Bewusst oder weil es einfacher geht, englische Begriffe sind üblich, wenn man übers Internet spricht. Wir „googlen“, wenn wir etwas im Internet suchen und Jugendliche simsen oder facebooken – natürlich könnten sie auch Textnachrichten übers Mobiltelefon versenden, aber wenn jemand etwas ins Gesichtsbuch schriebe, wäre es wirklich Nonsense – oder doch besser Unsinn?
Als ich zu einem Social Media Round Table einlud, monierte jemand die sich anbiedernde auf Modern getrimmte Sprache – aber wozu hätte ich einladen sollen? Zu einem Runden Tisch zu Sozialen Medien? – das klingt wirklich altbacken. Mit welcher Sprache kommunizieren wir in der Kirche?
Die Anregung zu diesem Blogpost bzw. Onlinetagebuchartikel fand ich in einem von mir abonnierten Blog, das die Frage aufwarf: Pro und Contra – Wie viel Denglisch verträgt unsere Church?. Alex Schnapper gibt die Diskussionen zweier Tübinger Kirchengemeinderätinnen wieder und zieht für sich folgendes Fazit:
Unsere Kirche verträgt die Mischung beider Sprachen, eigentlich aller Sprachen, denn es sollte nicht um die Sprachunterschiede, sondern eigentlich um die Botschaft der Kirchen gehen, die Verkündigung und Botschaft Gottes. Und die Sprache des Christentums spricht mehrere Sprachen und solange die Botschaft beim Empfänger ankommt, ist es egal ob ich bei einer Motette, einem Kantatengottesdienst oder einer Church Night war. Schliesslich gibt es ja auch englischsprachige Angebote in der Kirche, z.B. die Church at Six oder den Carol Service.
Die Kirche ist immer mehrsprachig gewesen. Jesus sprach Aramäisch und las die Thora auf Hebräisch. Griechisch war die Umgangssprache des hellenistischen Judentums, selbstverständlich predigte Paulus auf Griechisch. Programmatisch folgt das Pfingstwunder auf Jesu Himmelfahrt in der Apostelgeschichte, trotz unterschiedlicher Herkunft und Herkunftssprachen verstanden sich die Menschen der Jerusalemer Urgemeinde.
Springen wir anderthalb Jahrtausende in der Kirchengeschichte: Martin Luther führte Deutsch als Liturgiesprache im Gottesdienst ein (katholischerseits geschah das erst vor rund einem halben Jahrhundert mit dem Vaticanum II) und übersetzte die Bibel ins Deutsche. Sein erklärtes Ziel dabei, „dem Volk aufs Maul zu schauen“ war kein Selbstzweck, sondern diente dazu, die Verkündigung des Evangeliums möglichst verständlich zu machen.
Gerade wer Martin Luther der Sache nach treu bleiben will, darf nicht bei einem antiquierten Lutherdeutsch verharren (so schön es auch für Sprachliebhaber sein mag), sondern muss so sprechen, wie man ihn heute versteht.
Ob ich relaxe oder mich entspanne, ob ich chille oder mich ausruhe – es kommt darauf an, dass mich mein Gegenüber versteht. In der Jugendarbeit wird man daher andere Wörter wählen als in der Seniorenarbeit. Natürlich muss die Sprache authentisch sein (oder wahrhaftig sein – aber gegen Wörter griechischer Provenienz protestieren bildungsbürgerliche Sprachpuristen in der Regel nicht), gerade Jugendliche bemerken es, wenn man sich anbiedert.
Und peinlich sollte es nicht sein – dann das ist kommunikativ ein Schuss nach hinten. Der Brite sagt zum Rucksack „rucksack“, der Amerikaner „backpack“, nur ein Werbetexter versuchte, Rucksäcke als „body bags“ in einer deutschen Kaufhauskette zu verkaufen, bemerkte aber nicht, dass Amerikaner damit „Leichensäcke“ bezeichen. Relaxen ja, „body bags“ nein danke.
Nur als Kuriosität am Rande: während wir hier die Einflüsse des modernen amerikanischen Englischs bekämpfen, rüsten amerikanische Christen zum Kampf für den Erhalt ihrer King James -Bibelübersetzung, der einige sogar die göttliche Inspiration zusprechen (wie diese Suche http://www.google.de/search?q=king+james+inspired schnell zeigt). Vielleicht ließe sich ja ein anti-modernistisches transatlantisches Sprachbündnis schmieden für Luther-Deutsch und King-James-Englisch.
Was würde Luther zu solcher Deutsch-Englischer Allianz / alliance / Bündnis sagen, würde er – nur um das Französische auch einmal zu bemühen – eine solche Denglische Entente gutheißen?
Wohl kaum, Luther sprach neben Deutsch auch fließend Latein und manchmal mischte er diese beiden Sprachen auch. Luthers Deutsch war genial, er schaute dem Volk aufs Maul und prägte so die deutsche Sprache für Jahrhunderte, er war aber auch ein Meister des Code-Switching – aber zwischen Deutsch und Latein – Denglisch sprach er nicht.
7 Antworten zu “Sprach Luther Denglisch?”
Vielen Dank Ralf Peter, freut mich hier eine theologisch weiterführende Antwort und Diskussion zu sehen. Bin auf andere Antworten, Kommentare gespannt. 😉
Reblogged this on blogmatthiasjung.
Spannend. Reblogged und etwas länger kommentiert.
http://wp.me/p2kEr4-8P
Ehrlich gesagt drängt sich mir der Verdacht schon auf, daß Englisch Mode ist, aber keinen Nutzwert hat. Was ist es denn nun, round table oder roundtable? Schon die Schreibweise ist offensichtlich uneins.
Fremdwörter sind nützlich, wo sie eine Bedeutung tragen, die im Deutschen (mit geläufigen Begriffen) nicht ausgedrückt werden kann. Ein ticket point statt Fahrkartenschalter aber ist affig. Schein statt sein,
paraître au lieu d\’être.Oh, das Französische bringt ja gar nichts Neues – also streichen wir es. (Hier in Frankreich sind zumindest in offiziellen Texten Fremdwörter verboten; in öffentlich verbreiteten Texten müssen sie in der Fußnote ins Französische übersetzt werden. Das ist zwar auch affig, aber zwingt zum Nachdenken, ob es wirklich ein Fremdwort sein muß.)Klar wirkt der \“Runde Tisch\“ altbacken, der gehört ja auch in die späten Achtziger. Im Zuge des Niedergangs der DDR und der folgenden Wiedervereinigung gab es dauernd Runde Tische. Vorher nicht, nachher eigentlich auch nicht. Ganz klassisch-zeitlos heißt das Ding Diskussionsrunde. Vielleicht auch Podiumsdiskussion. Das ist nicht weniger Fremdwort als Round Table (oder Roundtable), aber zeitlos.
Erstaunlicherweise hat sich ja auch die Lutherbibel, Revision 1984, wesentlich besser über die vergangenen knapp drei Jahrzehnte gerettet als die \“Bibel in heutigem Deutsch\“…
Aber ist \“Podiumsdiskussion\“ nicht auch ein Fremdwort, nur dass dieses aus den alten Sprachen kommt? Ob aus dem Altgriechischen, Lateinischen, Französischen oder auch Englischen – Fremdwörter bereichern unsere deutsche Sprache. Man muss sie nur richtig und auch bewusst nutzen. Und ob Übersetzungen aus dem Englischen wie \“Runder Tisch\“ (ich hoffe, damit liege ich nicht falsch) wirklich besser sind, sei dahin gestellt.
Es hat immer sprachliche Einwanderer gegeben. Manche sind auch wieder ausgewandert, wer spricht heute noch von einem Bankkontor (von frz. comptoir, Theke) – obwohl das Wort eigentlich besser paßt als \“Schalter\“? Viele Fremdwörter kennen wir schon gar nicht mehr als solche!
Fremdworte sind sinnvoll, wo sie eine Bedeutung tragen, die anders nicht ausgedrückt wird. \“sozial\“ bedeutet ja im Deutschen auch was anderes als \“gesellschaftlich\“. Und sowohl Russen wie Amerikaner haben das Wort \“kindergarten\“ adoptiert, weil sie für genau diese Art der Früherziehung keinen Begriff kannten.
Manchmal gibt es auch Blüten wie Chanson und Lied, im populären Sprachgebrauch bedeuten sie in ihrer jeweiligen Sprache dasselbe, dienen aber in der Musikwissenschaft zur Bestimmung verschiedener Genres – und das gleichermaßen den Franzosen wie den Deutschen.
Aber Fremdworte um des Fremdworts willen sind lächerlich – sei es der \“body bag\“ als Rucksack oder der Service Point als Auskunftsschalter.
Und der Runde Tisch ist im deutschen Sprachgebrauch seit spätestens 1989/90 heimisch. Den braucht man nicht mehr fremdzuwörteln – denn das ist, wie gesagt, nur einer Mode nachgerannt und damit ziemlich lächerlich.
[…] zu formulieren” als diese vulgär nur zu “benutzen”? Nota bene: Wer gegen das Denglish ist, sollte auch altphilologische Sprachpantschereien wie “Televison” ablehnen, die […]