Bildung braucht OER und Freie Software

Wie beschwerlich Digitalisierung in der Schule ist, kenne ich als Elternvertreter in der Schulpflegschaft. Der Anschluss ans Glasfasernetz wurde wieder um ein Jahr verschoben; acht Jahre alte PCs mit 2 Gigabyte Hauptspeicher stehen im Informatikraum, zwei Schüler:innen müssen sich einen Rechner teilen. Die Stadt als Schulträgerin vertröstet immer wieder, ohne das sich etwas verändert.

Mit großer Erwartung ging ich zur didacta. Ich war gespannt, wie Digitalisierung im Bildungsbereich heute aussehen könnte. Umso überraschter bin ich, als mein erster Blick in Halle 7 auf Schulplaner in Buchform fällt.

Ist dies nur noch ein Abverkauf gedruckter Restexemplare oder gibt es tatsächlich noch einen Markt für Schulplaner auf Papier? Digitale Geschäftsmodelle müssen anscheinend die ausstellenden Verlage noch finden. So entdecke ich auch den Stand eines Verlages, der neben gedruckten Büchern auch PDF-Dateien zum Kauf anbietet.

Digitale Daten gegen Bargeld zu verkaufen, auch so sieht Digitalisierung im Bildungswesen heute aus. Geschäftsmodelle aus dem stationären Buchhandel werden auf Daten übertragen. Digitalisierung muss anders gehen, wenn sie erfolgreich und nachhaltig sein soll.

Open Educational Resources: Fehlanzeige auf der didacta

Wenn Bildungsinhalte digital vorliegen, gibt es andere Wege der Distribution. Open Eduactional Resources (OER) stellt eine Möglichkeit dar, Bildungsinhalte frei zu teilen und verfügbar zu machen. Das stellt jedoch das traditionelle Geschäftsmodell der Verlage in Frage, sie müssen andere Wege der Finanzierung finden. Ich habe das Programm der didacta mithilfe der Suchfunktion in der didacta-App durchsucht, aber keine Stichwort dazu gefunden. Nur als ich die Suche auf Interessen der Besucher:innen ausdehnte, fand ich einen Aktivisten.

Open Source: Unbekannt Kaum bekannt

Neugierig dehnte ich die Suche auch auf Open Source aus, aber auch hier kein Treffer im Programm der didacta oder unter den Aussteller:innen. Nimmt man die didacta als Maßstab für das deutsche Bildungswesen, scheinen Freie Software und OER kein Thema für die Digitalisierung des deutschen Bildungswesens zu sein. Passend dazu auch Halle 6: Lauter Stände von Aussteller:innen, die ihre jeweiligen Schulplattformen vertreiben wollen. Die Halle 6 ist der Ausstellungsort für Anbieter:innen von Software. Dort haben auch die Teckids e.V., die sich für Freie Software im Bildungsbereich engagieren, einen Stand. Leider ist dieser nicht mit dem Stichwort Open Source getaggt und daher in der didacta-App darüber nicht auffindbar. Dominant sind die kommerziellen Anbieter:innen für Schulsoftware, Während die Verlage nach digitalen Geschäftsmodellen noch suchen („PDF-Verkauf“), bemühen sich Software-Häuser darum, ihre jeweiligen proprietären Plattformen an die Schulen zu bringen. Freie Bildungsinhalte und Freie Software kommen dabei nicht kaum vor.

Einer der Ausstellungsstände für digitale Schulplattformen

Aufschlussreich eine Diskussionsveranstaltung: „Kooperation oder Konfrontation? Wie Wirtschaft und Staat die Entwicklung der Schulplattformen vorantreiben“.

Wie können Bildungsprozesse mit Hilfe von digitalen Lernplattformen gestärkt werden? Welche Anforderungen stellt die Praxis? Wie können private und öffentliche Anbieter diese Anforderungen im Sinne der Schülerinnen und Schüler bestmöglich erfüllen? Wo ergänzen sich die Angebote, wo ist mehr Abgrenzung gefragt?

Panel-Diskussion

Auf dem Panel sitzen ein CDU-Digitalpolitiker, ein Geschäfsführer eines IT-Unternehmens und eine Schulleiterin. Sie kritisieren, dass Bundesländer eigene Plattformen bereitstellen, anstatt dies der Wirtschaft zu überlassen. Namentlich in der Kritik seitens des IT-Unternehmers: Logineo, die Lernplattform aus NRW. Politik und Bildungswirtschaft sind sich einig, dass die verschiedenen Schultplattformen „interoperabel“ sein müssen, in der Diskussion fallen sogar die Worte LDAP und SAML, worüber Portale miteinander verbunden werden könnten, aber keinmal fiel das Wort Open Source.

Auf der Homepage preist sich die didacta als „die Fachmesse für alle Bildungsperspektiven“ an und erläutert:

Einblick, Überblick, Ausblick – die didacta ist führende Fachmesse und Weiterbildungsveranstaltung für das gesamte Bildungswesen. Von der frühkindlichen Entwicklung über die berufliche Bildung bis hin zum lebenslangen Lernen: Die Bildungsplattform vereint wie keine andere die gesamte Bandbreite moderner Bildungs- und Lernangebote.

Weg frei für die Bildung der Zukunft: Freuen Sie sich auf den Austausch mit einem Fachpublikum aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

Hätte ich vor dem Besuch der Diskussionsveranstaltung ins Kleingedruckte gesehen, hätte ich lesen können, dass der Didacta Verband e. V. Verband der Bildungswirtschaft der Veranstalter dieses Panels war, in seiner Satzung heißt es zum Verbandszweck:

Der Verband ist eine Interessengemeinschaft der in der Bildungswirtschaft tätigen Unternehmer […] mit Sitz in der Europäischen Union und der Schweiz. Der Verband versteht sich zugleich als Fachverband für Bildung. Dem Verband obliegen die Förderung und der Schutz der Wirtschafts- und Berufsinteressen seiner ordentlichen Mitglieder.

Digitalisierung im Bildungswesen braucht auch OER und Freie Software

Open Educational Resources und Open Source Software sind nicht die alleinige Lösung für die Digitalisierung des Bildungswesens, aber die Digitalisierung der Bildung nur Unternehmensinteressen zu überlassen, greift ebenso zu kurz. Wenn auf der didacta Diskurse geführt werden sollen, ist es wichtig, dass auch Advokat:innen für OER und Freie Software vertreten sind. Ich hoffe daher, dass bei der nächsten didacta auch diese Stimmen präsenter sein werden.


Korrektur: Durch einen Kommentar wurde ich auf die Teckids aufmerksam gemacht und habe den Text korrigiert, die Korrekturen sind durch Durchstreichen und Unterstreichen kenntlich gemacht.

Nachtrag 11. Juni: Heute eine Postkarte im Briefkasten von schul-frei.dev.

Open Source auf der Didacta
Open Source auf der Didacta

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3 Antworten zu “Bildung braucht OER und Freie Software”

  1. Ich kenne mich in der Szene nicht aus, aber gibt es neben der didacta vielleicht auch andere Messen? Vielleicht welche, die nicht so vorrangig von Unternehmerinteressen beeinflusst sind?
    Ist vielleicht die Kirche in der Lage, als durchaus nicht kleiner Stakeholder im Bereich Bildung hier einen Gegenpol zu schaffen? Noch wird die Kirche im öffentlichen Diskurs gehört, vielleicht ist es an der Zeit, die Pfunde einzusetzen.

  2. Hallo!

    Ich bitte, den Artikel zu korrigieren – der Teckids e.V. hat mit Partnern wie DigitalCourage einen ganzen Themenstand zu Freier Software und Open Source auf die Beine gestellt, der sehr gut besucht wird und überraschende Entwicklungen auch im Gespräch mit kommerziellen Mitbewerbern aufzeigt oder herbeiführt.

    Man findet ihn nicht unter “Open Source” im Ausstellerverzeichnis, weil die Liste der Schlüsselwörter und Marken begrenzt ist und wir nicht die Leute erreichen müssen, die eh schon gezielt nach dem Stichwort suchen.

    Komm doch mal in Halle 6 an Stand E122 vorbei. Du darfst auch ein schönes Foto von uns machen und bloggen :)!

    • Danke für den Hinweis. Schade, dass die Suche über die didacta-App nicht richtig lief. Ich werde später den Artikel korrigieren. Ich bin leider nicht mehr auf der didacta, aber wenn Ihr ein Foto schickt, nehme ich es gerne fürs Blog

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