„Abendmahl im Internet: Ein Experiment“ ist der Abendaufmacher heute (6.9.2012) von evangelisch.de. Am kommenden Freitag – so die Ankündigung – wird in der evangelischen Kirchengemeinde Eppertshausen unter dem Titel „Chillen mit Gott“ ein alternativer Gottesdienst gehalten.
Während des Gottesdienstes feiert die Gemeinde auch ein Online-Abendmahl. Dies wird ins Internet gestreamt, über eine Webinar-Software können Internetuser dem Gottesdienst folgen. Geplant hat diesen Gottesdienst Ralf Friedrich, der Prädikant ruft die Internet-User auf, sich „ein Stück Brot oder eine Oblate sowie einen Schluck Traubensaft oder Wein für die Abendmahlsfeier“ bereit zu legen.
Der Artikel von evangelisch.de führt aus:
„Wie wir das Abendmahl nun im Internet spenden, wird noch eine Herausforderung sein“, gibt Friedrich allerdings zu. Wahrscheinlich wird er Brot und Wein einfach in die Kamera halten, „dann sieht das ja jeder persönlich für sich“. Teilnehmer zu Hause am Bildschirm brauchen ein bisschen Vorstellungskraft, sie könnten zum Bildschirm greifen, beides symbolisch „entgegennehmen“ und dann im richtigen Moment gemeinsam mit der „echten“ Gemeinde in Eppertshausen essen und trinken. „Dichter kommen wir in dieser Situation auch nicht ran“, bedauert Friedrich.
Die Gottesdienstankündigung hat es auch in die Lokalzeitung gebracht, anders als bei evangelisch.de lautet der Titel jedoch: „Gottesdienst in evangelischer Kirche Eppertshausen auch als Livestream im Internet“. Es ist eine Gottesdienstübertragung, der Übertragungsweg ist jedoch nicht der Äther wie beim TV, sondern das Internet. Theologisch kann ich keinen Unterschied feststellen, ob die Übertragung digital über Datenpakete im Internet läuft, oder über Satellit, Kabel oder Antenne. Bisher hat noch keine Rundfunkpastorin und kein TV-Pfarrer die Fernsehzuschauer aufgefordert, während der Übertagung Brot und Wein zu sich zu nehmen. Wer einer Übertragung eines Abendmahlsgottesdienste folgt, sieht zu, nimmt aber nicht teil. Das dürfte bei einem Internet-Stream nicht anders sein. Deshalb habe ich bei Fernsehgottesdiensten noch nicht die Aufforderung an die Zuschauerinnen und Zuschauer vernommen, sich die Elemente des Sakramentes bereitzustellen und diese einzunehmen. Ralf Friedrich betritt Neuland.
Online-Abendmahl muss gemeinschaftsstiftend sein
Kann es ein Abendmahl im Internet geben? Das will ich gar nicht ausschließen, persönlich halte ich es für möglich. Ein Internet-Abendmahl muss aber mehr sein als eine reine Übertragung, es muss Gemeinschaft ermöglichen bzw. in einer Gemeinschaft geschehen. Dies geht auch im Internet, wenn die Interaktionsmöglichkeiten des Netzes genutzt werden. Das Internet kann gemeinschaftsstiftendes Medium sein. Wenn in einer Mediengemeinde der Wunsch aufkäme, die Gemeinschaft in Christus auch leiblich zu erfahren, dürfen oder können die online versammelten Christenmenschen dann Abendmahl feiern? Diese Frage habe ich 2007 gemeinsam mit Tom Brok durchaus nicht nur rhetorisch gestellt:
Was würde passieren, wenn jemand die Einsetzungsworte über Chat spräche und Chatteilnehmer gleichzeitig Brot und Wein zu sich nähmen? Wäre Christus dann gegenwärtig in Brot und Wein oder ist seine Präsenz räumlich auf einen Radius um den Altar in der Ortsgemeinde beschränkt? Was gewönnen diese Gemeinden und was verlören sie dadurch? Fragen – auf die Antworten noch gesucht werden.
Ein Internet-Abendmahl wirft Fragen auf, mache werden sich vielleicht nicht am theologischen Schreibtisch lösen lassen, sondern in der Praxis der Gemeinde sich von selbst beantworten. Theologisch verantwortlich ist es, diese Fragen aber auch zu benennen und zu durchdenken – und auch auszuhalten, dass es vielleicht keine Antworten gibt oder man die Antworten erst im Vollzug findet, sie aber vorab beiseite zu schieben, wie es Ralf Friedrich tut, ist theologisch nicht verantwortlich: „Ich denke, wir haben teilweise Ängste und sagen: Ist das theologisch überhaupt richtig, funktioniert das? Und ich sage: Lasst uns das nicht aus der theologischen Brille sehen, sondern aus der seelsorgerlichen, spirituellen Brille!“
Das Abendmahl und das Abendmahlsverständnis sind keine Marginalien, sondern stehen im Zentrum unseres Glaubens. Der Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli wird so hart geführt, weil es für Luther im Abendmahlsverständnis um die Christologie geht, dass es im Marburger Gespräch 1529 sogar zur Aussage kommt, „Ihr habt einen anderen Geist als wir“. Auch die fehlende eucharistische Einladung der katholischen Kirche an Protestanten wird mit der fehlenden Gemeinschaft begründet. Wenn das Abendmahl und die im Abendmahl gestiftete Gemeinschaft so zentral ist, müssen wir uns auch die Mühe geben, diese online im Abendmahl zu ermöglichen.
Wenn Ralf Friedrich Webinar-Technik zur Übertragung nutzt, frage ich mich (oder besser ihn), warum er diese nicht auch als Rückkanal beim Abendmahl benutzt. So könnte Kommunikation der Internet-User untereinander und mit der vor Ort versammelten Gemeinde entstehen, solche Kommunikation könnte dann auch Gemeinschaft bewirken – und wäre Voraussetzung für eine gemeinsame Feier des Herrenmahls. Wie man online zusammen Gottesdienst feiern kann, dazu gibt es verschiedene – auch erfolgreiche – Beispiele, die ich in einer Übersicht zusammengestellt habe (ohne Vollständigkeit zu beanspuchen).
Wenn ich den Bericht bei evangelisch.de richtig lese, soll die Webinar-Technik – das Hinzuschalten der Internet-User per Beamer in die Gemeinde vor Ort – beim Bibliolog zum Einsatz kommen, der die Predigt ersetzt, während das Abendmahl gestreamt wird. Das Verhältnis von Online-Gemeinde und versammelter Gemeinde ist schwierig – dies hat für mich nicht zuletzt der erste Facebook-Gottesdienst der katholischen Fernseharbeit gezeigt.
Theologische Grundfragen
Ich kenne die Liturgie nicht – und will auch nicht vorschnell urteilen – aber sie scheint sehr gepackt und intensiv zu sein. Neben einer modernen Form („Band statt Orgel“) gibt es ein Bibliolog als Predigtersatz, eine Webinar-Integration in den Bibliolog mit Beamer und last not least ein ins Internet gestreamtes Abendmahl. Ein Online-Abendmahl ist ein Novum in der evangelischen Kirche (sieht man von kruden Gemeinschaften am kirchlichen Rand ab) – sollte es nicht besser eingeführt werden, anstatt ein Add-on in einem alternativen Gottesdienst zu sein?
Zur theologischen Begründung, dass Online-Gemeinden möglich sind, wird Artikel VII der Augsburgischen Konfession (CA VII) herangezogen, so wie es auch der Artikel von evangelisch.de tut, denn die Kirche ist die um Wort und Sakrament versammelte Gemeinschaft, Predigt: das geht online auf jeden Fall, Sakramentsverwaltung: das ist schwierig:
Die Kirche ist laut der Confessio Augustana, dem zentralen Glaubensbekenntnis der Reformation, „die Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden.“ Klappt das auch, wenn die Menschen durch Bildschirme voneinander getrennt, also nicht physisch versammelt sind? Für die Predigt ist die Antwort einfach: Reden und Zuhören funktionieren auch durch Kabel und Funkwellen hindurch. Aber wie steht’s mit dem Abendmahl?
Interessant ist jedoch, dass im Zusammenhang von Predigt und Sakramentsverwaltung als notae ecclesiae in CA VII auch die Übereinstimmung im Predigt- und Sakramentsverständnis genannt wird:
Est autem Ecclesia congregatio Sanctorum in qua Evangelium recte docetur, et recte administrantur Sacramenta. Et ad veram unitatem Ecclesiæ satis est consentire de doctrina Evangelii et administratione Sacramentorum.
Ein Konsensus über das Sakramentsverständnis – „consentire de doctrina Evangelii et administratione Sacramentorum“ – ist zur Einheit der Kirche notwendig. Einen Konsens gibt es jedoch nur nach einer Diskussion. Gerade weil das Abendmahl so wichtig ist, ist zunächst die Diskussion wichtig.
Wenn wir theologisch über ein Online-Abendmahl diskutieren, wird vermutlich auch unsere konfessionelle Identität sich zeigen. Ist es Zufall, dass beim geplanten Abendmahl von einem symbolischen Entgegennehmen der Elemente gesprochen wird? Ist die reformierte Tradition näher an einem Online-Abendmahl als die lutherische – während eine Online-Eucharistie katholischerseits a priori ausgeschlossen ist.
Ich habe es lange Zeit erlebt, dass Online-Aktivitäten oft beargwohnt wurden, dass „online“ nur virtuell, aber nicht real bzw. echt meint. Erstmalig benutzte das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ als ein von der EKD herausgegebenes Dokument den Begriff „Mediengemeinden“ – zuvor wurde nur von Online-„Gemeinschaft“ oder „Community“ gesprochen. Ein Experiment kann daher auch dazu führen, dass kirchenleitend etwas verboten wird, weil noch kein Konsens besteht. Ist erstmal ein Verbot da, dauert es lange, dies wieder rückgängig zu machen.
Ist es daher jetzt an der Zeit, einfach ein Online-Abendmahl zu feiern – oder brauchen wir noch Zeit, einen Konsens zu finden?
17 Antworten zu “Abendmahl online? Wollen wir das?”
Für mich ganz klar: Eine Selbstnahme der Elemente schließt sich frü mich aus. Und: Für mich gehört zum Abendmahl die spürbare erlebbare Kon-Präsenz der anderen Kommunikanden. Ein Online-Abendmahl ist weder wünschenswert noch möglich. Experimente damit verbieten sich angesichts der sakramentalen Bedeutung der Eucharistie im evangelischen und ökumenischen Verständnis. Das Abendmahl ist keine Spielwiese für Profilierung einzelner.
Hallo Markus Eisele,
Ganz Klar !? Abendmahl OnLine weder wünschenswert noch möglich? Experimente verboten bei Sakramenten? Einzig vorstellbares Motiv = individuelle Profilierung?
und wenns doch anders wäre als die doch sehr einengend und streng statisch anmutenden Verwerfungen?
Selbsteinnahme= NO! Ok!
– aber wenn da 2 oder 3 (oder gar 10) zusammenkommen in den Häusern in SEinem Namen zur remote-Teilnahme am online-übertragenen Abendmahlsgottesdienst? (und mit-einander die Elemente teilen und wechselseitig spenden? Dann immer noch ganz klar NO?
– und wenns dann kein \“richtig\“/\“ordendlich\“ verwaltetes ABENDMAHL nach Lebensordnung wäre, was ist es dann? Wäre das nicht immer noch viel mehr als NIX? Wenn alle gesundheitlich oder anders am Kirchenbesuch gehinderten vom Ortspfarrer Haus-oder Krankenabendmahl zuhaus / im Krankenhaus oder anderswo außerhalb einfordern würden, wieviel kämen da wohl wirklich zum \“Erfolg\“ bzw. nach welcher Rangfolge? Wird sicher nicht optimaler durch weiteren Pfarrstellenabbau …
– Die würde des einzigen protestantischen Sakraments für Mitglieder/Getaufte verbietet hemmungsloses, leichtfertiges, theologisch unbegründbares Experimentieren. OK!
Aber dennoch hat sich die Art und Weise des Ritus der Mahlfeier in den letzten über 2000 Jahren des öfteren und gravierend verändert! Wie soll das sein ohne \“Experimente\“ und Kritik am Gegebenen? Wie wäre das vorstellbar ganz ohne subjektive Interessen und bisweilen vielleicht auch Eitelkeiten …
– Ich bin Ralf Friedrich über Jahre öfters auf \“evangelisch.de\“ begegnet und würde aus diesen Erfahrungen ihm NICHT unterstellen, dass Profilierungsbedürfnis oder Profilneurosen seine Hauptmotive wären, sicher nicht mehr als bei so manchem \“kirchenleitenden\“ Volltheologen, wenn es anscheinend \“ums Prinzip\“, um theologisch Fundamentales geht. Eine gewisse Unbekümmertheit um Traditionen und Theologisch Betoniertes, das vielleicht …
Vielleicht nicht der eleganteste Ansatz, als Prädikant sich allein ins \“Feuer\“ zu wagen ohne ausgiebige theologische Reflektion und Beratung mit Ranghöherem im landeskirchlichen Hexenkessel …
Ich würd ja allzu gern glaueben, dass Abendmahl nur real Zusammengekommen ginge, nur die bisher genannten Argumente dafür sind mir doch arg unbefriedigend und überzeugen soo noch nicht. Es sollte bessere geben …
– und umgekehrt (RP Reimann & B Kehren) bitte dann auch, bei denen, die meinen, es ginge vielleicht doch oder wäre nicht von vornherein auszuschließen. Ohne etwas mehr ausgeführte theologische Begründung bleibt auch das für mich unbefriedigend. Allein der Hinweis auf fiktive mögliche seelsorgerische Not richtet imho nicht alles … und erlaubt nicht alles …
Fritz7
(Friedrich Lange)
Reblogged this on blogmatthiasjung und kommentierte:
Hochinteressanter Artikel, der vor allem die theologischen Argumente und Fragen gut beschreibt. Und nicht gleich eine Antwort parat hat.
Ach wenn das die tatsächlichen Probleme und Fragen sind, die uns zu beschäftigen haben… Ich kann den theologischen Fragen folgen. Sie machen mich aber ratlos, ob dies die Dinge sind mit denen sich Berufstheologen zu beschäftigen haben? Wenn das Abendmahl ein so wichtiges, sogar konstituierendes Element der Kirche ist, welches sogar klare Kriterien aufweist, die einzuhalten sind, wieso nehmen statistisch so wenige Kirchenmitglieder an dieser ach so zentralen Feier teil? Findet in der Art und Weise, wie Gemeinden Abendmahl feiern wirklich Gemeinschaft statt? Oder stehen da nicht vielmehr recht unterschiedliche Kreaturen im Kreis mit ihrem deutlich verschiedenen Verständnis, was sie da gerade feiern und in welcher Haltung sie es tun. Sie stehen im Kreis und weil es sein muss geben sie sich am Ende auch die Hände. Das ist in den meisten Fällen mindestens genauso belanglos und unverbindlich wie eine virtuelle Mediengemeinschaft. Was vor Ort schon nicht \“gut läuft\“, muss das nun auch digital probiert werden? Kann man machen. Muss man aber nicht.
Wenn das Abendmahl oder Anderes der Kirche und Gemeinde so wichtig und bedeutsam ist, dann lautet für mich die viel entscheidenere Frage: WIE schafft es Kirche ein solch hohes Gut den kirchlich Entfremdeten (und dazu gehören nun mal die meisten Kirchenmitglieder dazu) nahe zu bringen? WIE erfahren Menschen von der heilsamen Liturgie, von den stärkenden Ritualen und den Botschaften Christi? Das gelingt nur, wenn es in heutige Denk- und Erlebensmuster eingebettet ist. Da gehört das Digitale durchaus dazu. Aber davor sollten doch ein paar Überlegungen stehen, die das Thema Abendmahl heutigen Zeitgenossen plausibilisiert. Also: statt die CA wieder und wieder zu lesen (die sollte doch bei den Berufstheologen ausreichend studiert und verinnerlicht sein) sollten wir mehr in den medialen Kommunikationen uns ferner Milieus lesen lernen. Denn auch da gibt es abendmahlsähnliche Vergesellschaftungen. Hier ist Alphabetisierung innerhalb der Predigerinnnen und Prediger, Liturginnen und Liturgen dringend nötig. Denn hier sind dramatische Kommunikationsstörungen und die kann man nicht abschalten indem man \“Gestörtes\“ online zelebriert.
Zum Thema Online-Abendmahl gibt es auch in Großbritannien beim christlichen Ship of Fools-Magazin interessante Überlegungen: http://ship-of-fools.com/features/2012/online_sacraments.html. Offenbar soll auf Basis einer Leser-Umfage bald ein Experiment starten: http://ship-of-fools.com/features/2012/who_cares_about_online_sacraments.html.
Mal ganz praktisch:
Wie viele Menschen nehmen über Fernsehgottesdienste regelmäßig ein Angebot der Kirchen wahr?
Wie viele Menschen davon werden regelmäßig durch die Gemeinde besucht und erhalten das Abendmahl gereicht? Eine absolute Minderheit!
Durch diese Form der Feier könnten Menschen auch schon im Vollzug von Konsumenten zu Mitfeiernden werden. Man sitzt anders, man ist anders angezogen, man spricht die Gebete mit, frühstückt nicht mal eben nebenbei, man ist auch mit Ernst am Abendmahl beteiligt.
Ein Schlüssel für mich ist 1. Kor 13,13: Die Liebe als Kriterium, ob diese Form der Gemeinschaft machbar ist oder nicht.
Die Diskussion über das richtige Glaubensverständnis ist richtig und wichtig: Glaube, Hoffnung und Liebe. Damit sind auch die Einwände sorgfältig zu bedenken.
Wichtiger als der Glaube ist aber die Liebe. Das steht so da!
Bei dieser Diskussion sollten wir auch die evangelische Freiheit bewahren. Es stimmt nicht, dass Gemeinschaft erst dann möglich ist, wenn die theologischen Fragen geklärt sind.
Hat Jesus vor dem letzten (eigentlich ersten) Abendmahl ein theologisches Kolleg abgehalten, um mit seinen Jüngerinnen und Jüngern vorher zu klären, dass sie dies auch richtig feiern? Selbst Judas hat den Bissen eingetaucht, Petrus, und all die anderen, die hinterher einschliefen, den Herrn verrieten – ob ihnen so richtig klar war, was die theologische Reflektion der kommenden 2000 Jahre so alles bedenken würde? Wohl kaum!
Mit einer solchen Diskussion würden die Gläubigen noch heute diskutieren, hätte es weder das Abendmahl noch die Kreuzigung danach gegeben.
Es gibt viele Menschen, die nur noch über den Bildschirm an einem Gottesdienst teilnehmen können..
Ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn anschließend ein einsamer Mensch mit einem Schluck Wein, einem Stück Brot einsam in seiner Wohnung gefunden würde?
Die kirchliche Aufgabe und das Versagen würden mehr als deutlich. Und gleichzeitig die geistliche Beruhigung: Einer verlässt uns nie.
Ich schwanke ein wenig, angesichts dieses Gedankenexperiments. Aber ich tendiere immer noch zu meinem ersten Impuls: Warum eigentlich nicht? Mit Gottes Segen.
Bernd Kehren schrieb:
\“\“Durch diese Form der Feier könnten Menschen auch schon im Vollzug von Konsumenten zu Mitfeiernden werden. Man sitzt anders, man ist anders angezogen, man spricht die Gebete mit, frühstückt nicht mal eben nebenbei, man ist auch mit Ernst am Abendmahl beteiligt.\“\“
Genau dass bezweifle ich. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass hier ein hochheiliger Akt via aufgeklapptem Notebook zwischen Toast und Nutella am Frühstückstisch landet, mit Beteiligten in Pyjama, die zwischendurch eben noch bei Facebook chatten. Oder die mit dem Tabletcomputer in der U-Bahn sitzen.
Ich pädiere dagegen für eine moderne Form der Arkandisziplin. Also dafür, Sakramente wie das Heilige Abendmahl nur in einer besonderen, räumlich und zeitlich vor Trivialität geschützten Atmosphäre zu feiern. Das beinhaltet auch die innere Vorbereitung des Liturgen und der Gemeinde.
Die Mahnungen des Apostels Paulus in 1. Kor. 11, 17 – 34 gewinnen hier eine ganz besondere Aktualität.
Ich habe an Chat-Gottesdiensten teilgenommen und sie als sehr befremdlich empfunden. Um so mehr stehe ich der vorestellten Form von Online-Sakramenten kritisch gegenüber.
Beim Herrenmahl handelt es sich nicht nur um essen und trinken, sondern um die liturgisch-zeichenhafte Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens, das vom Pessach Israels über das Letzte Abendmahl Jesu und seinen Tod auf Golgotha bis hin zum Himmlischen Hochzeitsmahl reicht.
Ein zu tiefst mystisches Geschehen, das verstandesmäßig nicht zu erfassen ist.
Deshalb braucht dieses Sakrament einen Schutz vor Trivialisierung.
Die Kirche hat gut daran getan, dazu durch die Geschichte hindurch liturgische Formen und Räume (Kirchengebäude) zu schaffen, die eine in erlebter Gemeinschaft mit Essen und Trinken ganzheitliche, aber vom pro-fanen Alltag getrennte Feier des Herrenmahles ermöglichen. Gerade die archaische Form (Kelch statt Wasserglas, Kerzen statt Glübirnen) hebt den Wert des Sakramentes hervor. Dieses geht am Bildschirm verloren.
Ich bezweifle nicht, dass es auch im Internet wahre Gemeinschaft gibt. Mit manchen bin ich so sogar tiefer verbunden, als es in realer Begegnung möglich wäre (z. B. mit Autisten und Sozialphobikern). Trotzdem halte ich dafür, dass Kirche in Liturgie, Communio und Diakonie deutlich sichtbaren Kontrast zur immer weiter um sich greifenden Vereinzelung in der Internetgesellschaft setzt. Ein Internet-Abendmahl dient dem sicher nicht.
Interessante Diskussionsbeiträge auch auf Facebook:
https://www.facebook.com/heiko.kuschel/posts/261605527276056
https://www.facebook.com/alexander.ebel1/posts/10151051430937638
[…] “Abendmahl im Internet: Ein Experiment” ist der Abendaufmacher heute (6.9.2012) von evangelisch.de. Am kommenden Freitag – so die Ankündigung – wird in der evangelischen Kir… […]
Ein paar Gedanken, nachdem ich den ganzen Tag schon über den Beitrag von Ralf-Peter Reimann nachgedacht habe…
1. Die theologischen Fragen sind schon wichtig. Wann ist das Abendmahl »vollgültig«, wann ist es »richtig« gefeiert? Darüber muss immer neu nachgedacht werden, weil Leben und Menschen sich verändern. Theologie ist Reflexion des Glaubens auf der Grundlage der biblischen Überlieferung und wird daher niemals fertig. Theologie kann Grenzen versuchen zu markieren, innerhalb dessen sich Kirche bewegen kann, dies ist aber immer eine un-endliche Aufgabe. Die Digitalisierung des Lebens ist eine Herausforderung für theologisches Denken, und zwar sowohl im Blick auf die notwendigen neuen Grenzziehungen als auch im Blick auf die Formulierung der christlichen Wahrheit in der Sprache der Gegenwart, die Menschen verstehen. Damit ist nicht gemeint, dass jeder theologische Text für jeden Laien verständlich sein muss und kann. Aber es kann auch nicht beim einfachen Nachsprechen der »alten« Tradition bleiben, sondern wenn ich mich darauf beziehe, muss ich den Gegenwartsbezug deutlich machen.
2. Was ist zuerst, reflektierte Theologie oder zu reflektierende Praxis? Ich glaube, die Frage führt nicht weiter. Letztlich muss jede/r Pfarrer/Prädikant/Theologe oder -innen entscheiden, was er oder sie meint verantworten zu können und ob er oder sie erst den Weg durch die Institutionen geht oder das Risiko auf sich nimmt, zunächst »allein« zu handeln und damit etwas anzustoßen. Friedrich entscheidet sich offenbar für den letzteren Weg, so wie auch vor zwanzig Jahren die ersten Segnungen homosexueller Paare ohne vorherige Zustimmung der Kirchenleitung durchgeführt wurden Wenn ich mich recht entsinne, wurden die Segnungen für ungültig erklärt, aber ein intensiver Prozess in der rheinischen Kirche dadurch angestoßen. In anderen Fällen wurden solche Prozesse anders herum geführt.
3. Somit ist die Diskussion um das virtuelle Abendmahl eröffnet, wenn es heute Abend zu dem Gottesdienst so wie angekündigt kommt. Meine Frage geht dahin, ob und unter welchen Umständen ich ein virtuelles Abendmahl als »vollgültiges« Abendmahl ansehen kann. Eine Wirkung kann es auch entfalten, wenn die theologische Reflexion zu der Auffassung kommt, hier sei eine Grenze überschritten worden, der Geist weht nun mal wo er will, Was uns nicht von der Aufgabe entbindet, ihm hinterherzusinnen.
Nehmt hin und eßt, das ist mein Leib und mein Blut, tut dies zu meinem Gedächtnis. Für mich stellt sich vor allem im ersten Satzteil die Frage, ob ein Abendmahl denkbar ist, ohne dass ich das Abendmahl empfangen kann, ohne dass es mir ein/e andere/r gibt. Die anderen beiden Aspekte scheinen für mich einfacher zu sein. Erinnern geht auch gemeinsam ohne gleichzeitig am gleichen Ort zu sein, die Frage der »Wandlung« scheint zumindest aus meinem evangelischen Verständnis heraus auch ohne räumliche Gegenwart denkbar zu sein. Aber kann ich alleine vor dem PC sitzen, mit Brot und Wein (oder Saft) und es am Ende – nehmen, aber nicht empfangen? Ich denke, dass sich hier im Abendmahl die grundlegende Bedürftigkeit des Menschen spiegelt, daher würde ich momentan sagen: nein, das ist kein theologisch vollgültiges Abendmahl. Aber noch mal, diese Form kann dennoch wirken, ja auch Glauben hervorrufen, warum nicht? (Der Geist, weht wo er will). Denkbar wäre aber für mich, dass mehrere Menschen an den verschiedenen Orten zusammen kommen und sich im Rahmen der Abendmahlsfeier dann »vor Ort« gegenseitig Brot und Wein reichen.
4. Und noch ein letzter Gedanke. Ist eine virtuelle Gemeinschaft »real«, wenn die Teilnehmenden sich an verschiedenen Orten aufhalten und »nur« über Chat usw. kommunizieren? Das Verbundenheitsgefühl sagt da vermutlich bei vielen Zeitgenoss/inn/en, die sich mit den digitalen Medien tagtäglich befassen: »Ja«. Aber »fehlt« dann nicht etwas, das sinnliche Sich-in-einem-Raum-gemeinsam-Aufhalten? Ja, das fehlt. Allerdings frage ich mich, ob wir da nicht einem Vollkommenheitswahn aufsitzen. Die sinnliche Wahrnehmung unterscheidet da ganz sicher, aber: Wer sagt eigentlich, dass alle Sinne immer beteiligt sein müssen? Anders gefragt: was ist, wenn nicht alle Sinne beteiligt sein können? Ein Gehörloser kann nicht hören, ein Blinder nicht sehen, ein Mensch mit Magensonde kann Brot und Wein nicht empfangen (ich erspare es mir, es mir dennoch auszumalen), ein/e Rollstuhlfahrer/in vielleicht nicht zum Gottesdienstraum kommen, ein älterer Mensch schafft diesen Weg auch nicht mehr (unter anderem für diese Menschen sind TV-Gottesdienste da und ich höre das immer wieder, dass gerade ältere Menschen jeden Sonntagvormittag da vor dem Fernseher sitzen). Wenn wir hier aber zugestehen, dass die Vollgültigkeit eines Gottesdienstes – oder ich sage mal besser: die Vollwirksamkeit eines Gottesdienstes nicht an das Vorhandensein aller Sinne und aller sinnlichen Wahrnehmung gebunden ist, dann müssen wir dies auch im Blick auf das virtuelle Abendmahl mitbedenken.
Ich erinnere mich daran, vor Jahren habe ich von einer Begebenheit gehört, die ich nachhaltig beeindruckt hat. Ich weiß nicht, ob ich sie exakt – »vollgültig« 😉 – noch im Kopf habe. In einem südamerikanischen Foltergefängnis haben Menschen miteinander Abendmahl gefeiert: ohne Brot, ohne Wein. Sie hatten weder Brot noch Wein. Aber der Wunsch gemeinsam zu feiern war so stark, dass sie so getan haben »als ob«: Sie haben so getan, als ob sie Brot ein Wein einander reichen.
Vollgültig im Sinne der theologischen Definition? Vollwirksam auf jeden Fall, und vielleicht war es ja so, dass die fehlenden Elemente das Erleben noch intensiver gemacht haben. Und das wäre dann auch meine abschließende Frage, ob ein virtuelles Abendmahl durch die bewusste Konzentration auf das was eben nicht da ist oder nicht geht (in einem »realen« Raum versammelt zu sein) anders und vielleicht intensiver »wirkt« als das sonntägliche Zusammensein im Kirchraum. Gar nicht mal als »Ersatz« für den normalen Sonntagsgottesdienst, aber als Ergänzung, Anregung, Bewusstmachen, ja auch als Provokation (im Sinne von pro vocare)? Ich bin gespannt auf Berichte und Reaktionen von der gottesdienstlichen Feier heute Abend.
(Kommentar auch unter veröffentlicht: http://wp.me/p2kEr4-77)
Theologisch kann ich das für die evangelische Kirche nicht sagen, katholischerseits ist es – soweit ich das verstehe – klar mit der Eucharistie, aber es gibt da auch den Orbi@Orbi Segen, der einlädt weiterzudenken.
Ich denke mir, dass – egal welche Konfession – für mich der sinnvolle nächste Schritt wäre, mehr Erfahrung zu sammeln, wie es klappt mit der Interaktion und dem Austausch untereinander übers Web. Was tut das mit den Menschen, die online dabei sind? Was tut es mit den Menschen vor Ort? Da gibts ja erste Erfahrungen, aber da sehe ich noch ganz, ganz viel Bedarf viele Varianten auszuprobieren und zu lernen. Es wird sich wohl auch immer nicht für jede_n GottdienstteilnehmerIn gleich anfühlen mit der Online-Beteiligung. Daraus lässt sich meiner Meinung nach was weiterentwickeln und dann auch theologisch weiterdenken. In solche einer Abfolge hat es für mich dann auch keinen Beigeschmack von Spektakel um den Spektakel willens mehr.
[…] Vorfeld wurde über das angekündigte Internet-Abendmahl viel diskutiert, daher wollte ich online erleben, wie es umgesetzt würde. Kurz vor acht Uhr meldete ich mich an. […]
Ein interessanter Hinweis von Gerlinde Feine zu Hagioskopen und der Teilnahme am Abendmahl in der FB-Gruppe Kirche und Social Media https://www.facebook.com/groups/110032705759320/ :
\“Vom AM-Verständnis her gibt es allerdings aus der Kirchengeschichte etliche Beispiele gültiger Feier trotz fehlender leiblicher Gemeinschaft. Wichtig war, den Altar im Moment der Wandlung / Einsetzung des AM zu sehen, durch ein eigens in die Wand eingelassenes Fenster bzw. einen Schlitz. So konnten auch Menschen mit ansteckenden Krankheiten draußen mit kommunizieren, weil sie ja gesehen hatten, was drinnen passierte bzw. weil durch diese Verbindung auch ihre Hostie draussen zum Leib Christi geworden war. Später fanden Hagioskope beim Adel Verwendung; die Privaträume mussten zur Teilnahme an der Eucharistie nicht verlassen werden, weil Sichtkontakt zum Altar der Schlosskapelle bestand. – Hagioskope gibt es übrigens auch in evang. Gebieten. Man könnte nun argumentieren, daß das Internet auch nix anderes ist als so ein \“Guckloch\“…\“
Mehr zu Hagioskopen: http://de.wikipedia.org/wiki/Hagioskop
Hat denn jemand online teilgenommen und kann berichten? Das fehlt, auch bei evangelisch.de
Ich war dabei, hier meine Eindrücke: https://theonet.de/2012/09/08/das-ist-mein-leib-und-dann-war-der-ton-weg/
[…] der Diskussion, die an verschiedenen Orten im Netz stattfand. Wenn ich persönlich mit der Schlussfolgerung zurückhaltender wäre, finde ich diesen Blogartikel auf jeden Fall […]