Digitalisierung: wo wir stehen und worüber wir nachdenken

Digitalisierung (Foto: Katja Anokhina CC BY 4.0 https://www.flickr.com/photos/160200532@N02/40760485892)
Digitalisierung (Foto: Katja Anokhina CC BY 4.0)

Übersicht zur Digitalisierung im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland und ethische Fragestellungen in Bezug auf Digitalisierung

Digitalisierung betrifft die Gesellschaft und damit natürlich auch natürlich auch die Kirche. Im Netz gibt es unter dem Hashtag #digitaleKirche eine breite Diskussion dazu. Für die EKD-Synode im November dieses Jahres wird es eine Vorlage für eine Digitalstrategie geben. Digitalisierung vollzieht sich ebenenübergreifend und als Querschnittsthema in der evangelischen Kirche, wichtig ist daher, die verschiedenen Prozesse und Projekte aufeinander zu beziehen und abzustimmen. Daher im Folgenden eine kurze Darstellung, wo und wie sich Digitalisierung in der Evangelischen Kirche im Rheinland vollzieht.
Weil Kirche aber nicht nur Akteurin in Bezug auf Digitalisierung ist, sondern es nach eigenem Selbstverständnis auch ihre Aufgabe ist, die gesellschaftliche Wirklichkeit durch ethische Reflexion zu begleiten, kommen nach der Darstellung, wie die evangelische Kirche im eigenen Bereich Digitalisierung gestaltet, ethische Erwägungen zur Digitalisierung.

Stand der Digitalisierung und Digitalisierungsprojekte

IT-Portal und IT-Strategie

In 2016/2017 setzte die Evangelische Kirche im Rheinland ein IT-Portal für alle haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende auf, dessen zentrale Infrastruktur ein Identitätsmanagementsystem ist. Innerhalb des Portals werden für die Mitarbeitenden die jeweils benötigten Fachapplikationen bereitgestellt. Allen stehen zur sicheren Collaboration entsprechende Werkzeuge (Groupware und Cloudspeicher) zur Verfügung.
Gemäß der landeskirchlichen IT-Strategie mit der Präferenz für Freie Software (Open Source Software) setzt das Portal auf Freie Software in der Umsetzung. Gerade für Gemeinden bedeutet das Portal, dass nun digitale Werkzeuge zur Verfügung stehen, die eine datenschutzkonforme Nutzung digitaler Technik für verschiedene Einsatzmöglichkeiten erlaubt und die Vernetzung innerhalb der Landeskirche fördert. Gerade in der Diskussion um Datenschutz und DSVGO beziehungsweise EKD-Datenschutzgesetz ist es wichtig, dass Datenschutz nicht als Einengung der kirchlichen Arbeit bei Mitarbeitenden wahrgenommen wird, sondern dass von der IT digitale Werkzeuge bereitgestellt werden, die Mitarbeitenden das Arbeiten erleichtert und das Einhalten des Datenschutzes einfach macht.
Im Rahmen des Portals ist auch ein Intranet für alle Mitarbeitenden aufgesetzt.

OER im Bildungsbereich

In 2013 begann ein Diskussions- und Konsultationsprozess zu Freien Bildungsinhalten / Open Educational Resources (OER), der auf landeskirchlicher Ebene zu einer Dienstvereinbarung führte. Die Evangelische Kirche im Rheinland hat beschlossen, die Erstellung offener Bildungsinhalte zu fördern und deren Verbreitung zu unterstützen. Mit der Unterzeichnung einer Dienstvereinbarung im November 2017 setzt die rheinische Kirche als erste EKD-Gliedkirche dies auch konkret um, indem sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erweiterte Nutzungsrechte einräumt. Ab jetzt dürfen in der Arbeitszeit und im Arbeitsauftrag erstellte Lerninhalte von Mitarbeitenden unter einer freien Lizenz eigenständig verbreitet werden. Im September dieses Jahres beschloss der Ausschuss für Erziehung und Bildung eine OER-Richtlinie, diese wird der Kirchenleitung zur Beschlussfassung vorgelegt.

Social Media

Gemeinsam mit der westfälischen und lippischen Landeskirche hat die rheinische Kirche Social Media Guidelines bereits 2013 entwickelt, die beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitende ermutigen, soziale Netzwerke für den kirchlichen Dienst zu nutzen, entsprechende Fortbildungen werden seitdem angeboten. Diese Leitlinien sind unter www.smg-rwl.de abrufbar und wurden auch von der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern übernommen. Die Entwicklung dieser Guidelines geschah über Round-Table-Veranstaltungen und über ein offenes Online-Dokument, an dem kirchlich Interessierte aus der Community gemeinsam arbeiteten, der so erarbeitete Text ging dann in die Gremien, wurde rechtlich geprüft und von der Kirchenleitung beschlossen

Barcamps

Zur Bekanntmachung und Diskussion der Social Media Guidelines wurde 2014 ein Barcamp veranstaltet, in Kooperation mit der westfälischen und lippischen Landeskirche fand im September dieses Jahres zum fünften Mal das Barcamp Kirche Online statt, das sich über die drei beteiligt Landeskirchen hinaus bundesweit zu einem Treffpunkt für an digitalen Themen Interessierte im Raum der Kirche entwickelt hat. Erstmalig gab es dieses Jahr im Vorfeld des Barcamps ein evangelisches Bloggertreffen in Kooperation mit der Evangelischen Akademie im Rheinland.
Aus dem Barcamp heraus entstand auf landeskirchlicher Ebene in Kooperation mit der Evangelischen Akademie zum Themenbereich Digitalisierung unter dem Titel „Digitale Souveränität“ eine Veranstaltungsreihe, die sich inzwischen etabliert hat mit einer Frühjahrs-  und Herbsttagung. Auf der Frühjahrstagung 2018 wurde erstmalig ein Preis der Evangelischen Kirche für digitale Medien vergeben.

Digitale Verkündigung und Seelsorge

Verkündigung gehört zum ureigenen Auftrag der Kirche, auch hierfür prägen sich entsprechende neue Formen aus. Mit der #microandacht wurde für Facebook ein Verkündigungsformat entwickelt, das verkündigende Impulse gibt und zum Teilen geistlicher Inhalte einlädt. Dies geschah in Zusammenarbeit mit auf Social Media aktiven Pastorinnen und Pastoren anderer Landeskirchen. Mit „Twittergottesdiensten“ wurden die Möglichkeiten der Nutzung sozialer Medien im Gottesdienstgeschehen erkundet. Bei zwei Twittergottesdiensten (auf dem Kirchentag bzw. im Rahmen der 95 Gottesdienste im Reformationsjahr), die ins Fernsehen und Internet gestreamt wurden, konnten sowohl die dem Stream folgenden Zuschauerinnen und Zuschauer als auch die vor Ort versammelte Gemeinde sich per Twitter beteiligen, und so direkt zur Predigt beitragen und teilweise sehr persönliche Fürbitten direkt in den Gottesdienst einbringen. Diese exemplarischen Erfahrungen aus partizipativen Internet-Gottesdiensten können nun in das Gemeindeleben vor Ort eingebracht werden.
Bereits seit über 15 Jahren bietet die Evangelische Kirche im Rheinland Chatseelsorge gemeinsam mit der Landeskirche Hannovers an.

Medien

Die evangelische Kirche nutzt selbst digitale Medien für ihre Mitgliederkommunikation, außerdem engagiert sie sich über ihre Gremienmitgliedschaften (Landesmedienanstalt etc.) im Bereich Rundfunk ihre medienethische Verantwortung wahr.

Ethische Fragestellung durch die Digitalisierung

Digitalisierung droht zu einem Modewort zu werden, das für die einen für Fortschritt, der unsere menschliche Zukunft sichert, steht, während andere in der Digitalisierung ein Übel sehen, dass den Menschen der Technik und Verfügbarkeit unterordnet. Bei einer ethischen Beurteilung ist es daher wichtig, sachlich zu bleiben und sich nicht von phantastischen Utopien (im Silicon Valley gibt es beispielsweise Projekte, die versuchen, das Altern zu überwinden) oder Horrorvision (Computer haben durch künstliche Intelligenz die Macht übernommen und versklaven die Menschheit) leiten zu lassen.
Gleichzeitig sind wir Zeuginnen und Zeugen der Digitalisierung und keine externen Beobachterinnen und Beobachter. Da sich die Technik kontinuierlich fortentwickelt, wohnt jeder ethischen Bewertung eine Vorläufigkeit inne, da sich die zugrundeliegende Technik stetig verändert.
Viele (sozial)ethische Diskussionen gab es bereits vor Beginn der Digitalisierung, wenn auch vielleicht nicht so ausgeprägt. Rationalisierung in der Arbeitswelt und die Unterordnung des Menschen unter maschinelle Betriebsabläufe gibt es nicht nur durch Chips und KI (Künstliche Intelligenz), sondern bereits seit Henry Ford das Fließband in der Produktion einführte. Monopole oder Quasi-Monopole gibt es nicht erst seit Apple und Google den Smartphone-Markt – und im Falle von Google auch den Suchmaschinenmarkt – dominieren, sondern auch im Bereich der Telefonie und Elektrizitätsversorgung. Die Frage lautet daher, wie und nicht ob sich Regulierung übertragen lässt und welche Infrastruktur im Rahmen staatlicher Daseinsvorsorge garantiert werden muss, ob High-Speed-Internet genauso wichtig ist wie Wasser- und Stromversorgung. Die Digitalisierung unserer Gesellschaft stellt daher viele Fragen mit neuer Vehemenz, die sozialethische Diskussion müssen wir daher auf die konkrete Fragestellung anpassen, wir fangen aber in der ethischen Bewertung nicht bei Null an, sondern können auf Bewährtes zurückgreifen.
Was können wir als Kirchen in den ethischen Diskurs zur Digitalisierung einbringen? Das christliche Menschenbild – und zwar nicht im Sinne einer Dogmatik. Als Kirche sagen wir, was Menschsein für uns bedeutet und bringen dies auf Augenhöhe in den gesellschaftlichen und ethischen Diskurs ein. Aus dem christlichen Menschenbild leitet die theologische Anthropologie ab, dass jeder Mensch eine Privats- und Intimsphäre hat, die dem Einblick Dritter entzogen bleiben soll. Daraus lässt sich natürlich der Datenschutz ableiten und die Forderung, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben muss, Datenerfassung im Privatbereich abschalten zu können. Wenn wir aus unserem Verständnis des christlichen Menschenbildes von Autonomie und Selbstbestimmung des Menschen ausgehen, dann gilt dies auch im Umgang mit Daten, Datensouveränität ist daher für uns wichtig.
Auch in der Sozialethik wollen wir uns einbringen. Wenn es weniger Arbeit gibt, geht es um deren Verteilung. Wenn IT-Unternehmer in Gesprächen dazu anregen, über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachzudenken, sind das Diskussionsansätze, die weiterer Überlegung bedürfen.
Vordringlich sind jedoch Diskussionen um die Plattformökonomie. Google, Apple, Netfix, Spotify, Airbnb und Uber sind amerikanische Plattformen, bei denen Wertschöpfung und Gewinn in amerikanischer Hand bleiben. Was bedeutet Uber für das deutsche Taxigewerbe und Taxifahrerinnen und –fahrer, was Airbnb für deutsche Hotels und Hotelangestellte? Hier richten sich die Fragen an die Politik. Es kann nicht sein, dass Gewinne privatisiert werden, aber Sozialleistungen der Allgemeinheit aufgebürdet werden, denn bei Uber ist der einzelne Fahrer selbständig – und im Falle der Arbeitsunfähigkeit aber greift das deutsche Sozialsystem. Verbote alleine helfen nicht, wir brauchen neue Regeln für einen fairen Wettbewerb, der Innovation fördert und nicht behindert. Gleichzeitig sind aber auch wir  alle als Verbraucherinnen und Verbraucher gefragt, rufen wir ein Taxi oder Uber? Bewusstseinsbildung bei Verbraucherinnen und Verbrauchern ist ein wichtiges Thema.  Noch gibt es kein Siegel für ethische digitale Dienstleistungen und Plattformen. Denkbar wäre ein Gütesiegel, ähnlich wie das Gütesiegel „Bio“ oder „Fair trade“, die es leichter machen, eine Kaufentscheidung ethisch zu beurteilen.
Was für Dienstleistungsplattformen gilt, betrifft Medienplattformen noch viel stärker. Sind wir als Medienkonsumentinnen und –konsumenten bereit, für verantwortlichen Journalismus zu bezahlen? Welche Regulierung gibt es, damit nicht Fake News im Nachrichtenstrom nach oben gespült werden, nur weil sie der Plattform einen größeren Gewinn bringen? Hier gilt es, um die Grundwerte unserer Demokratie gemeinsam zu kämpfen.
Je tiefer man in bestimmte digitale Fragestellungen eindringt, desto schwieriger wird es, eine eindeutige ethische Bewertung vorzunehmen. Das meiste ist weder Schwarz noch Weiß, sondern Grau. Wir müssen damit lernen, in Grauzonen zu leben. Wollen wir beispielsweise Roboter in der Pflege? Statt nur auf das technisch Machbare zu schauen, müssen wir sozial- und individualethische Diskurse führen. Vermutlich sind die Antworten nicht immer eindeutig, aber das entbindet uns nicht von der ethischen Diskussion. Hier stehen wir als Kirchen als Gesprächspartner bereit.
Was für konkrete ethische Fragestellungen gilt, ist natürlich auch auf die gesamtgesellschaftliche Digitalisierungsdebatte zu übertragen. Es gibt in der Regel keine einfachen Antworten auf komplexe Fragestellungen. Um verantwortlich in einer digitalen Gesellschaft zu leben, ist aber so viel Medienbildung und Medienkompetenz notwendig, so dass sich der Einzelne und die Einzelne verantwortlich für oder gegen die Nutzung bestimmter Technologien und Plattformen entscheiden kann.
Wichtig ist uns als Kirche Inklusion, dies gilt auch für digitale Inklusion. Niemand darf von gesellschaftlichen Zusammenhängen ausgeschlossen werden, wenn er oder sie eine bestimmte digitale Technik nicht nutze will oder kann.

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2 Antworten zu “Digitalisierung: wo wir stehen und worüber wir nachdenken”

  1. Beim Lesen fragte ich mich, wem diese Aufzählung was bringt? Unbeantwortet bleibt im kirchlichen Raum die Frage nach der datenschutzkonformen Nutzung der Social Media Angebote. Die „Social Media Guidelines … 2013 entwickelt“ ist diesbezüglich untauglich.

    Das IT Angebot der EKiR taugt sicherlich für Einzelpersonen oder kleinste kirchliche Einrichtungen und Gemeinden. Sobald die Organisationseinheit etwas größer ist, bleibt nur das Betreiben einer eigenständigen IT übrig. Was nicht schlimm ist.

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