Ich erhielt eine Einladung, auf einer Presbyteriumsklausurtagung zum Thema „Digitalisierung“ zu referieren. Besonders sollte ich auf Chancen und Risiken der Digitalisierung eingehen, anschließend sollte dann eine Diskussion dazu erfolgen.
Die Einladung nahm ich an, machte aber einen anderen Vorschlag: den Klausurtag als Workshoptag durchführen. Außerdem zusätzlich Mitarbeitende und interessierte bzw. fachkundige Gemeindeglieder einladen. Nach einem einführenden Vortrag, dann ein Workshop, in dem konkrete Digitalisierungsprojekte skizziert werden, so dass anschließend das Presbyterium entscheiden kann, welche Projekte man umsetzen möchte.
Workshop als Modell
Ich berichte von diesem Klausurtag, denn er kann eine Vorlage für andere Gemeinden sein, die sich mit dem Thema Digitaliserung beschäftigen. Manchmal erhalte ich Anrufe mit der Bitte um meine Einschätzung zu einem bestimmten Thema, z.B. was ich von dieser oder jener App halte. Statt jedoch eine App einzuführen (weil das nun hipp ist), halte ich es für besser, zunächst grundsätzlich zu überlegen, wie Digitalisierung Gemeindearbeit unterstützen kann. Dadurch, dass nicht nur das Presbyterium eingeladen war, erhielt der Workshop eine Öffnung in die verschiedenen Bereiche der Gemeindearbeit. Am Anfang gab es einen großen Trichter möglicher Ideen und Projekte, die im Laufe des Tages konkretisiert werden konnten.
Bei Digitalisierung geht es nicht nur um Technik, sondern auch um Veränderung und Kulturwechsel, Neues zu denken wagen. Um das zu verdeutlichen – auch angeregt von Barcamps – schlug ich das Du für unseren Klausurtag vor, die rund 20 Teilnehmenden ließen sich darauf ein und stellten sich in der Begrüßungsrunde mit ihrem Vornamen und drei Hashtags vor.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck, es geht auch um Gemeindeaufbau
Nach einem kurzen theologischen Impuls hielt ich einen Vortrag zur Einführung ins Thema. Auch wenn dasThema Digitaliserung ist, reden wir implizit über Gemeindeaufbau, denn etwas digital zu machen ist kein Selbstzweck. Nach der Diskussion und Aussprache gab es in einer ersten großen Runde die Themensammlung. Jeder erhielt drei Karten, auf die man eine Idee schreiben konnte, wo Digitalisierung die Gemeinde voranbringen könnte. (Zur Anregung las ich während der Ideensammlung auch die Sessionvorschläge vom Barcamp Kirche Online vor.)
Jeder liest seine Ideen vor und heftet sie an die Pinnwand. Hat jemand bereits eine ähnliche Idee vorgetragen oder den selben Projektvorschlag gemacht, heftet man die eigene Karte dazu. So ergibt sich bereits eine erste Clusterung.
Neben konkreten Projektideen gibt es auch Querschnittsthemen: digitale Inklusion, Beachtung des Datenschutzes, keine Überforderung bzw. sinnvoller Einsatz personeller Ressourcen.
Themencluster
In der Mittagspause clustere ich die Themen. Natürlich haben die vorgetragenen Ideen mit der konkreten Gemeindesituation zu tun, aber sie zeigen auch an, wie Gemeindeleben in einer rheinischen Gemeinde digital werden kann:
- Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation: Optimierung der Gemeindehomepage, Social Media, Präsenz bei Suchmaschinen und Portalen, Zielgruppenfokussierung der Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung und Verlinkung, Kalender
- Gottesdienst: Gottesdienstübertragung als Livestream und als Videoaufzeichnung, Predigt als Text und Audio zum Download, digitales Gesangbuch mit Projektion auf Leinwand oder Download auf das Smartphone
- Gemeindekommunikation: Messenger, Konfiapp, interne Kommunikation in der Kita, gemeinsames digitales Arbeiten in Gruppen, digitales Bibelteilen
- Alles andere: Ressourcenplanung wie Raumbelegungsplan oder Vergabe von Gemeindebus und Beamer, digitaler Schaukasten für das Gemeindehaus, Kollektomat bzw. bargeldlose Kollekte
Kleingruppen erarbeiten Stories
Am Nachmittag gibt es zwei Blöcke in Arbeitsgruppen mit zirka fünf Personen. Im ersten Teil geht es darum, aus den Themen „Stories“ zu machen. Dies geschieht in Anlehnung an die Terminologie des agilen Arbeitens.
Zum Beispiel: aus der Idee „Kollektomat“ werden mehrere Stories:
Als BesucherIn der Kirche möchte ich ohne Bargeld spenden können.
Akzeptanzkriterien:
(1) Die Spende kann per Kredit- und Debitkarte getätigt werden.
(2) Die Spende kann über Onlinebezahldienste (Paypal, ApplePay) abgewicklet werden.
(3) Spenden können auch außerhalb des Gottesdienstes vorgenommen werden.
Schreibt man in dieser Weise die Anforderungen auf, öffnet sich der Blick: statt eines fest installierten Kollektenterminals könnte diese Funktionalität auch über ein Smartphone abgebildet werden, statt Hardware leitet dann ein QR-Code zum entsprechenden digitalen Bezahlverfahren. Für Mitarbeitende in der Verwaltung sieht die Story anders aus, hier wäre ein Akzeptanztkriterium, dass die Spende oder Kollekte einem bestimmten Zweck zweifelsfrei zugeordnet werden kann.
Die Ideen in Stories zu konkretisieren hilft, dass Stakeholder ihre unterschiedlichen Interessen einbringen können. Dies ging nur, weil zum Workshop auch Mitarbeitende aus den verschiedenen Aufgabenfeldern der Gemeindearbeit vertreten sind, die ihre spezielle Fachkenntnis und ihr Interesse einbringen können. Noch wichtiger war jedoch das Bestreben, auch eine Außenperspektive einzunehmen, was z.B. wünschen sich lose Verbundene von ihrer Kirche?
In einer zweiten Runde wird in den Gruppen erarbeitet, welche Schritte zu unternehmen sind, um aus den Stories Projekte zu machen. So entsteht zu jedem Thema eine Projektskizze mit konkreten Aufträgen, z.B. Rechtslage klären, Erfahrungen anderer einholen, technische Voraussetzungen schaffen etc.
In einer anschließenden Runde stellen die Kleingruppen ihre Projektskizzen der Gesamtgruppe vor, aus der Gesamtrunde kommen Kommentare, Anmerkungen oder Ergänzungen, so dass alle nochmal ihre Kompetenz einbringen können.
Leitungsgremium kann weiterarbeiten
Am Ende des Tages stehen auf den Pinnwänden Projektskizzen – diese sind eine gute Grundlage, so dass das Leitungsgremium diese Projekte beraten kann und Arbeitsaufträge zur weiteren Planung bzw. Umsetzung vergeben kann.
KlausurtagLeichlingen20190921