lernprozess ein.
7 Antworten zu “Facebook im Konfi?”
Nur schnell zum letzten Punkt mal etwas zugespitzt Formuliertes: Wie \“allgemein zugänglich\“ sind denn tatsächlich Zeitung, Radio, Fernsehen? Kostet alles Geld, was nicht unbedingt jede/r hat. Facebook kann man mit dem bezahlen, was tatsächlich jede/r hat: Seinem Namen und seinen Daten und ggf. dem Investment an Zeit, sich Werbung anzuschauen.
Facebook ist genauso viel oder wenig ein didaktisch nutzbares Tool wie ein Telefonapparat oder eine Fotoalbum. Ich denke, dass die Erfahrung der Kollegin mit der (geheimen) Online-Gruppe durch zahlreiche Erfahrungen andere Kollegen bestätigt werden kann, die über Foren, Online-Gruppen, ICQ den wöchentlichen Unterricht räumlich und zeitlich entschränkt haben. Gut überlegt werden sollte, ob Unterrichtende durch die Nutzung des Jugendmediums Facebook (genau wie ICQ oder SchülerVZ) gezielt in die eigenen Räume der Jugendlichen eindringen, um dort ihre pädagogischen Ziele zu verfolgen. Das Setting klärt für mich zu wenig, wie weit hier die Grenzen vorher geklärt worden sind.
Pfarrer auf Facebook? Einige persönliche Erfahrungen scheinen die genannten Überlegungen zu bestätigen. Befreundete Pastoren in den USA nutzen Facebook sehr intensiv, um Kontaktmöglichkeiten zu ihren Gemeindemitgliedern anzubieten. Viele von ihnen haben mehrere 1000 \“Freunde\“. Als Tool zur Kontaktpflege scheint Facebook durchaus geeignet zu sein, täuscht aber möglicherweise auch nur Beziehungsdichte vor, die durch ein einmaliges als \“Freund hinzufügen\“ zustande gekommen ist und in Wirklichkeit substanzlos bleibt.
Andererseits hat es etwas Konfessionelles, wenn Menschen einen Pastor zum Freund haben und sich als Mitglieder oder Sympatisanten einer Kirche outen.
Ich verstehe Facebook als Marktplatz, auf dem sich Menschen, Gruppen und Verkäufer inszenieren. Und natürlich muss auch der Pastor dort zu finden sein. Skeptisch sehe ich jedoch Versuche, Facebook selbst zum Tempel oder dessen Vorhof machen zu wollen, nicht nur wegen der Händler.
Es braucht identifizierbare Orte, zuverlässige und vertrauenswürdige Knotenpunkte im Netz, die unabhängig von den gegenwärtig alles bestimmenden Vermarktungsinteressen Informations-, Lebens- und Lernräume anbieten. Ohne solche eindeutigen Orte, ohne Häuser, Kirchen und Einrichtungen, ohne substanzielle Profilierungen ist Engagement auf dem Marktplatz möglicherweise nur Rummel.
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Wie schnell einen die Realität einholt: Ich frage unsere älteste Tochter, die selbst den Konfirmandenunterricht besucht, was sie denn von Konfi über FB halte. Sie schaut mich an, als ob ich von gestern wäre und sagt: \“Wenn wir wissen wollen, ob Konfi ausfällt, dann schauen wir auf Facebook rein.\“ – und natürlich ist sie mit ihrer Pfarrerin \“befreundet\“.
Beim Lesen des Artikels dachte ich an \“Serendipity\“: Vielleicht haben die Kids in der Gruppe auf fb etwas gefunden, was sie auf fb gar nicht gesucht oder erwartet haben…
Vermutlich hat jedeR PfarrerIn Kanäle und Konzepte, um die Konfis zu erreichen. Dazu gehören dann auch unterschiedliche Orte bzw. Medien. Gehört fb zum Konzept des KU, bitte ich als Vater aber doch um vorherige Information.
Und dann steckt die Pfarrerin auf einmal mitten im Gespräch: Wer oder was ist ein \“Freund\“ auf fb? Und warum hat das Pfarrerinnen-Profil auf fb so viele Freunde, das persönliche Profil aber nicht? Wieviel bin ich bereit in der Öffentlichkeit von mir preis zu geben? Und wie kann ich mich auf fb und anderswo schützen? Letztlich: Wie bewege ich mich verantworlich – nicht nur in der virtuellen – Welt?
[…] entsteht, sich auch bei Facebook anzumelden, Gruppenzwang ist der beste Facebook-Promoter. Ein Pfarrer oder Pfarrerin sollte dabei nicht mitmachen – aber auf Facebook-Kommunikation gänzlich verzichten, nur weil nicht alle dabei […]