Facebook ist kein Wohlfahrtsverband und Google war es auch nicht

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Die öffentliche Diskussion über Datenschutz drehte sich letzte Woche um Facebooks neue Datenschutzbestimmungen. Durch ein einfaches Einloggen in Mark Zuckerbergs Netzwerk akzeptiert man die neuen Datenschutzbestimmungen, Punkt. Take it or leave it. Teilweise widersprechen geht nicht, es bleibt nur die Alternative: Mitmachen oder sich bei Facebook abmelden.
Natürlich kann man die Konsequenzen der neuen Datenschutzrichtlinien etwas abmildern, indem man detailierte Einstellungen vornimmt oder man in Zukunft mit unterschiedlichen Browsern operiert, einen für Facebook und einen für den Rest des Internet. Was auf dem Desktop vielleicht noch gehen mag, ist zu umständlich auf dem Smartphone. Die Frage ist, bleibe ich bei Facebook oder verlasse ich das Netzwerk – und die muss jeder und jede für sich selbst beantworten.

Scheinheilige Empörung

Am meisten hat mich bei der Diskussion die Empörung über Facebook gestört und gleichzeitig auch überrascht. Schon lange war erschreckend genaue Zielgruppenwerbung auf Facebook möglich. Diese kann es nur geben, wenn Menschen ihre Vorlieben und ihr Verhalten preisgeben. Dies wird in Zukunft noch genauer möglich sein, für mich ist dies aber eher ein quantitatives denn ein qualitatives Novum. Seit dem Börsengang war doch jedem, der es wissen wollte klar, dass Facebook kein Wohlfahrtsverband ist, sondern für die Shareholder Gewinn abwerfen muss. So wie Facebook aufgestellt ist, geht und ging das nur durch Werbung, wobei Facebook seine Methoden permanent verbessern musste, um die Erwartungen zu erfüllen. Je mehr Facebook über seine User weiß, desto besser kann es Werbung platzieren und desto interessanter wird es für Unternehmen, die dort Werbung schalten. Wer ein Gratis-Angebot nutzt, bezahlt mit seinen Daten, das ist mittlerweile eine Trivialität, aber deswegen stimmt es nicht weniger. Wer nicht wusste, dass er Facebook mit seinen Daten füttert, hat sich etwas vorgemacht bzw. die Realität verdrängt. There’s no such thing as a free lunch. Wir bezahlen – mit unseren Daten.

Monopole und Rechtsordnung

Beim weltweiten Netz stellt sich natürlich die Frage, welche Rechtsordnung gilt, denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum. So fordert Bundesjustizminister Heiko Maas:

„Das ‚Marktortprinzip‘ muss fest in der Datenschutzgrundverordnung verankert werden: Alle Unternehmen, die EU-Bürgern Leistungen anbieten, sollten an europäische Datenschutzstandards gebunden sein, auch wenn sie keine Niederlassung in der EU haben.“

Bei den unterschiedlichen Rechtskulturen dies- und jenseits des Atlantiks halte ich diese Forderung für sinnvoll, fraglich jedoch, ob sie sich durchsetzen lässt. Facebook hat bei sozialen Netzen eine marktbeherrschende Stellung und stellt ein Monopol dar. Gäbe es mehrere Netzwerke, die über Systemgrenzen miteinander kommunizieren, könnte Wettbewerb greifen. Nutzer könnten sich entscheiden, wem sie ihre Daten anvertrauen, Datenschutzstandards wären ein Faktor, sich für das eine und gegen das andere Soziale Netzwerk zu entscheiden. Fairer Wettbwerb ist auch ein wichtiger Aspekt in der amerikanischen Wirtschaft, im Telekommunikationsbereich wurde 1984 Ma Bell zerschlagen und in verschiedene Telefongesellschaften aufgesplittet. Warum sollte dies nicht auch bei einem Sozialen Netzwerk versucht werden?

Gmail war der Sündenfall

Bei Diskussion um Facebooks Datenschutzbestimmungen fiel mir das Kapitel zu Gmail in der Google Story ein. David Vise beschreibt (S. 154ff), wie Larry Page und Sergey Brin Gmail planten. Damit Google Mailservices von Anfang an profitabel sein könne, wurde die Mailbox gescannt, um relevante Werbung einblenden zu können. Für die beiden Google-Gründer war das automatisierte Mitlesen der Mails zu Werbezwecken kein Problem. Sie waren so von Gmail angetan, dass sie nichtmals verstehen konnten, das für einige Nutzer diese Verletzung der Privatsphäre ein Probelm darstellte. Das war 2004 – Gmail ist immer noch am Markt und nur noch wenige stören sich überhaupt noch, dass private Mails Grundlage für Werbung werden. Für mich zeigt Gmail, welche Einschränkungen in der Privatspäre Nutzer zu aktzeptieren bereit sind, wenn sie gratis ein entsprechendes Produkt erhalten. In diesem Sinne war Gmail der Sündenfall, die Datenschutzbestimmungen von Facebook sind nichts anderes als eine Fortsetzung, was mit Gmail begann.
Allerdings besteht ein Unterschied, es gab und gibt viele andere Email-Provider, es gibt Wettbewerb unter den Dienstleistern und die Verbraucher können zwischen ihnen wählen. Es gibt auch Anbieter, die sich nicht mit Daten, sondern mit Geld bezahlen lassen.
In einer freien Gesellschaft muss es natürlich Unternehmen möglich sein, Gratisprodukte auf den Markt zu werfen, deren Geschäftsmodell es ist, über Werbung aufgrund von Nutzerdaten Geld zu verdienen. Allerdings sollte es in einer freien Gesellschaft auch keine Monopole geben, die fairen Wettbewerb verhindern. Zurzeit gilt aber in Bezug auf Facebook: Wer nachdenkt weiß, womit er bei Facebook bezahlt und jeder muss für sich entscheiden, ob er bereit ist, diesen Preis zu bezahlen.

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4 Antworten zu “Facebook ist kein Wohlfahrtsverband und Google war es auch nicht”

  1. Ich teile weitgehend deine Auffassungen und merke, ich bin noch nicht an dem Punkt mich abzumelden. Was ich versuche ist, mich technisch mehr davor zu schützen, dass Facebook (oder Google) mein Surfverhalten insgesamt ausspionieren. Für mich ist es schon ein Unterschied, ob ein Unternehmen, die Daten, die ich ihm freiwillig überlasse, dazu nutzt, gezielt Werbung zu schicken oder ob es versucht, möglichst viel meines Surfverhaltens zu erfassen – und ich kann ja nicht sicher sein, dass Werbung der einzige Zweck dieser Datensammlung ist.

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