Bei Unternehmen spielt Review-Management eine entscheidende Rolle für ihren Erfolg. Kundenbewertungen, sowohl positive als auch negative, sind nicht nur ein Spiegelbild der Kundenzufriedenheit, sondern dienen auch als wertvolle Quelle für Feedback und Verbesserungsmöglichkeiten. Reviews auf Plattformen wie Google, Yelp oder TripAdvisor können erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidungen potenzieller Kund*innen haben. Unternehmen, die aktiv Bewertungen managen, zeigen nicht nur, dass sie ihren Kund*innen zuhören und auf ihr Feedback wert legen, sondern nutzen diese auch als Chance, ihr Image zu stärken und Vertrauen aufzubauen.
Ein proaktives Review-Management beinhaltet das regelmäßige Überwachen von Bewertungen, das zeitnahe Reagieren auf Kundenfeedback und das Ergreifen von Maßnahmen basierend auf den erhaltenen Rückmeldungen. Positive Reviews können dabei genutzt werden, um die Stärken des Unternehmens hervorzuheben, während konstruktive Kritik als Gelegenheit zur Verbesserung und zur Demonstration von Kundenorientierung gesehen werden kann. In einer Welt, in der Online-Bewertungen oft den ersten Eindruck eines Unternehmens prägen, ist ein effektives Review-Management unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben und das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.
Review-Management als Herausforderung für Kirchen
Ein effektives Bewertungsmanagement wäre für Kirchen sinnvoll. Mit positiven Bewertungen und einem aktiven Profil könnten Kirchen insbesondere jene Menschen erreichen, die Informationen online suchen und sich von Bewertungen leiten lassen. Die Analyse von Bewertungen könnte außerdem helfen, Angebote besser auf die Bedürfnisse ihrer Gemeindemitglieder und Interessierter abzustimmen. Ein proaktiver Umgang mit Feedback, vor allem mit Kritik, würde zeigen, dass Kirchen offen für Rückmeldungen sind und das sie um das Vertrauen ihrer Gemeindemitglieder werben.
Um Erfahrungen zu sammeln und einen ersten Schritt in Richtung Review-Management zu gehen, haben wir im Oktober ein Pilotprojekt gestartet, in dem wir die Bewertungen, also Reviews, auf verschiedenen Online-Plattformen zu rund 1800 Standorten, hauptsächlich Kirchen, aber auch einige kirchliche Beratungsstellen und Kindergärten, überwachen und beantworten. Dabei unterstützt uns der Dienstleister Yext.
Ich freue ich mich auf das Pilotprojekt zum Review Management im Rahmen von "Digitale Kirchtürme" von @EKD. Mit @Yext machen wir Review Management für ⛪️Kirchen der @ekir_de von Oktober bis Januar 2024. https://t.co/vLNM7hRbdw Bald mehr Updates! 🔄🙌 #DigitaleKirche
— RalfPeter Reimann (@ralpe) September 27, 2023
Zum Start im Oktober gab es 18.200 Bewertungen auf verschiedenen Plattformen, davon 17.700 auf Google Business Profile. Vor dem Start des Pilotprojektes wurden keine Bewertungsprofile vom Profilinhaber gepflegt, es gab keine Reaktionen auf Kritik.
Mit diesem Pilotprojekt für die Evangelische Kirche im Rheinland und zwei Kirchenkreise der Evangelischen Kirche in Hessen-Nassau wollen wir erkunden, was Review-Management bringen kann, u.a. in der Interaktion mit Interessierten, in der Außendarstellung der Kirche, in ihrer Wahrnehmung, in Bezug auf die Verbesserung von Local SEO und auch in Bezug auf Bewertungen selbst.
Google Q&A: Eine verpasste Kontaktchance
Neben Bewertungen bietet Google auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Die Yext-Plattform gibt uns auch die Möglichkeit, gezielt auf diese Fragen zu antworten. Hierfür habe ich bereits eine erste Auswertung erstellt. Die auf Google eingehenden Fragen sind deutlich geringer als die Anzahl der Bewertungen. Für die 1800 Standorte lagen zu Beginn des Pilotprojektes insgesamt 456 Fragen vor.
Anzahl der Fragen | Prozentsatz | |
---|---|---|
Fragen mit Antwort des Profilinhabers | 2 | 0,44% |
Fragen ohne Antwort des Profilinhabers | 144 | 31,58% |
Fragen ohne jegliche Antwort | 310 | 67,98% |
Summe | 456 | 100% |
Nur zwei Fragen wurden vom Profilinhaber beantwortet, 310 Fragen blieben ohne jede Antwort. Die anderen Fragen wurden von anderen Google-Nutzer*innen beantwortet. Über die Qualität dieser Antworten kann ich keine Angaben machen. In weniger als 0,5 Prozent der Fälle gab es eine verlässliche Antwort des Profilinhabers. Mehr als zwei Drittel der Fragen blieben ohne jegliche Antwort.
Im Folgenden als Beispiele einige Fragen, die unbeantwortet blieben:
- A quelle heure commence le culte de dimanche? a quelle heure commence le culte de dimanche
- Anmeldung Konfirmationsunterricht unserer Tochter S[..] geb. […]? Wann ist die Anmeldung zu Konfirmationsunterricht?Mit freundlichen Grüßen M[.]
- Ferienprogramm im Sommer?
- Gibt es einen Bibelkreis?
- Hallo sind Taufen möglich?
- Haloo guten Morgen ich mochte eine termin machen wann haben sie zeit
- Ich suche einen Trauerkreis
- Im nächsten Jahr jährt sich meine Konfirmation zum 50.mal. wird anlässlich der goldkonfirmation ein Zusammensein organisiert? Daran würde ich gerne teilnehmen.
- Wann hat dir Kirche auf um Kerzen anzuzünden 🙏🏻
- Wer ist jetzt Pfarrer oder Pfarrerin?
- Is there an English service and what time?
Menschen suchen Kontakt zur Kirche, aber auf diesem von ihnen gewählten Weg über Fragen an Unternehmensprofile, reagiert die angesprochene Kirche nicht, sie verpasst die Chance zum Kontakt mit Interessierten. Wenn solche öffentlich gestellten Fragen ohne Antwort auf dem eigenen Profil bleiben, ist die Botschaft in die Weböffentlichkeit klar: Fragen – auch nach Taufe – interessieren die Kirche nicht.
Menschen suchen Kontakt über Unternehmensprofile
Eine Clusterung der Fragen (mit Hilfe von ChatGPT) weist folgende Kategorien der Fragen auf:
Kategorie | Anzahl der Fragen | Prozentsatz |
---|---|---|
Gottesdienstzeiten und Termine (außer Weihnachten) | 205 | 45,0% |
Weihnachten | 25 | 5,5% |
Taufen und Konfirmationen | 15 | 3,3% |
Besichtigung | 5 | 1,1% |
Barrierefreiheit | 6 | 1,3% |
Veranstaltungen und Gruppen | 18 | 3,9% |
Alle anderen | 182 | 39,9% |
D.h., der größte Teil der Fragen geht darum, wann Menschen am gottesdienstlichen oder gemeindlichen Leben teilnehmen können, also wann Gottesdienste und andere Gemeindeveranstaltungen stattfinden. Dies sind vermutlich Menschen, die nicht den Gemeindebrief aufschlagbereit in der Wohnung haben, sondern Menschen außerhalb der Kerngemeinde, die sich aber für kirchliche Angebote interessieren. Leider erhalten sie keine Antwort. Auch die, die sich Weihnachten auf zur Kirche machen wollen, erfahren nicht, wann der Gottesdienst an den Festtagen stattfindet.
Vielleicht wählen Menschen auch den Weg, öffentlich Fragen zu stellen, weil die Websites oft nicht schnell eine Auskunft geben. Wie schwierig es sein kann, auf kirchlichen Websites Weihnachtsgottesdienste zu finden, habe ich beispielsweise hier beschrieben.
Eine manuelle Filterung der Fragen — genauer: eine Suche gegen häufig vorkommende Stichworte in der Liste der Fragen — ergibt folgende Gruppierung der Inhalte, eine doppelte Zuweisung einer Frage in verschiedene Kategorien ist daher möglich:
Gottesdienst/Messe | 92 |
Messe | 14 |
Öffnungszeiten/geöffnet | 30 |
Termine/wann? | 227 |
Heiligabend/Weihnachten/24.12. | 38 |
Konfirmation | 14 |
Taufe | 9 |
Barrierefrei | 4 |
Parken/Parkplatz/Parkmöglichkeit | 18 |
Orgel | 4 |
Glocke/Glockengeläut | 28 |
Fremdsprachig | 42 |
Diese Übersicht stützt die KI-generierte Clusterung. Gottesdienste, Öffnungszeiten und Weihnachten stehen im Vordergrund. Interessant: Auch bei protestantischen Kirchen wird nach einer Messe gefragt, kirchliche-protestantische Terminologie ist nicht allen Fragenden geläufig.
Nicht überraschend, aber wichtig: Etwas weniger als ein Zehntel der Fragen werden in anderen Sprachen als Deutsch gestellt. Öffentliche Fragen scheinen für nicht Deutsch sprechende Menschen beliebter zu sein als für Deutsche, die Antworthäufigkeit ist mit weniger als ein Viertel (genau 10 von 42) der Fragen jedoch geringer. Eine vertane Chance interkultureller Öffnung.
Einfach nur schade, dass solche Fragen nicht beantwortet werden, Menschen zeigen Interesse an Kirche, Kirche zeigt bisher aber Desinteresse an diesen Menschen.
Wichtige Aufgabe: Auf Bewertungen reagieren
Dies ist nur eine erste Auswertung der Q&A (Fragen und Antworten) auf Google. Die Zahlenbasis ist hier im Blick auf die Standorte deutlich geringer als bei Reviews, so dass eine automatisierte Clusterung und eine manuelle Gruppierung und Filterung der Fragen ohne großen Aufwand erstellt werden konnten. Für die über 18.000 Bewertungen zum Projektstart steht noch eine Analyse aus. Für viele ist der Unterschied zwischen Bewertung/Review und Q&A oft nicht groß, denn in vielen Fragen stecken auch Bewertungen und in Reviews gibt es oft auch indirekte Fragen. Daher dürften die Schlussfolgerungen für Reviews ähnlich sein wie bei den Fragen.
Bei den Fragen gab es rund ein Drittel, das durch andere Google-Nutzer*innen beantwortet wurde. Bei Bewertungen kann — anders als bei den Fragen — nur der Profilinhaber reagieren, daher ist hier die Response-Quote durch den Profilinhaber deutlich kleiner als ein Prozent. Sowohl auf Lob als auch Kritik wird nicht reagiert.
Unternehmen legen großen Wert auf Kundenkontakte und die Pflege ihrer Bewertungsprofile. Dies ist bei Kirchen leider noch nicht der Fall. Eine Kirche, die nah bei den Menschen sein wollen, muss dort auf Fragen antworten, wo Menschen sie stellen.
Seit Oktober führen wir ein aktives Bewertungsmanagement durch und beantworten eingehende Fragen: Wer dieses Jahr nach einem Weihnachstgottesdienst fragt, wird daher eine Antwort erhalten (sofern wir das entsprechende Profil der Kirchengemeinde Teil unseres Pilotprojektes ist).
Update 26. August 2024
Zum Projekt gibt es zwei Blogeinträge unseres Dienstleisters Yext: