Das große Thema war KI. Aber eben nicht als Hype, sondern aus der Perspektive der Zivilgesellschaft: Wie wird Künstliche Intelligenz unsere Gesellschaft verändern? Was bedeutet KI für unsere Arbeit? Wie lässt sich Diskriminierung verhindern?
Die Wahrnehmung der Vielzahl von Themen auf der rp24 ist subjektiv, aber ein weiteres Cluster war für mich, wie Monopole der großen Tech Companies eingegrenzt werden können und wie sich auch im Digitalen eine Allgemeinwohlorientierung umsetzen und Demokratie fördern lässt.
Die Auswahl zwischen den verschiedenen Vorträgen und Workshops war oft nicht leicht. Deshalb ist meine Wahrnehmung sehr subjektiv, da es auch um eine interessengeleitete Auswahl zwischen vielen Angeboten ging. Daher verlinke ich gerne auch auf Christoph Breit, der in seinem Blog kirchedigital.blog einen guten und ausführlichen Rückblick auf die re:publica
24 aus kirchlicher Perspektive gibt.
Künstliche Intelligenz: Zwischen Heilsversprechen und Dystopie
„KI wird uns alle retten! Es sei denn, sie tut es nicht“, so Matthias Spielkamp von AlgorithmWatch, dessen Ziel es ist: “Wir setzen uns dafür ein, dass Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) Gerechtigkeit, Demokratie und Nachhaltigkeit stärken, statt sie zu schwächen.” Matthias Spielkamp zeichnet in seinem Vortrag einen realistischen, aber letztlich oft auch dystopischen Ausblick, wohin KI Nutzung uns als Gesellschaft bringen kann. Während Tech Companies sich bemühen, der KI Nutzung einen positiven Narrativ zu geben, fokussiert Spielkamp stark auf die gesellschaftlichen Probleme und fordert einen anderen, kritischen Narrativ.
KI und Neurodiversität
André Frank Zimpel beleuchtet die Auswirkungen von KI auf Neurodiversität. Er erörtert, wie der Einsatz von KI neurodivergenten Menschen helfen kann, bestimmte Fähigkeiten zu erlernen. Ein interessantes Beispiel hierfür ist die Wahrnehmung des Wortes „Auto“: Während die meisten Menschen glauben, dasselbe Wort zu hören, obwohl es immer etwas anders ausgesprochen wird, können neurodivergente Menschen jede Variation als einzigartig wahrnehmen. Selbst eine einzige Person spricht das Wort bei jeder Wiederholung etwas anders aus. Für einige neurodivergente Menschen ist es schwierig, all diese verschiedenen Aussprachen als denselben Begriff „Auto“ zu erkennen, da sie – zu Recht – immer etwas anderes hören. Hier kann KI unterstützen, indem sie die verschiedenen Aussprachen aufnimmt, sie jedoch konsistent als dieselbe Tonfolge wiedergibt.
Aber im großen gilt für KI: KI fördert den Durchschnitt. Je mehr KI eingesetzt wird, desto mehr werden neurodivergente Menschen mit ihren spezifischen Fähigkeiten marginalisiert, da sie die Welt anders wahrnehmen als neurotypische Menschen. Langfristig könnte sich die Gesellschaft dadurch der speziellen Fähigkeiten neurodivergenter Menschen berauben.
Hier auch die in Zimpels Vortrag erwähnte Buchempfehlung: „Unmasking AI. My Mission to Protect What Is Human in a World of Machines“ von Joy Buolamwini,
Pragmatischer Ansatz: KI in Bezug auf Urheberrecht
In einem Vortrag erläuterte Joerg Heidrich, Justiziar des Heise Verlags, wichtige Aspekte des Urheberrechts im Zusammenhang mit KI-generierten Inhalten. Nach deutschem Recht sind Inhalte, die von Künstlicher Intelligenz erzeugt werden, in der Regel nicht urheberrechtlich geschützt, da das Gesetz einen menschlichen Urheber voraussetzt. Dieser Standpunkt wird von Juristen weitgehend geteilt. KI-generierte Inhalte sind also frei nutzbar. Füge ich beispielsweise KI-generierte Grafiken in einen Text ein und mache dies kenntlich, kann jeder diese ohne Verstoß gegen das Urheberrecht übernehmen.
Heidrich wies darauf hin, dass KI sowohl Segen als auch Fluch sein kann. Während von KI erzeugte Grafiken und Texte aufgrund fehlender urheberrechtlicher Schutzfähigkeit frei verwendet werden dürfen, entstehen rechtliche Grauzonen bei sogenannten „Mischwerken“, die sowohl menschliche als auch maschinelle Beiträge enthalten. Eine der zentralen Fragen ist hierbei, ab welcher menschlichen Beteiligung diese Werke unter das Urheberrecht fallen und wie genau diese Beteiligung nachgewiesen werden kann.
Kleiner Fund am Rande: Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. erteilte an seinem Stand die KI-Guidelines, die es für sich entwickelt hat.
Sozialethische Dimension im Umgang mit Daten und Technologie
Im Folgenden Links oder eingebette Videos zu einigen Vorträgen, die interessante Impulse geben oder Hintergrundwissen darlegen.
Europäischer Digital Serice Act (DSA)
Der DSA verpflichtet auf Einhaltung europäischer Werte, nun geht es um deren Durchsetzung gegenüber größtenteils amerikanischen und auch chinesischen Tech Companies.
Unboxing Amazon
Maja-Lee Voigt zeigt auf, welche Folgen es hat, wenn ein privates Unternehmen wie z.B. Amazon öffentliche Infrastruktur übernimmt.
Digitale Gegenwelt
Stefan Mey zeigt auf, wie Wikipedia, Mastodon und freie Software ein freieres und freundlicheres Internet entstehen lassen können. Hier das Handout des Vortrages.
Datenkolonialismus
Bei Datenklonialsmus geht es nicht um Landraub, sondern darum, menschliches Leben durch Datenübernahme zu bestimmen.
TikTok, Demokratie und Rechtsextremismus
TikTok hat sich als bedeutende Informationsquelle etabliert, wie jüngst während des Konflikts im Nahen Osten deutlich wurde. Dennoch ist die App aufgrund ihrer Verbindungen zu China und wiederholter Datenschutzprobleme umstritten. In den USA wird bereits über ein mögliches Verbot debattiert. Sollte die Europäische Union ebenfalls Maßnahmen ergreifen, um den Einfluss von TikTok zu regulieren?
Verloren in einer Vielzahl von Plattformen: Die zersplitterte Netzgemeinde
In den Anfangszeiten der re:publica diente Twitter als zentraler digitaler Treffpunkt. Heute jedoch findet sich die Netzgemeinde nicht mehr an einem einzigen Ort, sie über eine Vielzahl Plattformen wie Mastodon, Threads, Bluesky, Instagram, TikTok und LinkedIn verstreut. Nach Elon Musks Übernahme begann ein Emigration von Twitter bzw. X auf verschiedene Dienste. Statt einfach nur nostalgisch sich nach einer vergangenen Ära vor Elon Mask zu sehnen, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die User*innen für die Zukunft ziehen.
Own Your Media: Das Fediverse als eigene Plattform
Elon Musks Twitter-Übernahme machte deutlich, wie wichtig es ist, unabhängige und eigene Medienkanäle zu pflegen. Websites und Blogs sind dabei wichtiger denn je, um Inhalte selbst zu kontrollieren und zu verbreiten.
Sascha Foerster beleuchtete das Fediverse als das zukünftige freie Social Web aus lokaler Perspektive des Mastodon-Accounts bonn.social, einer Plattform mit zurzeit 1390 Accounts und 13 GB an Daten, die ein werbefreies und algorithmusfreies Nutzererlebnis verspricht. Statt Social-Media-Silos setzt das Fediverse auf offenen Protokollen und freie Software, die eine unabhängige digitale Kommunikation fördern.
Auch Plattformen wie Threads setzen bereits auf ActivityPub, das offene Protokoll des Fediverse, selbst ein Blog auf WordPress lässt sich über ein Plug-in ins Fediverse integrieren. Das Fediverse ermöglicht es den Nutzer*innen, ihre Kontakte selbst zu verwalten, ohne Kontrollverlust oder von algorithmischen Timelines bestimmt zu werden. Das Fediverse bietet Resilienz und reduziert Hass sowie Moderationsaufwand. Es hat jedoch mit Herausforderungen wie der Finanzierung zu kämpfen, trotz einer wachsenden Nutzerzahl von etwa 10 Millionen. Trotz der technischen und ethischen Vorteile fehlt es im Fediverse noch an Influencer*innen, die eine größere Anziehungskraft auf das breite Publikum ausüben könnten.
BTW: Freie Software ist für jede*n nutzbar, ein Beispiel für die Nutzung von Fediverse-Technologie ist Trumps Plattform Truth Social, das eine angepasste Version der Mastodon-Software nutzt.
Das sich wandelnde Landschaftsbild der sozialen Medien zeigt, dass die Kontrolle über die eigenen Medien und die Wahl einer plattformübergreifenden Strategie immer wichtiger werden.