Multichannel-Strategie: Facebook ist ein Must

Mit dieser Überschrift gewinnt man keinen Preis der Gesellschaft für Deutsche Sprache, doch drückt sie den Konsens der Nachmittagsdiskussion bei der Tagung „Kirche im Web 2.0 – Pastoraltheologische Perspektiven“ aus.
Ein Teilnehmer der Tagung stellte die Frage, ob Facebook unserer Botschaft angemessen sei oder die Kirche für ihre Verkündigung andere Plattformen wählen müsse. Wenn man an Datenschutz und auch an das Business-Modell von Facebook denkt, müsste man Facebook wahrscheinlich als Plattform ablehnen. Wenn man als Kirche jedoch dort sein will, wo Menschen sind, muss man diese Frage eindeutig bejahen. Facebook ist weltweit und auch in Deutschland das größte soziale Netzwerk. Wenn Kirche sich als „missionarische Volkskirche“ versteht, führt kein Weg an Facebook vorbei.
So gesehen ist Facebook ein Must, Präsenz auf anderen sozialen Netzwerken – hier ist besonders Google+ interessant – sind zurzeit ein „Nice-to-have“, so der Konsens unter den Tagungsteilnehmern. Das Web 2.0 ist sehr volatil, diese Einschätzung muss man daher durchaus bald wieder überprüfen.
Theologisch lässt sich auch argumentieren, Jesus ging zu den Sündern und Zöllnern, er war „rheinisch“ gesprochen vor „nix fies“ – gerade als Christen und Christinnen sind wir daher aufgerufen, auch in einer Umgebung präsent zu sein, die uns vielleicht nicht passt. Wenn Facebook der Treffpunkt für viele Menschen ist, müssen wir eben auch da sein.
Was wäre die Alternative? Diaspora (hier ist im kirchlichen Kontext der Name schon zum Schmunzeln) ist zwar ein Netzwerk, das unseren medienethischen Maßstäben genügen mag, aber eben bezüglich der Reichweite leider keine Relevanz hat. Würden wir auf Diaspora als Plattform setzen, könnten wir uns unserer medienethischen Standards rühmen, würden aber nur sehr begrenzt unsere Botschaft unter Menschen bringen können.
Oder (nun argumentiere ich als Protestant, auch wenn die Tagung in einer katholischen Akademie veranstaltet wurde) – greift bei dieser Frage nicht die Rechtfertigungslehre: Ich bin Sünder, aber als solcher von Gott rechtfertigt. In diesem Bewusstsein kann ich gerade auch auf Facebook präsent sein.

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6 Antworten zu “Multichannel-Strategie: Facebook ist ein Must”

  1. Erstmal: Ich finde es total fein, dass Du jetzt dieses Blog hast! Musste mal gesagt werden 😉
    Inhaltlich bin ich in der Konklusio ganz und gar deiner Meinung, dass es ohne Facebook nicht geht. Selbst wenn es sein kann, dass etwas Anderes in 5 Jahren das große Ding ist, geht es heute ohne Facebook nicht. Und die Lernerfahrungen blieben jedenfalls, ganz egal, wie es konkret mit den Kanälen weitergeht.
    Deine theologische Argumentation möchte ich aber ein bisserl hinterfragen oder vielmehr weiterdenken. Ich glaube ja gefühlsmässig eh, dass wir da übereinstimmen.
    Wenn ich das \“böse\“ Facebook mal mit dem Gefängnis vergleiche, so gehen SeelsorgerInnen dort hin in einer anderen Rolle als die InsassInnen. Auf Facebook ist das aber nicht so. Das sind war erst mal alle gleich und haben dort unser persönliches Profil. Wurscht, was es sonst noch gibt, in erster Linie sind wir da als Menschen präsent. Wer nun – aus welchen rationalen oder irrationalen Gründen auch immer – nicht auf Facebook sein will, kann meiner Meinung nach nicht aus der Rolle als SeelsorgerIn, kirchliche MitarbeiterIn, …. heraus genötigt werden das zu tun. Ich habe heute im Pad zur Tagung die Frage gelesen, ob kirchliche MitarbeiterInnen verpflichtet werden können, kirchliche Pages zu liken. Da wird mir ganz anders, wenn ich so was lese, was wohl aus einem reinen Marketing-Kalkül oder auch einfach aus Unwissenheit entsteht. Da fällt mir dann eine andere theologische Kategorie ein, das persönliche Gewissen. Auch wenn wir aus kirchenstrategischer Sicht auf Facebook setzen sollten und möglichst viele Leute für die Kommunikation dort schulen und unterstützen sollten, kann es für mich keinen \“kirchlichen Facebook-Zwang\“ geben. Das funktioniert gefühlsmässig sowieso auch praktisch nicht, weil das keine Basis für gelingende Beziehungen auf Facebook wäre, aber es wäre für mich auch die Überschreitung einer Grenze, die wir aus guten Gründen nicht überschreiten können. Tatsache ist ja leider auch, dass über kurz oder lang die Offliner oder digitalen Laien immer mehr zu Outsidern der Gesellschaft werden, weil Konnektivität über soziale Netzwerke organisiert wird. Da wünsche ich mir ein differenziertes Vorgehen. Der Ansatz, den Jürgen Pelzer mit den Charismen vertritt, scheint mir dafür probat. Jene ermutigen, die auf Facebook und im Social Web tun wollen, aber nicht alle müssen alles tun. Den Kirchen werden auch in der Zukunft die Offline-Handlungsfelder nicht ausgehen, selbst wenn das Internet immer lebensbestimmender wird. Hier eine gute Balance zu finden, ist wohl eine Aufgabe der Zukunft und es wäre schön und für mich im Sinne der Botschaft Jesu für alle geboten, wenn es uns in den Kirchen gelingt, die realen Ängste der Menschen vor Facebook wirlich ernst zu nehmen – ohne davon gleich vorschnell die kommunikationsstrategischen Entscheidungen der Kirche abzuleiten.

    • Liebe Andrea,
      theologisches Nachdenken kann nie schaden….
      Auch ich sehe zwischen uns keine großen Differenzen. Eine Argumentation mit Hilfe der Charsimen ist meines Erachtens ein guter Weg. Auf der Stuttgarter Tagung sprachen wir auch von Befähigung – d.h. Menschen zurüsten, damit jede/jeder an seinem/ihrem Ort \“Zeugnis\“ geben kann. Einer mag es auf Facebook tun, eine andere auf Twitter, wieder jemand anders im Forum der lokalen Zeitung – und noch jemand anders nur in seiner Offline-Welt. Jeder dort, wo sein Charisma ist bzw. wo Gott ihn hingestellt hat.
      Für die Kirche als ganze gilt jedoch der Auftrag da zu sein, wo Menschen sind, deshalb müssen wir schon die relevanten Netzwerke identifizieren. Daher ist zurzeit jedenfalls Facebook unser Pflichtprogramm.

  2. Vielen Dank für deinen Eindruck von der Tagung. Von \“weit weit weg\“ kann man sich schwer einen Eindruck verschaffen. Es gibt zwar eine Twitterwall, aber die enthält ja auch viele lustige Sprüche. Und der Livestream steckt noch in den Kinderschuhen. Aber es gibt das sehr hilfreiche Etherpad.
    Katholischerseits begegnet mir als hauptamtlicher Mitarbeiterin in Gremien immer die Frage: \“Ist es richtig oder ist es falsch?\“ Die Diskussionen um facebook und die reale/virtuelle Welt zeigen, dass es in Zukunft in unserer Kirche nicht den einen richtigen Standpunkt geben kann. Damit heben wir das Lehramt nicht auf.
    In der Firmvobereitung arbeiten wir mit facebook für die facebook-Nutzer und können doch nicht erwarten, dass deswegen kommuniziert wird.
    Wir sind keine Volkskirche mehr, sondern eine Kirche aus Individuen (—). Das ist eine Herausforderung für die Pastoral, der ich mich gern stelle. Allerdings sehe ich nicht das Social Web als Alternative zur bisherigen Praxis, sondern als einen Teil der zukünftigen Praxis.

    • Hallo Dorothee Janssen,

      >>Wir sind keine Volkskirche mehr, sondern eine Kirche aus Individuen (—). Das ist eine Herausforderung für die Pastoral, der ich mich gern stelle.
      Vielleicht füllen wir den Begriff \“Volkskirche\“ und \“missionarisch\“ etwas anders, in der rheinischen Landeskirche hatten wir dazu einen längeren Diskussionsprozess: http://www.ekir.de/www/downloads/ekir2010-04-12missionarisch-volkskirche-sein.pdf
      2.1 Die Evangelische Kirche im Rheinland hat Teil an Gottes „Missio“, seinem Handeln für die Welt und an seiner Leidenschaft für die Menschen – mit der ganzen Breite ihres Auftrags in Gestalt von Dienst (Diakonia), Gemeinschaft (Koinonia), Gottesdienst (Leiturgia), Zeugnis (Martyria) und im Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Mission geschieht einerseits spontan, denn: „Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4, 20), andererseits geplant und geordnet (vgl. Apg 1,8; Röm 15,18-24). In beidem folgen wir dem Auftrag des Auferstandenen an die Jünger: „Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Aus diesem Geist und in diesem Auftrag handeln wir.
      2.2 Wir sind eine Kirche, die auf Menschen zugeht (Mt 28,19), um sie mit dem Evangelium in Kontakt zu bringen, sie zum Glauben einzuladen, ihnen zu dienen und sie zur Umkehr zu einem neuen Leben in Gerechtigkeit und Solidarität zu rufen. In einer pluralen Gesellschaft, in der die Bindungskraft des tradierten Christentums nicht mehr selbstverständlich ist, gewinnt diese Dimension kirchlichen Handelns an Bedeutung. Das fordert uns in besonderer Weise heraus. Unsere Talente (Mt 25, 14-30) und Ressourcen sind uns anvertraut zu verantwortlichem Gebrauch. Demographischer Trend und die Überzahl von Kirchenaustritten gegenüber Kircheneintritten erinnern uns erneut an unseren Auftrag und sind zusätzlicher Ansporn.

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