Die digitale Zukunft kommt. Bestimmt.

„Wir Deutschen neigen besonders dazu, zu vielen Megatrends zunächst eine Abwehrhaltung aufzubauen: ‚Nein, das wollen wir nicht‘ ist die Haltung. Dabei lässt sich Digitalisierung nicht aufhalten. Durch kein Gesetz. Durch keine Blockade.“

Dies sagt Gunter Dueck, einstiger Chefstratege von IBM und IT-Vordenker. Mit anderen Worten: Die digitale Zukunft kommt. Bestimmt. Sie lässt sich nicht durch eine Verweigerungshaltung aufhalten.
Facebook ist eine Realität für rund 25 Millionen Deutsche. Das ist auch weiterhin Fakt, auch nach den Enthüllungen zu „Prism“ in den letzten Tagen. Die Datenschutzproblematik muss man noch kritischer sehen, aber Facebook wird weiterhin in Deutschland genutzt. Soziale Netzwerke sind Realität im Netz. Sowie das Internet Realität ist. Man kann es nicht abschalten. Es gehört zu unserer digitalen Gesellschaft dazu. Technologischer Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, weil Erfindertum zum Menschsein gehört.
Großen Respekt habe ich vor Menschen, die selbst bestimmen wollen, wie die Technologie ihr Leben bestimmt. Meine Achtung gehört den Amish People in den USA, die bewusst auf Elektizität verzichten, Pferdefuhrwerke statt Kraftfahrzeuge fahren. Der Preis: Sie bilden eine eigene geschlossene Gesellschaft.
Wenn sich evangelische Kirche als Volkskirche, gar als missionarische Volkskirche, versteht, kann sie nicht den Rückzug hinter virtuelle Klostermauern propagieren. Verkündigungssendungen im Rundfunk zu haben ist heute Realität, obwohl vor wenigen Jahrzehnten Fernsehen und Radio auch von Kulturkritikern schlechtgeredet wurden. Es ist richtig, die gesellschaftliche Wirkmächtigkeit der Medien anzuerkennen und dort Angebote zu machen, anstatt Medien zu verteufeln und sich selber zu überlassen.
“Nein zu ’sozialen‘ Medien im Pfarrberuf” überschreibt Werner Thiede seine Replik auf unseren Aufsatz „Kirche und Social Media. Jenseits der Parochie“ (gemeinsam mit: Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach und Alexander Ebel). Es folgt im Wesentlichen ein Facebook-Bashing bei Thiede. In vielen Punkten seiner Facebook-Kritik hat Werner Thiede sogar Recht. Aber er hat unser Anliegen nicht verstanden. BTW, Werner Thiede bezieht seine Kritik im Wesentlichen auf Facebook, in unserem Aufsatz haben wir auch über Twitter, YouTube und Blogs gesprochen. Als evangelische Kirche müssen wir dort sein, wo Menschen leben. Sagen wir. Dazu gehört – neben anderen Social Media-Angeboten – auch Facebook. Dabei argumentieren wir durchaus differenziert, z.B. keine Seelsorge-Angebote auf Facebook zu platzieren.
Das Wort ward Fleisch, Gott kam als Mensch in diese gottlose Welt, damit die frohe Botschaft verkündet werde. Selbst wenn Facebook ein gottloses Netzwerk wäre, ließe sich darin dennoch das Evangelium verkünden. Mit seiner Replik wirft Werner Thiede letztlich die Frage auf, wie sich Christus zur Gesellschaft bzw. zur Kultur verhält. Für diese Verhältnisbestimmung ist Richard Niebuhrs Buch “Christ and Culture” immer noch wegweisend. Inkarnation bedeutet für mich, dass sich Gott auch in die gottlose Welt begeben hat, deshalb ist es an der Kirche, in derselben sündigen Welt die frohe Botschaft auszurichten, anstatt sich in eine heile Welt hinter Klostermauern zurückzuziehen.
Thiede fragt rhetorisch:

“[E]rnsthaft Gemeindepfarrerinnen und -pfarrern [Facebook] für ihre Praxis anempfehlen? Gehört dazu nicht ein gerütteltes Maß an Ignoranz?

Ich antwortete gerne: Nein, nicht Ignoranz, sondern ein bewusstes Einlassen auf die Realität dieser Welt. Es geht darum, Verantwortung für andere wahrzunehmen, anstatt zur Weltflucht aufzurufen und sich der digitalen Gesellschaft zu vcrweigern. Denn: Die digitale Zukunft kommt. Bestimmt.

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