Knapp 3,7 Millionen Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren sind nach neuesten Zahlen Facebooknutzer in Deutschland. Das sind viele, aber doch nicht alle. Wer Facebook nicht nutzt, wird schnell zum Außenseiter in seiner Gruppe. Dies gilt in der Schule, aber natürlich auch für die Konfirmandenarbeit. Andererseits: wer schnell Konfirmandinnen und Konfirmanden erreichen muss, kommt an Facebook nicht herum. Über Facebook erreicht der Pfarrer oder die Pfarrerin schnell die meisten Mitglieder der Konfigruppe – aber eben nicht alle. Wer über Facebook mit einer Gruppe kommuniziert, in der nicht alle Mitglieder bei Facebook sind, sclhießt die Minderheit aus, die aus welchen Gründen auch immer nicht bei dem weltweit größten sozialen Netzwerk angemeldet ist.
Druck entsteht, sich auch bei Facebook anzumelden, Gruppenzwang ist der beste Facebook-Promoter. Ein Pfarrer oder Pfarrerin sollte dabei nicht mitmachen – aber auf Facebook-Kommunikation gänzlich verzichten, nur weil nicht alle dabei sind?
Hier scheint sich eine Lösung anzubieten: Friendica
Friendica (früher auch als Friendika geschrieben) ist eine freie Open Source-Software für ein verteiltes soziales Netzwerk. Wirkungsvolle Datenschutzeinstellungen und eine leichte Installation auf eigenen Servern sind den Programmieren von Friendica wichtig. D.h. es gibt nicht einen weltweiten Friendica-Server, der irgendwo die Daten aller Benutzer verwaltet, sondern es gibt ein Netzwerk von Servern. Wem es wichtig ist, vollständige Kontrolle über seine Daten zu haben, betreibt seinen eigenen Friendica-Server. Jeder auf diesem Server angelegter Nutzer kann bestimmen, welche Daten er im Friendica-Netzwerk austauschen will. Im Zweifelsfalle unterbindet man den Austausch mit anderen Servern im Netzwerk und hält die Daten nur auf dem selbstbetriebenen Server vor.
Installation und Betrieb sollen einfach sein, Verschlüsselung ist möglich. So dürften auch Bestimmungen des kirchlichen Datenschutzrechtes eingehalten werden, die verlangen, dass personenbezogene Daten nicht ungeschützt auf fremden, insbesondere ausländischen, Servern vorgehalten werden dürfen.
Jugendliche, die nicht bei Facebook sind, erhalten ein Friendica-Konto auf einem kirchlichen Server bei der Anmeldung zum Kirchlichen Unterricht. Wer sich für Facebook entschieden hat, kann da bleiben. Die Pfarrerin oder der Pfarrer hat ein eigenes Konto bei Friendica und sie legen bei Friendica eine Gruppe für die Konfirmandinnen und Konfirmanden an. Diese besteht aus den Friendica-Mitgliedern und den Facebook-Mitgliedern unter den Jugendlichen.
Die Kosten für einen eigenen Friendica-Server liegen im einstelligen Euro-Bereich pro Monat, sagt Wolfgang Loest, der selbst ehrenamtlich einen Friendica-Server für kirchlich Interessierte betreibt. Wer will, kann Friendica unter churchy.de selbst ausprobieren, so eine Einladung auf dem Relicamp 2012.
Das Magazin t3n zählt Friendica zu möglichen Facebook-Alternativen. Gerade das Beispiel von Diaspora zeigt allerdings, wie schwer die Etablierung von Facebook-Konkurenten ist und wie vorsichtig man mit solchen Prognosen umgehen muss. Auch wenn Friendica sich nicht als Alternative zu Facebook etablieren sollte, eine Ergänzung zu Facebook ist Friendica schon.
Denkbar wäre, dass im Kirchenkreis oder bei der Landeskirche ein Friendica-Server betrieben wird, auf den Gemeinden zurückgreifen können. Oder Interessierte gründen einen kirchlichen Betreiberverein.
So müsste niemand draußen bleiben, der kein Facebook hat.
Wer hat Interesse an einem Modellversuch, Friendica im Konfirmandenunterricht zu nutzen?
[slideshare id=12911546&w=600]
Friendica-Präsentation von Wolfgang Loest auf dem Relicamp 2012
4 Antworten zu “Und raus bist du doch nicht – dank Friendica”
[…] Webdesign, christliches Selbstbewusstsein im Internet, SocialMedia-Guidelines für Kirchen, SocialNetworks und Medienethik. Twitterwall in der Kirche (von […]
[…] ich mich hier schon öfters (klick, klick) zu Friendica geäußert habe, weise ich euch nur auf den Folgeartikel von @ralpe hin, in dem ihr auch meine Slides […]
Aus https://theonet.de/2012/02/14/facebook-im-konfi/
\“Kann Facebook überhaupt als “geschützter Raum” angesehen werden? Wem gehören die Daten? … Wem “gehören” die Inhalte, die ich erstelle?\“
Laut AGB gehören sie Facebook, zumindest behandeln die die Daten so.
\“Gerade wenn es das Ziel der Facebook-Nutzung für den KU ist, bestimmte Themen, die für ein Face-to Face-Gespräch zu nah sind, online anzusprechen, muss ein entsprechend geschützter Raum vorhanden sein. Dies ist bei den Standard-Einstellungen in Facebook m.E. so nicht gegeben. Wie kann ich das dauerhaft als Unterrichtender sicherstellen?\“
Ein geschützter Raum ist bei Facebook niemals gegeben, egal wie man die Einstellungen setzt.
Meiner Meinung nach ist es ein Skandal, wenn kirchliche Stellen Jugendliche verleiten, auf Facebook, einer privatwirtschaftlichen Datenkrake, noch mehr von ihrer Seele preiszugeben, als sie es ohnehin tun. Die Kirche kann sicher Facebook benutzen, um Menschen einzuladen. Aber die \“Party\“ muß woanders stattfinden, in einem wirklich geschützten Raum. Heutzutage auch im Netz, aber bei Facebook gibt es den nicht. Dafür gibt es zB Friendica. Der Konfi-Unterricht wäre eine gute Gelegenheit, Jugendliche an dezentralisierte Netzwerke heranzuführen.
Die Landeskirchen haben das Geld und das Knowhow, um für ihre Konfis einen geschützten virtuellen Kommunikationsraum einzurichten. Ich würde von den Kirchen erwarten, hier ein Zeichen zu setzen.
Im übrigen habe ich kirchliche Stellen vergeblich bei Friendica gesucht, auch Ralpe ist dort anscheinend nicht verteten. Wie wärs mit einem Account bei Churchy.de? 🙂
[…] der sich für die Nutzung von Friendica im Rahmen seiner Arbeit interessiert. Er war durch einen Blogpost von Ralf Peter Reimann darauf aufmerksam geworden. Da die Fragen direkt aus der praktischen Arbeit mit Kindern und […]