Befragungs-Studie: Digitale Gottesdienste weiterhin stark gefragt

„Es gibt für uns keinen Weg zurück in die Vor-Corona-Zeit“, sagt Präses Thorsten Latzel zur Vorstellung der „Studie zu Online-Gottesdiensten 2021. Update der Befragungsstudie Rezipiententypologie evangelischer Online-Gottesdienstbesucher*innen während und nach der Corona-Krise“ (ReTeOG 2). Digitale Gottesdienste sind weiterhin stark gefragt. Mehr als 55 Prozent der knapp 4.500 Befragten gaben an, dass sie auch noch in Monaten, in denen es wieder Angebote in den Kirchen vor Ort gab, regelmäßig an Online-Gottesdiensten teilgenommen hätten. Dieser Wert war zwar vor einem Jahr direkt nach dem allerersten Lockdown mit mehr als 65 Prozent noch etwas höher, doch ist dies immer noch eine deutliche Mehrheit. 79 Prozent wünschen sich aktuell sogar explizit, Online-Gottesdienste auch nach der Corona-Zeit fortzuführen – und zwar am liebsten durch die eigene Kirchengemeinde vor Ort (65 Prozent).

Studie zu Online-Gottesdiensten 2021: Teilnahmeverhalten
Studie zu Online-Gottesdiensten 2021: Teilnahmeverhalten

Wer in Pandemie-Zeiten begonnen hat, beim Bäcker für Brötchen bargeldlos zu bezahlen, wird nach Corona nicht zur ausschließlichen Verwendung von Bargeld zurückkehren. Je nach Bargeldbestand im Porte­mon­naie wir wieder zur Karte oder zu den Münzen greifen. Ähnliches gilt auch für den Kirchgang: Auch wenn Präsenzgottesdienste (wieder) möglich sind, besteht der Wunsch nach digitalen Gottesdiensten weiter.

ReTeOG-Studie bietet Rezipient*innenperspektive auf digitale Gottesdienste

Im Folgenden einige persönliche Schlaglichter auf die ReTeOG 2-Studie. Ich bedanke mich bei Holger Sievert für den sehr intensiven und konstruktiven Dialog bei der gemeinsamen Erarbeitung dieser Studie. Der Dank gilt ebenfalls den Kolleg*innen Katharina Alt, Birgit Arndt, Monika Hautzinger, Kay Oppermann und Evelina Volkmann. Mit ihnen wir in zahlreichen Videokonferenzen das Studienvorhaben geplant und vorangebracht haben. Während die ReTeOG 2-Studie digitale Gottedienste aus Sicht der Gottesdienstbesucher*innen darstellt, zeigt die ebenfalls heute veröffentlichte midi-Vergleichsstudie die Anbieterperspektive seitens der Gemeinden auf. Dass beide Studien gleichzeitig publiziert werden konnten, dafür geht Dank an Daniel Hörsch, der die midi-Studie verantwortet. Für mich ergänzen sich beide Studien gut. Nun aber einige Aspekte aus der ReTeOG 2-Studie.

Kirchgang online und offline gleichen sich an

Studie zu Online-Gottesdiensten 2021: Atmosphäre digitaler Gottesdienste im Vergleich zu Präsenzgottesdiensten
Studie zu Online-Gottesdiensten 2021: Atmosphäre digitaler Gottesdienste im Vergleich zu Präsenzgottesdiensten

Das Besuchsverhalten bei Gottesdiensten digital und vor Ort ähneln sich. Das bezieht sich auf die Atmosphäre im Gottesdienst, aber auch auf die Häufigkeit des Kirchgangs, wie die ReTeOG 2-Studie belegt. In diesem Sinne sind digitale Gottesdienste keine große missionarische Gelegenheit. Andersherum gilt aber: Der Wunsch nach digitalen Gottesdiensten kommt aus der Mitte der Kerngemeinde. Die größte Gruppe der Befragten gabe an, ehrenamtlich in der Gemeinde mitzuarbeiten. Digitale Gottesdienstangebote werden aus der Mitte der Gemeinde nachgefragt und sind keine Bedürfnisse von Randgruppen.

Online-Gottesdienste beibehalten

Wer vorher häufig oder selten Gottesdienste besuche, hat dieses Verhalten auch seit Ausbruch der Pandemie im Wesentlichen so beibehalten. Allerdings haben nur knapp ein Fünftel aller Befragten online z.T. deutlich häufiger an Gottesdiensten teilgenommen haben, als dies vorher präsentisch der Fall war. Außerdem gibt es knapp zwei Prozent, die nur Online-Angebote genutzt haben und vorher nicht an Gottesdiensten vor Ort teilgenommen haben. Es wäre schade, wenn diese beiden Gruppen, die in der Corona-Pandemie den digitalen Gottesdienstbesuch für sich entdeckt haben, nach Ende der Pandemie diesen mangels Gelegenheit wieder reduzieren oder aufgeben würden. Daher ist es sinnvoll, wenn Gemeiden Online-Gottesdienste weiterhin anbeiten.

Gerätevielfalt beachten

Bei der Gerätenutzung ist der Anteil der Fernsehgeräte und Computer/Notebooks im Vergleich zum Vorjahr etwas gestiegen. Dies kommt der Ästhetik des Feierns zugute. Jedoch ist bei Jüngeren weiterhin das Smartphone führend. Deshalb sollten Online-Gottesdienste auf allen Bildschirmgrößen gut aufrufbar sein.

Studie zu Online-Gottesdiensten 2021: Wünsche für digitale Gottesdienste
Studie zu Online-Gottesdiensten 2021: Wünsche für digitale Gottesdienste

Eher live als aufgezeichnet

Gegenüber dem Vorjahr ist der Wunsch nach gottesdienstliche Interaktion gestiegen. Ebenfalls sind weniger von ihnen mit einer reinen Übertragung bzw. Aufzeichnung des Gottesdienstes zufrieden. Da hybride Formate auch live stattfinden, gilt, dass eine große Mehrheit zeitgleich stattfindende Online-Gottesdienste solchen „on demand“ vorzieht.

Ortsgemeinde auch im Digitalen wichtig

Fast drei Fünftel der Befragten haben den digitalen Kirchgang am meisten in ihrer eigenen Ortsgemeinde praktiziert. Rund zwei Drittel wünschen sich ausdrücklich den digitalen Gottesdienst aus der eigenen Gemeinde. Eine regionale Lösung zum Beispiel auf Ebene von Dekanaten oder Kirchenkreisen scheint aus Nutzersicht gegenüber einer lokalen nicht gewünscht zu sein.

Nachfrage und Angebot

Gemeindeglieder haben unverändert ein größes Bedürfnis, auch digital Gottesdienst feiern zu können, so das Update der ReTeOG-Studie. Daher stellt sich für Gemeinden die Frage, wie sie digitale Gottesdienstangebote aufrecht erhalten und wie diese sich zu Präsenzgottesdiensten verhalten. Daher passt es gut, dass heute ebenfalls die midi-Vergleichsstudie „Gottesdienstliches Leben während der Pandemie“ vorgestellt wurde. Die midi-Vergleichstudie führt aus, wie Gemeinden ihre digitalen Angebote ab dem ersten Lockdown entwickelt haben. „Bei den digitalen Gottesdiensten ist ein steter Rückgang nach dem ersten Lockdown zu verzeichnen: ein starkes Abfallen zum Frühsommer und Herbst 2020 hin, der einer Halbierung gleichkam“, so die neue midi-Studie.

Kein Zurück in die Vor-Corona-Zeit

Wenn es kein Zurück in die Vor-Corona-Zeit gibt, müssen Gemeinde und Kirche Wege finden, dass Gemeinden auf die digitalen Bedürfnisse ihrer Mitglieder eingehen. Es gibt für mich dabei keinen Gegensatz zwischen Digitalem und Analogem, sondern Gemeinden müssen sowohl analog als auch digital für ihre Mitglieder da sein.


Hinweis: Die „ReTeOG 2“-Studie steht in einer Kurzversion als PDF-Datei zur Verfügung unter https://www.ekir.de/url/Xhh. Auf „Zeitzeichen, Evangelische Koimmentare zu Religion und Gesellschaft“ ist unter dem Titel unter „Digitale Option. Gemeindemitglieder wünschen sich weiterhin Gottesdienste über das Internet“ eine Kommentierung der Studie abrufbar.

Die midi-Studie kann unter www.mi-di.de/materialien/gottesdienstliches-leben-waehrend-der-pandemie heruntergeladen werden.

Beide Studien (ReTeOG 2 und midi) sind ab heute als epd-Dokumentation 39/2021 erhältlich. Die epd-Dokumentation enthält auch Daten zum Wunsch nach Abendmahlgottesdiensten, Kirchenmusik und Kollekten.

Die ReTeOG-Vorgängerstudie aus dem Jahr 2020 gibt es in einer Kurzversion zum Download, ebenso ist die ausführliche epd-Dokumentation frei als Download verfügbar. Außerdem gibt es zur Studie von 2020 diesen Blogpost. Eine Detailuntersuchung zur Interaktion in Gottesdiensten mit Daten er Erhebung von 2020 wurde im Cursor_ veröffentlicht unter dem Titel: „Interaktion unerwünscht? Online-Gottesdienste während der Corona-Pandemie. Weitere ausgewählte Ergebnisse der Befragungsstudie „Rezipiententypologie evangelischer Online-Gottesdienstbesucher*innen während und nach der Corona-Krise (ReTeOG)“

Außerdem gibt es eine englische Präsentation der Studie mit dem Titel: Church-Goers Wish to Continue with Digital Services in Local Congregations after the Pandemic

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