Der 2010 gedrehte Film „Social Network“ erzählt die Gründungsgeschichte von Facebook nach, Facebook wird als soziales Netzwerk beschrieben. Mit solchem Mythos lebt sich gut. Googles Motto lautet „Don’t do evil“ und man geriert sich als Weltverbesserer und Facebook stellt sich als Unternehmen dar, dass soziale Kontakte fördert. Dieses Images als soziales Netzwerk mag PR-mäßig gut ankommen bzw. angekommen sein, ist aber nicht mehr durch die Realität gedeckt. Gut, dass da jemand ausspricht, was Facebook nicht mehr ist bzw. nicht mehr sein will. Und interessant, wenn dies der Chef von Facebook Deutschland tut, so F. Scott Woods wie neulich im Interview mit www.derhandel.de.
Beim Börsengang von Facebook in 2012 wurde oft hinterfragt, was das Geschäftsmodell von Facebook sei. Analysten sahen den Trend, dass sich Facebook-Kommunikation immer mehr auf mobile Endgeräte verlagert, aber auf diesen Werbung nicht ausgespielt werden könne wie auf Desktop-Rechnern. Je mehr sich mobile Endgeräte verbreiten, desto schwieriger werde das Geschäftsmodell Werbung, denn für Werbeanzeigen wie auf PC-Bildschirmen sei das Handy-Display einfach zu klein.
Die Lösung für dieses Problem, die Facebook nun gefunden hat, ist denkbar einfach. Es gibt keine Werbung mehr am Bildschirmrand, sondern Werbeanzeigen mutieren einfach zu News-Posts – so F. Scott Wood im oben zitierten Interview:
Die Werbeanzeigen bei Facebook sind umgezogen, vom rechten Rand in die Mitte, und stehen nun inmitten der persönlichen Postings. Verärgert die Facebook-Nutzer nicht, dass nun Werbung im Newsfeed ist?
Nein, im Gegenteil. Die Werbeanzeigen werden nachweislich besser wahr- und angenommen und haben den Vorteil, dass sie nun im Newsfeed auf allen Geräten der Nutzer gleich dargestellt werden, egal wie groß oder klein es ist. Der Kunde will sich bei Facebook informieren, was seine Freunde so machen und will was entdecken. Er schaut sich im Grunde einfach mal um, das ist, wie wenn er in einer Zeitschrift blättert und bei einer Anzeige hängenbleibt. Wenn ihn die Werbung im Newsfeed nicht anspricht, überblättert er sie.
Bezeichnend und verräterisch, wenn ein führender Facebook-Manager die User Experience von Facebook als Durchblättern einer Zeitung beschreibt.
Auch medienethisch ist problematisch, dass für viele User die Werbung als solche wahrgenommen wird, sonden als Posts im eigenen Newsstream.
Wer will Facebook dann noch als ein soziales Netzwerk sehen? Ist es auch nicht mehr, sagt F. Scott Woods:
Herr Woods, wie kann ein mittelständischer Händler von einer Social Media-Plattform wie Facebook profitieren?
Ich mag den Begriff Social inzwischen nicht mehr hören, der ist von gestern. Facebook ist längst viel mehr als nur eine Social Media-Plattform. Viele Unternehmen konzentrieren sich immer noch zu stark darauf, ihre ‚Community‘ zu managen. Doch das Ziel eines Händlers ist es ja nicht, sozial zu sein, sondern erfolgreich zu wirtschaften. Da sich Facebook vor allem in den vergangenen anderthalb Jahren nicht nur als Plattform stark verändert hat, sondern auch als Marketingkanal, können Händler die Plattform nun nutzen, um ihre Geschäftsziele umzusetzen und mehr zu verkaufen.
Also: Brauchen wir jetzt Marketing-Spezialisten statt Communuty-Manager? Wenn wir Scott Wood folgen: Ja. Denn Facebook versteht sich hauptsächlich als Marketing-Kanal.
Google hat das Motto „Don’t be evil“ und geriert sich als Weltverbesserer, zumindest stellt der Suchmaschienen-Gigant erfolgreich die Vision heraus, das Leben für Menschen einfacher zu machen. Wieviel davon Wahrheit und wieviel davon erfolgreiches Marketing ist, mag jeder selbst entscheiden. Facebook stellte sich bisher als soziales Netzwerk dar. Sozial zu sein und Menschen zu vernetzen, das sind positive Eigenschaften. Wenn nun ein Vertreter von Facebook sagt, Facebook sei eigentlich ein Marketing-Kanal, so mag das ehrlich sein. Ob dies allerdings gutes Marketing ist, wage ich zu bezweifeln.
Was fehlt ist eine Vision, was Facebook sein könnte. Denn ein Marketing-Kanal, denn man überfliegt wie man sonst Werbung in einer Zeitung durchblättert, der entfaltet langfristig keine Bindungskraft.
Social Media und Web 2.0 muss Nutzern Spaß machen, Werbekanäle tun das nur bedingt. Weil Facebook die Vision fehlt, versucht das Zuckerberg-Unternehmen, sich Dienste einzuverleiben, die ihren Nutzern einfach Spaß machen. So zum Beispiel die hippe und neue Foto-Sharing-App Snapchat.
Aber: man kann sich nicht mit Geld alles kaufen, die Gründer von Snapchat ließen Facebook abblitzen. Statt 3 Milliarden zu kassieren, wollen sie Snapchat selber weiterentwickeln. Es scheint, sie haben eine Vision für Snapchat – diese fehlt Facebook. Aber mit Geld lassen sich Vision eben nicht kaufen, auch wenn die Kriegskasse noch so groß ist.