Das Internet macht es möglich, auch in den USA ist man mit neuesten Nachrichten aus Deutschland gut versorgt. Aufmacher der FAZ: sind „Die neuen Krypto-Kriege„, daneben direkt eine Meldung, dass mehr Abgeordnete ihre Mails künftig verschlüsseln wollen, ähnlich wie die FAZ auch der Aufmacher von Spiegel Online, ich klicke weiter, die sueddeutsche.de macht die Email-Sicherheit zum Aufmacher, ich bin mir sicher, ich könnte die Websites anderer deutscher meinungsbildender Medien durchgehen und ich käme zu einem ähnlichen Ergebnis, der NSA-Skandal befeuert die deutschen Medien. Facebookfreunde und Kolleginnen und Kollegen, denen ich über Social Media folge, nehmen sich auch des Themas an. So auch Mechthild Werner im Blog der Pfälzer Landeskirche, wenn sie ihren Blogpost betitel: „Meine Daten gehörten mir„. Recht hat sie und ich habe direkt „Gefällt mir“ geklickt. Nicht die NSA, sondern die britische Version GCHQ ist das Thema in Nick Baines Blog, so warnt der in Medienfragen versierte Bischof der Church of England vor „Orwell’s nightmare„. Aber jenseits des Atlantiks sieht es anders aus.
Ob NSA, GCHQ oder vielleicht doch BND, jedenfalls ist Datenschutz nun das Thema, in den Medien, aber auch unter Freunden und Kollegen und Kolleginnen, und natürlich auch bei kirchlichen Medienmachern, Datenschützern und Internetbeauftragten. Wäre ich in Deutschland, würden sich viele Gespräche um Datenschtz drehen, hier in den USA fehlen mir einfach die Gesprächspartner. Die Empörungswelle, die derzeit über Deutschland schwappt, ist in den amerikanischen Medien verebbt. Auf der Titelseite der Ney York Times heute kein einziger Artikel dazu, Aufmacher auf CNN.com (3:15 PM EST) ist zwar ein Facebook-Thema, aber ein Mördergeständnis, das über das soziale Netzwerk verbreitet wurde: „Florida man allegedly kills wife, posts confession, photo of body on Facebook“.
Als ich letzten Freitag mit meiner sechswöchigen Internship bei der United Church of Christ (UCC) und der UCC Coalition begann, war es kein Thema, dass ich hier einen Google-Kalender benutze. Ein eigenes kirchliches Datenschutzrecht – wie soll man das auf Amerikanisch erklären? Dienstliche Emails rufen die Kolleginnen und Kollegen auf privaten Smartphones ab. Selbstverständlich nutzt die UCC Facebook und eine Facebook-Integration auf ihrer Website – ohne die in Deutschland für kirchliche Einrichtungen erforderliche Zwei-Klick-Wege-Lösung.
Marriage Equality – das ist ein großes Thema, Aktionen gegen das Mobbing von schwulen, lesbischen und trans-gender Schülerinnen und Schülern, darüber komme ich schnell ins Gespräch, aber nicht zum Datenschutz.
Natürlich gibt es auch die Diskussionen zum Datenschutz, abr eben nicht so prominent, wie in Deutschland. Meine Eindrücke sind nur Momentaufnahmen, die keinen Anspruch auf Objektivität haben, sondern vielmehr eine subjektive Wahrnehmung. Der Zungenschlag ist etwas anders, hier ein Beispiel eines Kommentar-Threads aus der NY Times:
It bothers me that the NSA has been put on the defensive when its activities are to protect us. Would you really rather it not do its job, which allows you the freedom to complain about your privacy being violated while you overshare on Facebook? Security cameras have been everywhere for years, and every new development in technology we can’t wait to buy makes it easier for our usage of it to be tracked. The outrage seems disingenuous only because this should have been obvious to any reasonably intelligent person. It’s the price we pay for what we have. Did you really think the latest smart phone innovation was to make our lives easier? Get over yourselves. We are all complicit.
Was mache ich mit diesen Wahrnehmungen? Ist Datenschutz ein Luxusgut? Oder unerlässlich? Oder geht es um das rechte Maß an Datenschutz, eine Güterabwägung zwischen Sicherheit und Privatsphäre? Ist kirchliches Datenschutzrecht ein Relikt rechtlicher Priviligien aus der Zeit eines Staatskirchentums? Auch ohne eigenes Datenschutzrecht kann Kirche Kirche sein? Was sind die vordringlichen Themen, um die sich eine Kirche kümmern muss? Wo und wie kann Kirche Zeugnis in der Gesellschaft ablegen?
Wir leben in einer vernetzten Welt, Fragen des Datenschutzes werden nicht nur in Berlin oder Brüssel entschieden, sondern auch in Washington. Da ist es gut, zumindest Stimmungen in der amerikanischen Öffentlichkeit wahrzunehmen und zu kennen – und dann ergeben sich hoffentlich doch Diskussionen.
2 Antworten zu “Mechthild bloggt, die New York Times schweigt”
Hat dies auf blogmatthiasjung rebloggt und kommentierte:
Ralf-Peter Reimann, Internetpfarrer der EKiR, weilt gerade zu einem sechswöchigen Aufenthalt in den USA bei der UCC. In diesem Beitrag berichtet er von der amerikanischen Sicht auf die Datensicherheitsdebatte. Am Ende wirft er Fragen auf, die uns auch als kirchliche Institutionen und Mitarbeitende beschäftigen sollten. In den Kommentaren zu Mechthild Werners \“Freitagsblog\“ lag der Schwerpunkt interessanterweise auch auf innerkirchlichen Fragestellungen (z.B. Sicherheit von Chatseelsorge, Telefonseelsorge, Verschlüsselung von Mails).
Ich denke, hier ist noch viel Diskussionsbedarf. Ralf-Peter sitzt grade an der richtigen Stelle, ich bin gespannt auf weitere Beiträge.
Gelesen, rebloggt, kommentiert 😉