Die DMEXCO ist die weltweit größte Fachmesse für digitales Marketing & Werbung, sie findet seit seit 2009 jährlich in Köln statt. Nach fünf Jahren war ich wieder dabei, der zeitliche Abstand zwischen den Besuchen hilft, Entwicklungen deutlicher wahrzunehmen. Was vor fünf Jahren ein Buzzword war, gehört heute zum Fachjargon und ist Alltag im Marketing geworden.
Big Data stellt die großen Zusammenhänge dar, User Tracking (am besten als Cross Device und Cross Plattform Tracking) identifiziert Nutzerverhalten auf den verschiedenen Endgeräten und blendet individuell passende Werbung am Smartphone, Tablet und Büro-PC ein, die Werbenetzwerke kennen und erkennen den User in verschiedenen Kontexten. Das ist heute Normalität, vor fünf Jahren war Werbung auf mobilen Endegräten noch kein Standard.
Chatbots
Der Fortschritt geht weiter, Künstliche Intelligenz (KI) ist die Grundlage für Chatbots, die automatisierte individuelle Kommunikation ermöglicht. Messenger-Dienste gehören zum Alltag, 1,2 Milliarden Menschen nutzen den Facebook-Messenger, so ein Facebook-Vertreter auf einem Panel, Messenging sei einfach eine angenehme Erfahrung, führt er weiter aus. So wie man mit Familie und Freundinnen reden kann, wollen auch Unternehmen mit Kunden ins Gespräch kommen. Dies gelingt Firmen mit Messengern, da sonst diese individuelle Kundenkommunikation nicht zu schaffen ist. Ein Vertreter von Microsoft, dem Eigentümer von Skype, betont, dass gerade Skype für Unternehmen besonders interessant sei. Man skypt mit Familie und Freunden, wenn nun Werbekommunikation im selben Feed auftaucht, wo man sonst Nachrichten von nahestehenden Menschen liest, erscheint diese Kommunikation besonders vertrauenwürdig. Wer auf einer Internetseite einen Webchat über Skype beginnt, hat den Firmenchatbot dann auch auf der Skype-App auf dem Handy, man trägt die Werbung in der Westentasche mit sich. Das Unternehmen kann dann bei Gelegenheit nachfassen, Retargeting ist so leicht gemacht. Einige Unternehmen vertrauen nicht vollständig dem Chatbot, sie fahren (noch) ein Hybridmodell, komplexere Chats stellt der Bot dann zu einem Menschen durch. Nutzerinnen scheint es egal zu sein, ob sie mit einem Menschen oder einem Bot zu kommunizieren, sofern sie einen Benefit davon haben. Leuten mache es einfach Spaß, mit einem Bot zu reden – und manchmal testen sie aus Spaß auch den Bot aus, so ein weiterer Firmenvertreter auf dem Panel.
Mit einem Anbieter von Chatbots habe ich länger am Stand diskutiert, er bestätigt dieses Bild auch im persönlichen Gespräch. Die Nutzererfahrung, dass ich individuelle Kommunikation in Echtzeit habe, sei entscheidend, nicht ob auf der anderen Seite des Messengers ein Mensch sei. Der Turing-Test ist obsolet. Solange die Konversation läuft, ist es den meisten Menschen egal, ob sie mit einem Mitmenschen oder einer Maschine sprechen.
Zu diesem Trend passt auch, dass mittlerweise 20% aller Suchen auf mobilen Geräten über Sprache erfolgen, und die Ausgabe der Ergebnisse als intelligent strukturierte Antworten erfolgen. Ausgabeseiten mit blauen Links und das Web gehören zur Vergangenheit. Daher die Schlussfolgerung: Intelligente Dienste werden die Welt übernehmen – und das ist ok („Intelligent Services Will Take Over the World – and that’s Okay”), so der Titel eines Vortrages von Howard Lerman – mit anderen Worten: KI wird uns beherrschen.
Out-of-Home wird digital
Mit Mobile Devices tragen wir das Internet mit allen Dienstleistungen mit uns ständig herum, aber auch die Offline-Welt wird zunehmend vernetzt. Interaktive Plakatwände oder Litfaßsäulen sind bereist auf dem Markt, die erkennen, wer vor einem steht und dementsprechend Werbung anzeigen. Out-of-Home Marketing ist digital geworden. Über Gesichtserkennung analysieren die Billboards, welche Emotiononen die Werbung ausgelöst hat und geben diese Daten weiter. User-Tracking nun auch in der Offline-Welt.
Ob aus Überzeugung oder aus Marketinggründen betonen die Anbieter, dass das User Tracking anonymisiert geschehe und dem Datenschutz Rechnung getragen werde. Jedoch: Die Technik ist da, Online- und Offline-Welt zu verbinden. Mit entsprechend platzierten Beacons (kleinen Minisendern, die mit Handys Kontakt aufnehmen) werden Kundinnen und Kunden in Geschäfte gelockt, dort werden Ihnen individuell auf sie zugeschnittene Werbeangebote gemacht und die Verkäuferin weiß bereits, was der Kunde sonst im Online-Shop bestellt hat und kann ihn entsprechend beraten. Auch die vermeintliche Offline-Welt ist nun digital fürs Marketing vernetzt, ohne dass sich die meisten Menschen Gedanken darüber machen.
Schöne neue Welt?
Am ersten Abend auf der DMEXCO stellten sich die Finalisten des Digital Marketing Innovation World Cup 2017 vor und wurden entsprechend beklatscht. Technisch beeindruckend, was diese Innovationen leisten können. Beacons in der Kohlenstoffwelt sind die Vernetzung mit der digitalen Welt. Offline und Online sind verbunden, gesteuert durch KI. Eine schöne neue Welt, in der wir leben.
Natürlich habe ich hier überzeichnet, aber die beschriebenen Technologien sind da und werden eingeführt, manche früher, andere später. Was ich jedoch sehr vermisse, ist ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass wir wenigstens die Folgen für unsere Gesellschaft diskutieren müssen – und vielleicht als Gesellschaft auch Grenzen setzen müssen.
2 Antworten zu “Beacons & Chatbots: Welcome Brave New World”
[…] „>Chatbots sind im Online-Marketing ein heißes Thema. Bots werden von Unternehmen eingesetzt, weil sie billiger sind als Menschen und aufgrund von KI […]
[…] (Sprachsteuerung) benennen die DMEXCO-Veranstlter selbst als aktuelle Trends, mit Blick auf das Vorjahr haben sich die Themen daher […]