πάντα ῥεῖ – alles ist im Fluss

So sagt der Philosoph Heraklit. Wenn etwas in Bewegung ist, fällt es schwer, Veränderung zu bemerken. Eigentlich bräuchte es Fixpunkte, um den Wandel festzustellen. Manchmal sind es dann auch Zufälligkeiten, die zum Nachdenken anregen.
Eigentlich hatte ich mir Eric Schmidts Buch „The New Digital Age: Reshaping the Future of People, Nations and Business“ bestellt, und freute mich darauf, endlich auf einer Dienstreise mal wieder zu lesen. Das Buch fand dann doch nicht den Weg in den Rucksack, mein Notebook habe – soweit ich mich erinnere – aber noch nicht vergessen. So bleibt mir statt des Lesens nun das Bloggen im Zug.
Diese Woche bin ich auf zwei Pfarrkonventen zum Thema Social Media. Erstmalig werden ich neben der Prezi ein Etherpad und eine Twitterwall einsetzen.  Die Zeiten verändern sich. Wenn ich zu Beginn frage, wer in Social Media selbst aktiv ist, so melden sich ein Viertel bis ein Drittel der Teilnehmenden am Konvent. Facebookende Pfarrer sind keine Exoten mehr als „early adopters“, aber Social Media ist definitiv noch nicht main stream. Zwei Reaktionen finde ich bezeichnend auf meinen Vortrag finde ich bezeichnend:

„Ich kann in diesem Geschwätz nichts nützlich finden, wir brauchen die Begegnung im direkten Gspräch.“
„Können Sie vor den Gefahren von Facebook in der Jugendarbeit warnen“

Was mache ich, wenn ich mit jemandem one-to-one in sozialen Netzwerken kommuniziere? Ist das kein direktes Gespräch? Es gibt viel Geschwätz in sozialen Netzwerken, aber ebenso in Kneipen und Cafés; es gibt ernsthafte Diskussion im pfarramtlichen Amtszimmer, aber ebenso im Blog – hier fand ich die Diskussion um die Privatsphäre bei Krankheit und Sterben letzte Woche sehr interessant.
Allerdings scheint häufig noch das Begriffspaar „real-virtuell“ die Wertung vorzugeben, statt neutraler von on- und offline zu sprechen – das Wort Kohlenstoffwelt erwähne ich hier nur.
Ja – ich kann vor den Gefahren von Facebook in der Jugendarbeit warnen, ich will die Gefahren von Cybermobbing nicht herunterspielen. Aber: Was ist die Alternative? Den Einsatz von Social Media zu verbieten? Wo Whatsapp die SMS auf den Schulhöfen verdrängt hat, können wir Smartphones nicht aus den Händen Jugendlicher verbieten, sondern wir müssen lernen und aufzeigen, wie man mit ihnen umgehen kann. Eine neue Jugendfußballmannschaft findet sich zusammen, in der Trainingspause werden die Handynummern getauscht und während die Eltern ihre Kinder nach Hause fahren (Eltern sind heute viel mehr Taxi-Fahrer als in der verklärten Vergangenheit), organisieren die Jugendlichen sich über eine WhatsApp-Gruppe. Das ist unser Alltag. Neu die Herausforderung, dass Jugendliche gefühlt 24/7 online sind. Die Peergroup ist ständig präsent. Wer in der Vor-Smartphone-Ära in der Schule nicht klar kam, fand Ausgleich im Verein oder in der Klicke, heute kommunizieren und kommentieren Jugendliche rund um die Uhr. Ich kann der Peergroup nicht entkommen, außer ich flüchte ins Off. Dann stehe ich aber auch im Abseits.
Wie können wir Jugendliche begleiten? Welche Beispiele setzen? Bevor wir darüber nachdenken, müssen wir uns zunächst auf die Erfahrungswelt der Jugendlichen einlassen. Das heißt zu akzeptieren, dass sie uns meistens technologisch voraus sind, das Prä der Erwachsenen ist deren Reflexionshorizont. Daraus könnte ein guter Dialog entstehen, wenn man die einschlägigen Vorurteile erstmals beiseite lässt.
Alles bewegt sich. Schon der Titel von Eric Schmitts Buch verrät es, Google nimmt Funktionen war – so sagt es der Verfasser – die früher dem Staat zugebilligt wurden. Kürzlich feierte Facebook seine Gründung vor zehn Jahren. Soziale Netzwerke prägen unseren Alltag stärker, als wir oft wahrnehmen. Statt sich zu verweigern oder die Vergangenheit zu verklären, müssen wir unsere Rolle als Kirche neu finden.  In sozialen Netzwerken kommt es nicht auf die rechtlichen Privilegien einer KdÖR an, sondern auf unsere Inhalte und Positionen – und wie diese geteilt werden. Wie kann das prophetische Wächteramt der Kirche aussehen? Als Totalverweigerer können wir dies jedoch nicht wahrnehmen, sondern nur dann, wenn wir auch wissen, wovon wir reden.

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