Digital nah bei den Menschen – fünf Jahre nach Corona

Vor fünf Jahren hat Corona unser Leben verändert. Für die Kirche bedeutete dies: Sie konnte nur digital nah bei Menschen sein.

In der Pandemie haben wir zwei Befragungsstudien zu digitalen Gottesdiensten durchgeführt. Daher wissen wir, wen wir digital erreicht haben. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern es geht um Menschen.

Nach der Pandemie hieß es: „Es gibt kein ‘Back to normal‘.“ Aber Institutionen und Menschen haben großes Beharrungsvermögen, und das Rad wurde vielerorts zurückgedreht.

Wenn Digitales lediglich ein Add-on ist, also eine neue zusätzliche Aufgabe, kann digitaler Wandel nicht gelingen. Wenn Pfarrer*innen und Kirchenvorstände sich bemühen, den „normalen“ Gottesdienstbesuch nach Corona wieder aufzubauen, bleibt wenig Kraft, einen digitalen Kirchgang zusätzlich dauerhaft zu etablieren.

Auch wenn wir keine Volkskirche mehr sein werden, wollen wir eine erfahrbare und sichtbare Kirche bleiben, die für ihre Mitglieder, Interessierte und die Gesellschaft da ist.

Was bedeutet digitaler Wandel nun für uns als Kirche? Für Gemeinden sehe ich drei Schwerpunkte: Mitgliederkommunikation, Verkündigung sowie Gemeindemanagement und -organisation.

Mitgliederkommunikation

Hausbesuche durch Pfarrpersonen sind gut, aber digital gibt es weitere Kontaktmöglichkeiten und man erreicht andere Menschen.

Warum nicht zu Weihnachten eine E-Mail an alle Mitglieder mit Hinweisen auf die Gottesdienste senden? Vom Baumarkt, von dem ich eine Kundenkarte habe, erhalte ich einen Geburtstagsgruß per Mail – warum nicht auch von meiner Gemeinde, bei der ich Kirchensteuer zahle? Die Mitgliederkommunikation hat viele Anlässe: Geburtstag, Geburt eines Kindes oder Einschulung. Hier lässt sich die sogenannte Member Journey aufzählen. Wenn eine Gemeinde konsequent digitale Kontaktdaten und Interessen sammelt, kann man gezielt zu Konzerten, Sommerfesten oder Public Viewing bei WM oder EM einladen. Doch es geht nicht nur um E-Mail-Verteiler. Besonders im Jugendbereich geschieht Kontakt über Social-Media-Profile.

Aktuell ist dies noch sehr mühsam für die Gemeinden, aber es gibt Pilotprojekte der Landeskirchen, um aus den Daten des Meldewesens Briefe zu generieren, Maildaten zu erheben und Mails sowie Newsletter zu versenden.

Verkündigung

Verkündigung geschieht sonntags im Gottesdienst, aber leider noch nicht in gleicher Weise im digitalen Raum. In den meisten Schaukästen hängt die Jahreslosung – und was machen Gemeinden digital und auf Social Media?

Zum Beispiel könnte eine Gemeinde die #Microandacht auf Social Media posten. Eine Pfarrperson könnte ein Kurzvideo oder Reel mit der Kernaussage der Sonntagspredigt erstellen. Die Gemeinde könnte mit Gottesdienststreaming wieder anfangen.

Und wir alle könnten aus der kirchlichen Blase herausgehen und auf Social-Media-Profilen von anderen Institutionen, Parteien, Vereinen und Influencer*innen Kommentare mit kirchlichen Positionen posten. So können wir mit unseren theologischen Inhalten digital präsent sein.

Nicht jede Gemeinde muss alles abdecken oder anbieten. Hier übernimmt der Kirchenkreis eine wichtige Rolle, indem er Angebote koordiniert oder selbst durchführt, wenn Gemeinden dies nicht leisten können.

Gemeindemanagement und -organisation

Kirchenkreise oder auch Landeskirchen stellen oft digitale Tools bereit. Diese erleichtern Gemeindemanagement und -organisation – etwa um einen Gottesdienst mit wenigen Klicks zu planen inklusive Musik, Kirchenkaffee und Veröffentlichung der Gottesdienstangaben im Netz, die am besten direkt auch auf dem Google-Profil eingetragen werden. Hier helfen digitale Tools effektiv bei der Organisation.

Digitalisierung hilft langfristig Ressourcen zu sparen. Anfangs wird Transformation zusätzliche Ressourcen kosten. Einen digitalen Wandel zum Nulltarif gibt es nicht.

Transformation und Agilität

Digitale Unternehmen setzen meist auf agiles Arbeiten. Ein großes Projekt wird in kleine Teilprojekte gegliedert, die innerhalb kurzer Zeit bearbeitet werden. Es gibt Feedbackschleifen, man richtet sich danach jeweils neu aus. Es wird keine eierlegende Wollmichsau geplant, sondern ein Minimum Viable Product (MVP), also eine minimale funktionsfähige Version, die aufgrund gemachter Erfahrungen schrittweise weiterentwickelt wird – dabei kann man immer auch umsteuern. Das angestrebte Ziel steht dabei immer klar im Fokus.

Doch agieren wir oft als preußische Behörde. Digitalisierung führt manchmal sogar zu mehr Formalismen. Dabei sollte Digitalisierung immer auch digitale Transformation bedeuten. Hierfür müssen Mitarbeitende gewonnen und mitgenommen werden. Wir müssen lernen, neu und out of the box zu denken.

Dazu gehört auch, Verwaltungsvorschriften und Gesetze anpassen. Ein gutes Beispiel dafür ist das neue Datenschutzgesetz der EKD, das Mitgliederkommunikation nun besser ermöglicht.

Fokussierung auf die Gemeinde

Auch in der Landeskirche und im Kirchenkreis muss der Fokus auf den Gemeinden liegen. Wie können sie Gemeinden unterstützen? Das Landeskirchenamt sollte nicht nur Aufsichtsbehörde sein, sondern auch als Service-Agentur für Kirchenkreise und Gemeinden dienen.

Ein Vergleich: Vodafone macht sein Geschäft in örtlichen Shops und digital, beide Vertriebskanäle ergänzen sich, der Kunde steht im Mittelpunkt. Wie wäre es, wenn wir ähnlich arbeiten würden?

Chancen des digitalen Wandels nutzen

Lange Zeit musste man bei uns im Landeskirchenamt bei jeder Vorlage nicht nur die finanziellen Auswirkungen angeben, sondern auch erläutern, was die Vorlage für den Prozess „missionarische Volkskirche“ bedeutet. Auch wenn die Wortwahl etwas altmodisch ist, war der Ansatz sinnvoll.

Was wäre, wenn bei jeder Vorlage bzw. jedem Projekt anzugeben wäre, welche Bedeutung es für den digitalen Wandel hat? Denn digitaler Wandel und Transformation ist eine Querschnittsaufgabe.

Damit Wandel und Transformation gelingen kann, müssen sie auch gewollt und gestützt werden. Gerade in Sparprozessen wird oft zuerst auf die Finanzen geschaut. Aber Kirche ist mehr als Geld. Wir müssen zuerst darauf achten, wie Kirche nah bei den Menschen bleibt oder wieder ihnen nahe kommt. Danach müssen wir den digitalen Wandel und Ressourcenzuweisung ausrichten.

Wie eingangs gesagt: Es geht um Menschen. Diese wollen wir erreichen – digital und vor Ort. Dafür ist Transformation notwendig, denn „Weiter so wie bisher“ führt nicht zum Ziel.

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