Erstmalig wurden zwei Online-Gemeinden auf der Konferenz vorgestellt, die sich als offizielle Gemeinden ihrer Kirche verstehen. www.i-church.org ist eine Online-Gemeinde des anglikanischen Bistums Oxford. i-church ist als Kommunität aufgebaut und wendet die benediktinischen Mönchsregeln für den Aufbau der Gemeinde an.
Gegenüber der im Internet häufig vorkommenden Unverbindlichkeit setzt i-church darauf, dass Gemeindemitglieder verbindlich miteinander ihr Leben teilen und sich in ihrem Umfeld sozial engagieren. Die Website ist einfach gehalten, der Austausch der Gemeindeglieder erfolgt über Email und Foren.
Die Cyber-Gemeinde der dänisch-lutherischen Volkskirche ist unter www.cyberkirken.dk abrufbar. Die dänische Online-Gemeinde setzt auf modernste Technik. Über Webcam und Mikrofon kann man mit Webpastorinnen und -pastoren Verbindung aufnehmen, die zeitweise in der Cyberchurch Dienst tun, sonst aber in ganz normalen Kirchengemeinden arbeiten.
Die Technik ermöglicht der dänischen Online-Gemeinde, allen Gemeindegliedern ein virtuelles Gemeindehaus zur Verfügung zu stellen. In dem Haus gibt es verschiedene Gruppen, die sich zu bestimmten Zeiten treffen.
Vor zwölf Jahren waren dies Schlagzeilen von der Europäischen Christlichen Internet-Konferenz (ECIC), die sich 2005 zum zehnten Mal in Rom traf. Als dieses Jahr auf der ECIC in Warschau Vertreter der Kirche von Schottland eine schottische Internetgemeinde vorstellten, war dies nichts Außergewöhnliches mehr. Sanctuary First – so der Name der Gemeinde – zeigt, dass Online-Gemeinden in der Mitte des kirchlichen Lebens angekommen sind.
In den zwölf Jahren hat sich einiges verändert, anderes ist gleich geblieben. Die dänische Cyber-Kirche gibt es so nicht mehr, die Webanschrift verweist auf eine Seelsorge-Seite (Sjaelesorg Nu Seelsorge jetzt). i-church gibt es weiterhin innerhalb der Diozöse von Oxford, und auch äußerlich hat sich diese Gemeinde nur wenig verändert, da E-Mail und Foren die Hauptkommunikationskanäle sind.
Sanctury First
Während die dänische Cyberkirken ein Experiment internetbegeisterter Pastoren war und i-church der Versuch, eine Online-Community als verbindliche benektinische Gemeinschaft zu etablieren, an der Menschen auch aus geographischer Distanz teilnehmen können, sind die Zielgruppe von Sanctury First Menschen, die den Weg in ihre Ortgemeinde nicht mehr finden. Sanctuary First will Menschen erreichen, die mit Kirche fertig sind (who are done with church) und ihnen neue Möglichkeiten der Partizipation schaffen, Online-Gemeinde quasi als Gemeindeaufbau. Das Internet dient als niederschwelliges, aber nicht ausschließliches Kontaktmedium. Neben Online-Beteiligung gibt es auch „touching places”, wo Interessierte beispielsweise in Café zur Bible Study oder einem Treffen mit Albert Bogle, dem ersten „digitalen Pfarrer”(digital minister) der Kirche von Schottland eingeladen sind, der seine Rolle darin sieht, Menschen zu erreichen, die in kirchliche Gebäude nicht mehr kommen:
“My role is about helping to provide an online community for those who have left the buildings and committee structures far behind but not the Church.”
Sanctuary First versteht sich als als Ergänzung zu den örtlichen Gemeinden und sucht deren Kooperation. So macht Sanctuary First eigene Angeboten zum geistlichen Leben auf seiner Website, sucht aber auch gleichzeitig Ortsgemeinden, die ihre Gottesdienste live streamen wollen. So können sich Mitglieder von Sanctury First den Gottesdienst aus ihrer Region aussuchen, der zu ihnen passt. Das Streamen von Gottesdienst-verändert aber auch die Ortsgemeinde, indem es eine neue Beteiligungskultur fördert. Gemeindeglieder die an der Gottesdienstteilnahme aus den verschiedensten Gründen verhindert sind, können online mit dabei sein, da das Internet außerdem einen Rückkanal bietet, fließt ihre Beteiligung auch wieder in die vor Ort versammelte Gemeinde zurück. Sanctuary First ist zunächst auf drei Jahre angelegt, die Finanzierung des digitalen Pastors ist für diese Zeit sichergestellt.
Während es im angelsächsichen Raum (i-church in England, Sanctuary First in Scotland, Extravagance bei der United Church of Christ in den USA nur als Beispiele) verschiedene Versuche des Aufbaues einer Online-Gemeinschaft gibt, die mit Gemeinden vor Ort vernetzt sind, ist man in Deutschland vorsichtiger und setzt zunächst auf Bemühungen, Gottesdienste interaktiv zu gestalten (beispielsweise Social Media Gottesdienste in der rheinischen Kirche oder das Sublan-Projekt in Hessen-Nassau.
Europäische Christliche Internet-Konferenz
Die ECIC – seit 1996 treffen sich Internetbeauftragte und Internetinteressierte aus europäischen Kirchen jährlich zu dieser Konferenz – ist daher immer eine gute Reflexionsmöglichkeit, wie sich europäische Kirchen im Netz bewegen. Dieses Jahr tagte die Konferenz in Warschau vom 25.-28. April auf Einladung der evangelischen Kirche der Augsburgischen Konfession in Polen. Neben dem eigentlichen Konferenzthema – dieses Jahr Virtual Reality (VR) –stand der Erfahrungsaustausch und das Vorstellen von Entwicklungen und Projekten in den verschiedenen europäischen Kirchen im Mittelpunkt. 360-Grad-Videos sind ein einfacher erster Schritt, um im kirchlichen Bereich erste Erfahrungen mit VR zu sammeln. Chancen zeigen sich im Bildungsbereich, während VR in anderen Bereichen eine Vielzahl auch theologischer Fragen aufwirft, wobei der technologische Fortschritt schneller zu sein scheint, als der theologische Erkenntnisgewinn, so dass die kirchliche Medienarbeit vor großen Herausforderungen steht.
Pokémon GO
Während in Deutschland in Bezug auf Gaming und Online-Spielen häufig ein Kulturpessimismus herrscht, nehmen skandinavische Gemeinden schneller ihre Chancen wahr. Als der Jugendpfarrer einer schwedischen Gemeinde bemerkte, dass vor seiner Kirche und beim Kirchturm zwei PokeStops liegen, für Pokémon GO-Spielerinnen und –spieler besonders attraktiv, da sonst nirgendwo in der Kleinstadt zwei Stopps so nah beieinander liegen, nutzt er dies, um Kindern und Eltern regelmäßig Getränke anzubieten und so eine offene Kirche zu zeigen.
Pray as you go
Aus deutscher Perspektive auch interessant: „Pray as you go” bietet täglich einen Podcast an, Zielgruppe sind Pendlerinnen und Pendler, die sich einen geistlichen Start in den Tag wünschen. Diese Podcasts werden mit relativ bescheidenen Mitteln produziert, wann man sie mit den Morgenandachten auf den verschiedenen Senderketten im deutschen Radio vergleicht. Auch wenn es die deutschen Morgenandachten als Podcast zum Abruf gibt, ist doch ihr Format (ca 3 Minuten) auf das Hören im Radio angelegt, während ein Pray as you go-Podcast rund zehn Minuten dauert. Der Übergang vom linearen Radio zu On-demand-Angeboten muss auch deren Format verändern.
Wie digital sind die Kirchen Europas?
Resourcen für digitale Medienproduktionen sind sehr unterschiedlich, besonders osteuropäische Minderheitskirchen haben nur geringe Mittel, die sie einsetzen können. Aber die jeweiligen Berichte aus den verschiedenen Ländern haben gezeigt, dass Resourcen alleine nicht entscheidend sind, sondern für gute Projekte es viel wichiger ist, dass Gemeinden und Kirchen bereit sind, sich auf die digitale Gesellschaft einzulassen und deren Chancen zu ergreifen, in diesem Sinne wird es interssant sein, die Entwicklung von Sanctuary First weiter zu verfolgen, inwieweit es gelingt, online Menschen zu erreichen, die den Weg in die Kirche als Gebäude nicht mehr finden.
Eine Antwort zu “Erreicht man über eine Online-Gemeinde neue Zielgruppen? Impulse von der #ECIC22”
[…] St Andrew’s-Gemeinde im schottischen Bo’ness begann, ihre Gottesdienste im Internet zu streamen, so dass Menschen online sich das Gemeindeleben […]