Evangelische Christinnen und Christen gedenken am Ewigkeitssonntag ihrer verstorbenen Angehörigen und Freunde in Gottesdiensten ihrer Gemeinden. In der Regel wird dabei namentlich an die im Jahr verstorbenen Gemeindeglieder erinnert, deren Namen verlesen werden. Wer nicht im letzten Jahr in der Gemeinde verstorben ist, dessen Name wird nicht genannt. Die namentliche Erwähnung ist jedoch viele Menschen wichtig, um verstorbener Partnerinnen oder Partner, Familienangehöriger, Freunde oder Freundinnen zu gedenken.
Deshalb findet seit dem Jahr 2009 im Internet findet eine Chatandacht auf Trauernetz.de statt. In der Woche vor dem Ewigkeitssonntag wird auf Trauernetz.de ein Trauerbuch freigeschaltet, in das per Formular Namen sowie Geburts- und Todesjahr von Verstorbenen eingetragen werden können. Diese Namen werden dann ins Totengedenken eingeschlossen.
Andacht per Chat und Video
Im letzten Jahr wurde die Chatandacht erstmals per Video ergänzt. Auch in diesem Jahr fing die Chatandacht mit einem YouTube-Premiere-Video an. Der Gottesdienst im Internet begann mit Orgelvorspiel und Eingangsliturgie, dann wurden die Namen der Verstorbenen nacheinander im Video eingeblendet, unterlegt von Orgelmusik. Danach gab es die Möglichkeit, im Chat weitere Namen zu nennen. Die Andacht schloss mit Gebet, gemeinsam getippten Vaterunser und Segen. Während des Chats spielte die ganze Zeit die Orgel im Hintergrund, so dass die Atmosphäre besinnlich war.
Im Internet mit Namen an Tote gedenken
In diesem Jahr waren rund 130 Namen eingetragen. Fast 30 Prozent waren in diesem Jahr verstorben, bei einem Fünftel lag der Todesfall ein bis zwei Jahre zurück. Fast 70 Prozent der eingetragenen Personen waren innerhalb der letzten fünf Jahre verstorben. Bei einem Zehntel lag der Todesfall zwischen fünf bis zehn Jahre zurück, ebenso fast zehn Prozent der Einträge bezieht sich auf einen Todesfall, der zehn bis zwanzig Jahre zurückliegt.
Jahre | Prozente |
vor 1970 | 3,4% |
1970-1979 | 4,5% |
1980-1989 | 1,1% |
1990-1999 | 2,2% |
2000-2009 | 9,0% |
2010-2014 | 11,2% |
2015-2019 | 22,5% |
2020 | 18,0% |
2021 | 28,1% |
Natürlich sind diese Zahlen nicht repräsentativ, aber sie zeigen deutlich: sehr häufig besteht der Wunsch nach einer namentlichen Erwähnung, auch wenn der Todesfall deutlich länger als ein Jahr zurückliegt. Insofern deckt diese digitale Andacht ein Bedürfnis ab, dass Ortsgemeinden so nicht leisten können, wenn sie nur die im letzten Jahr Verstorbenen erwähnen.
Sich Zeit nehmen, um Verstorbene zu würdigen
Persönlich schätze ich an dieser Form der Andacht das gemeinsame Gedenken. Auch wenn ich die Verstorbenen nicht kenne, bin ich gemeinsam im Chat mit denen, die um sie trauern. Alle, die an der Andacht teilnehmen, nehmen sich Zeit, die Namen der Verstorbenen auf sich wirken zu lassen. Ich weiß, für jemand, der hier im Chat dabei ist, war der oder die Verstorbene wichtig. Wir teilen das Gedenken. Auch dieses Jahr gab es wieder Zwischenrufe im Chat wie: „Lieber [N.N.], ich werde dich nie vergessen!!!!“ Diese Form, seine Trauer zu äußern, ist online möglich, in Gemeindegottesdiensten leider nicht.
Am Ewigkeitssonntag war ich vormittags auch in einem Gemeindegottesdienst. Neben dem Liturgieblatt bekam man beim Betreten der Kirche auch ein DIN-A4-Blatt in die Hand, worauf die Namen der in diesem Jahr in der Gemeinde Verstorbenen standen. Beim Totengedenken wurde eine Kerze entzündet, die dann neben einen Ständer gestellt, auf dem ein Blatt mit den Namen der Verstorbenen lag. Aufgrund der Länge der Liste war dies sicher eine praktikable Art des Gedenkens, aber hätte die Gemeinde sich nicht Zeit nehmen können, den Namen jeder oder jedes Toten zu verlesen und so die Verstorbenen namentlichen zu würdigen?
Für mich ist daher die Chatandacht im Internet ein Ort geworden, das Gedenken an Verstorbene zu teilen. An einige Besucher der Chatandacht erinnere ich mich aus den Vorjahren, andere sind neu dabei. Nach dem Segen verabschieden wir uns gegenseitig und gehen dann mit Orgelklang wieder in den Alltag zurück. Und vielleicht sehen einige von uns sich im nächsten Jahr bei der Andacht am Ewigkeitssonntag wieder.