Ein Facebook-Gottesdienst – da sieht Kirche modern aus und erhält gute Schlagzeilen in der Presse: dpa legt vor, evangelisch.de druckt es ab. Am Palmsonntag gab es den ersten (deutschsprachigen) Facebook-Gottesdienst. Katholische Fernseharbeit, katholisch.de und domradio.de übertrugen aus dem Maternus-Haus in Köln eine Andacht. Der Stream wurde auf Facebook eingebunden, Facebook-User eingeladen, Fürbitten und Kommentare zu posten.
Einloggen, anklicken, mitfeiern: Mit dem ersten interaktiven Facebook-Gottesdienst gibt die Katholische Kirche in Deutschland der Botschaft des Evangeliums ein neues Gesicht. Nicht nur mitbeten, sondern auch posten und sich aktiv am Gottesdienst beteiligen. „Der Heilige Geist weht auch im Internet“, sagt Pfarrer Dietmar Heeg von der Katholischen Fernseharbeit in Frankfurt, der durch die Andacht führte. „Warum sollte sich Gemeinde nicht auch online bilden?“ www.kirche.tv
Ich muss gestehen, ich war nicht live dabei. Ich habe mir den Gottesdienst quasi als Konserve heute im Büro angesehen, dazu die ensprechende Facebook-Seite. Das erklärt wohl, warum ich nicht enthusiastisch bin. Ein Gottesdienst lebt von der Gemeinschaft, die ich bei einer Aufzeichnung so nicht habe.
Positiv finde ich, dass Pfarrer Heeg etwas ausprobiert – nur so kann sich auch eine Online-Liturgie entwickeln. Zu Beginn redet er direkt die Gemeinde an, das liturgische Du wird zum Online-Du.
Man merkt allerdings die Herkunft aus der Fernseharbeit. Der ins Netz gestreamte Gottesdienst fühlt sich für mich wie ein Fernsehgottesdienst an – nur etwas einfacher und weniger hochkarätig. Zwei Kameras und ich zähle ein gutes Dutzend Gottesdienstbesucherinnen und -besucher auf den Bänken. Das ist etwas leer, zumindest hebt es kein Gemeinschaftsgefühl, auch ein Gemeindegesang in dieser Besetzung wirkt mickrig.
An mehreren Stellen kommt die nur mit dem Vornamen Sarah vorgestellte Online-Redakteurin vor die Kamera und tritt neben Pfarrer Heeg. Vom iPad verliest sie, was die Facebook-User mitteilen – sie wirkt wie die online eingeholte Stimme des Publikums bei TV-Sendungen.
Ich frage mich: Wer ist die Gemeinde? Die Gottesdienstbesucher vor Ort bekommen von den Online-Stimmen nur das mit, was Sarah verliest. Wie wäre eine Twitterwall gewesen? (Neben Facebook wurde auch zu Feedback über Twitter aufgerufen unter #fbgottesdienst). Sarahs iPad ist quasi die Brücke zwischen Online- und Vorortgemeinde. Hier hätte ich mir mehr Interaktion gewünscht in beide Richtungen.
Durch das Medium Intenet als solches wird ein Gottesdienst nicht automatisch interaktiv. Auch die Menschen in den Bänken hätten zum Mikro gehen können und Fürbitten vortragen können, oder sie hätten selbst ihr Smartphone zücken können. Oder zielt der Gottesdienst eigentlich auf die Facebook-User irgendwo draußen im WWW ab? Sind die Menschen im Maternus-Haus nur deshalb da, damit der Raum nicht leer wirkt? Könnte man einen Gottesdienst streamen, ohne Gemeinde vor Ort, nur mit einem Priester vor der Kamera? (Würden Protestanten dies anders sehen als Katholiken?)
Trotz oder gerade wegen dieser Fragen finde ich es gut, dass Pfarrer Heeg diesen Facebook-Gottesdienst gefeiert hat. Diese Fragen zur Liturgie müssen wir beantworten – und mögliche Antworten findet man nur durch das Ausprobieren. Daher bin ich auch auf eine Auswertung gespannt.
Auch mit der evangelischen Fernseharbeit hatten wir 2006 einen interaktiven Gottesdienst, damals noch über Chat und Forum auf der eigenen Plattform – diese war jedem zugänglich. Leider blieb es in dieser From bei einem einmaligem Versuch. Daher freue ich mich über jeden, der das Thema wieder aufgreift.
Allerdings müssen Gottesdienste öffentlich sein. Bei diesem Facebook-Gottesdienst konnte nur aktiv mitmachen, wer dort registriert ist. Müsste es nicht neben Facebook auch noch eine anderen Kanal zur Partizipation geben – da einige Christinnen und Christen aus gutem Grunde nicht auf Facebook sind?
Ich würde mich freuen, wenn das Experiment weiterginge, ganz im Sinne dieses Retweets:
RT: Gutes Experiment, der #fbgottesdienst. Interaktionsmässig aber sicher ausbaubar!
6 Antworten zu “„Der heilige Geist weht heute auch im Internet“ – auf Facebook hat er sachte geweht”
Ich habe dies für einen Aprilscherz gehalten und daher nicht weiter beachtet.
Ich bin nicht mehr bei Facebook, sonst hätt ich vielleicht mal reingesehen. das Thema beschäftigt mich ja seit längerem schon ein wenig.
Ich frage mich, ob überhaupt ein Video notwendig ist. Vielleicht liegt das daran, daß ich Protestant bin, mit klar reformierter Prägung (Bilder müssen nicht ;))… Daß das bei Facebook stattfindet find ich auch… schwierig, aber zum Austesten dessen, was geht, ist es in Ordnung.
Die Idee mit der Twitter (oder identi.ca?) wall find ich auch nicht schlecht. So könnte man Fürbitten direkt bringen. Dafür kann man unter mständen mehrere stille Zeiten im Ablauf haben, damit auch möglichst viele Nachrichten durchkommen, und man für die beten kann. Sowas könnte vielleicht sowas wie Gemeinschaft afkommen lassen.
Für mich stellt sich immer noch die Frage, ob es technisch irgendwie möglich wäre, per Konferenzschaltung gemeinsam zu singen (gibt wahrscheinlich ein furchtbares Durcheinander, von wegen Latenzzeiten und so), damit käme man noch besser zusammen, so gemeinschaftsmäßig. Womöglich ist es mittelfristig sogar möglich, ne spezielle Gottesdienst-Software zu programmieren, die die Kirche dann auf ihrem eigenen Sevrer hat, und man kann sich da per Facebook, OpenID oder einfach als Gast einklinken (oder twitter, oder oder). Dann kann jeder mitmachen, man muß keine neuen Identitäten anlegen ud ist quasi wiederfindbar, wenn man das will. Oder aber nicht, wenn man das nicht will.
Vielleicht ist es noch ne Idee, zwei verschiedene Twitter/identi.ca wasweißich Kanäle zu benutzen für den Liturgen udn die Gemeinde, so verschwindet der Textteil des Litrgen nicht so schnell bei einer großen Zahl an Teilnehmern, andererseits hat man durch das dauernde Updaten der Gemeindeantworten von jedem EInzelnen auch ein Gefühl von Gruppe und Zusammengehörigkeit… aber jetzt spinn ich schon zu sehr in die Details rein.
Ich hab den Gottesdienst weder live noch als Konserve gesehen. Der kritische Kommentar gefällt mir gut, die Argumente kann ich nachvollziehen.
Nur am Ende ist aus meiner Sicht ein \“Denkfehler\“: Dieser Facebook-Gottesdienst war genauso öffentlich zugänglich wieder jeder andere auch – es gibt aber immer Zugangsbarrieren. Im \“richtigen Leben\“ mag es an der Entfernung oder an der eigenen Gebrechlichkeit liegen, die es Menschen nicht (mehr) ermöglichen, hinzukommen. Viele Grüße, MJ
Ich dachte auch, das sei ein Aprilscherz. Ansonsten paßt hier der sehr gute Kommentar von Joachim happel woanders hier im Blog:
\“Ich verstehe Facebook als Marktplatz, auf dem sich Menschen, Gruppen und Verkäufer inszenieren. Und natürlich muss auch der Pastor dort zu finden sein. Skeptisch sehe ich jedoch Versuche, Facebook selbst zum Tempel oder dessen Vorhof machen zu wollen, nicht nur wegen der Händler. \“
Genauso sehe ich das.
[…] Katholische Fernseharbeit […]
[…] und versammelter Gemeinde ist schwierig – dies hat für mich nicht zuletzt der erste Facebook-Gottesdienst der katholischen Fernseharbeit […]