Quentin und Sara sind die ersten, die am Freitagabend online zum Zoom-Abendmahl vorbeischauen. Zwei Konfirmand*innen, die schon öfter mitgefeiert haben. Dann kommt Frau M., 94 Jahre, ein befreundetes Ehepaar richtet ihr jeden Monat den Zugang her. So kann sie die Isolation ihrer Wohnung wenigstens virtuell zum Abendmahl verlassen. Nach und nach füllt sich der Bildschirm: Paare, eine Familie mit drei Kindergartenkindern, ein paar Facebook-Freund*innen aus Süddeutschland, eine Jugendliche aus dem Au-Pair-Jahr in den USA…
Abendmahl als Videokonferenz — Gemeinschaft vereint bei Brot und Wein, Saft und Kuchen
„Abendmahl zum Abendbrot“ per Zoom — seit Karfreitag 2020 feiern wir es jeden Monat. Wir sind zu einer fern-nahen geistlichen Gemeinschaft geworden aus 20 bis 30 wechselnden Menschen, jung und alt, in sehr verschiedenen Lebenssituationen. Vereint bei Brot und Wein, Saft und Kuchen, oder was jede*r gerade im Haus hat. Eine hat Brot gebacken mit der Tochter. Jemand hatte nur noch einen trockenen Keks da. Bei mir ist es heute klares Wasser, weil der Traubensaft alle war… — Substanz und Wort werden zum Symbol, gleich welche Form es konkret ist.
Eine Viertelstunde Zoom-Gespräch vor dem Abendmahl
Am Anfang des Gottesdienstes die Frage: Wie geht es allen, in der Pandemie und sonst? Dann erklingt die Klangschale, wer will, zündet eine Kerze an und zeigt sie in die Kamera. Miteinander (inter-)agieren: das ist wichtig bei diesem Format. Wir schauen uns ins Gesicht, alle Kameras sind an. Wir sind zusammen im Namen Gottes. Gott über uns, Gott um uns, Gott in uns. Amen. Ein Psalm, im Wechsel gesprochen, ein Lied, das ich in meinem Arbeitszimmer mit Gitarre singe. Die anderen schmettern in ihren Wohnzimmern — stummgeschaltet wegen der Zeitverzögerung im Netz — lauthals mit, ich sehe die offenen Münder im Takt.
Die übrige Zeit sind alle Mikros an, Störgeräusche inklusive, aber ich will keine Einbahnstraße. Vaterunser und Einsetzungsworte sprechen wir alle gemeinsam — langsam und gut aufeinander hörend ist es ein bisschen wie das biblische Stimmengewirr zu Pfingsten. Alle reden in ihrer Sprache, und doch verstehen wir uns. Wir sprechen uns zu: „Brot des Lebens — für dich“ und „Kelch der Gemeinschaft — für dich“ und essen miteinander, jede*r an ihrem*seinem Ort.
Digitaler Friedensgruß
Ein Zeichen der weltweiten Gemeinschaft der Christ*innen, in der digitalen Wirklichkeit nochmal sinnenfälliger und anders spürbar, als wenn wir nebeneinander im Kreis stünden. Und dann: der Friedensgruß. Ein Kuss ist es gewesen über Jahrhunderte hinweg, und jetzt hauchen wir uns mit geöffneten Händen einen Luftkuss durch den Äther — intime Geste, manche legen lieber ihre Hand aufs Herz und winken — jede*r wie sie*er mag und kann.
Offenheit für Gebet und Fürbitte
Mir ist wichtig, dass Raum da ist und Offenheit. Zeit für Stille. Offenheit für Gebet und Fürbitte, immer mit der Möglichkeit, laut auszusprechen, was den*die einzelne*n bewegt, auch wenn das sehr selten jemand wirklich tut. Nur die Kinder sind da hemmungslos: „Ich bete für meinen kranken Opa im Krankenhaus, und dass ich bald wieder in die Schule darf und meine Klasse wiedersehen…!“
Eine Predigt gibt es nicht: allenfalls ein kurzer Textimpuls, ein Bild, ein Stück Lyrik, ein Bibelvers, der für sich selber spricht, und wieder Stille, zum Nachhorchen in der eigenen Seele…
Handreichen von Zoom-Kachel zu Kachel
Am Ende des Abendmahls fassen wir uns an. Strecken die Hände aus nach links und rechts bis zum Rand des Bildschirms, ruckeln uns zurecht, bis alle eine andere Hand gefunden haben in der Nachbarkachel, die sie „berühren“ können. Und gemeinsam bitten wir laut um den Segen des G*ttes, der*die gesagt hat: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen!
Dieser Blogpost erschien zuerst in der Zeitschrift „Für den Gottesdienst“ Nr. 92, Mai 2021 des Michaelisklosters Hildesheim.